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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Eventualitäten. Die letzten Tage in Yeddo. X.
ganz andere Gestaltung gewonnen, wenn die sämmtlichen Gesandt-
schaften nach Heuskens Tode in Yeddo ausgeharrt und Alles daran
gesetzt hätten, ihre Stellung dort zu behaupten; vielleicht hätte
diese Politik wirklich zum Kriege mit den Vertragsmächten geführt.
Notorisch ist dagegen, dass es den Vertretern der europäischen
Mächte in den nächsten Jahren nicht wieder gelang, bleibend in der
Hauptstadt Fuss zu fassen, wie Herr Harris voraussah. Auch sein
Nachfolger in der Vertretung von Amerika, Herr Pruyn wurde im
Sommer 1863 halb gewaltsam von dort entfernt. Die Meinungsver-
schiedenheit der Diplomaten über die Lage erscheint unerheblich
der Grösse der innern Zerwürfnisse gegenüber, wie sie sich in den
folgenden Jahren offenbarte. Man hatte damals noch keinen Begriff
von der Schwäche und Zerrüttung der centralen Executivgewalt
und der wirklichen Stellung der Lehnsfürsten zu den Verträgen.

Die letzten Tage unserer Anwesenheit in Yeddo stürmte und
regnete es fast unablässig. Am 27. Vormittags kamen die Bunyo's,
die den Vertrag unterzeichnet hatten, um Abschied zu nehmen und
dem Gesandten Geschenke des Taikun für Seine königliche Hoheit
den Regenten zu überreichen: einen Lackschrank von vorzüglicher
Arbeit, golddurchwirkte Seidenstoffe und ein schönes Schwert. Mit
einem solchen, hiess es, würden in Japan nur Personen beschenkt,
die man besonders ehre und als treue Freunde betrachte. -- Dem
Gesandten gaben die Bunyo's zum Andenken einige hübsche Klei-
nigkeiten, darunter eine Pistole in Form eines japanischen Taschen-
schreibzeuges; der Schreibepinsel dient als Ladestock. -- Nachmit-
tags ritt Graf Eulenburg mit seinen Begleitern und einer ganzen
Schaar Yakunine zu Herrn Harris, um von dem schwergeprüften
Manne herzlichen Abschied zu nehmen. Er blieb in tiefer Einsam-
keit zurück, beraubt des treuen Freundes, der ihm so viele Jahre
zur Seite gestanden hatte. Unser letzter Ritt in Yeddo galt Heuskens
Grabe. Als der Gesandte gegen Abend nach Akabane zurückkehrte,
liess sich ein japanischer Grosser, Forivi Etsisen-no-kami melden,
der am folgenden Morgen im Namen der Regierung dem Gesandten
die Abschiedscomplimente machen sollte, und, um früh bei der
Hand zu sein, im Hause sein Nachtlager nahm.

Das grosse Gepäck war schon an Bord und wir hatten nur
das Nöthigste bei uns; Akabane sah kahl, unbehaglich und verwohnt
aus und wimmelte von Yakuninen. Alle die während des langen

Eventualitäten. Die letzten Tage in Yeddo. X.
ganz andere Gestaltung gewonnen, wenn die sämmtlichen Gesandt-
schaften nach Heuskens Tode in Yeddo ausgeharrt und Alles daran
gesetzt hätten, ihre Stellung dort zu behaupten; vielleicht hätte
diese Politik wirklich zum Kriege mit den Vertragsmächten geführt.
Notorisch ist dagegen, dass es den Vertretern der europäischen
Mächte in den nächsten Jahren nicht wieder gelang, bleibend in der
Hauptstadt Fuss zu fassen, wie Herr Harris voraussah. Auch sein
Nachfolger in der Vertretung von Amerika, Herr Pruyn wurde im
Sommer 1863 halb gewaltsam von dort entfernt. Die Meinungsver-
schiedenheit der Diplomaten über die Lage erscheint unerheblich
der Grösse der innern Zerwürfnisse gegenüber, wie sie sich in den
folgenden Jahren offenbarte. Man hatte damals noch keinen Begriff
von der Schwäche und Zerrüttung der centralen Executivgewalt
und der wirklichen Stellung der Lehnsfürsten zu den Verträgen.

Die letzten Tage unserer Anwesenheit in Yeddo stürmte und
regnete es fast unablässig. Am 27. Vormittags kamen die Bunyo’s,
die den Vertrag unterzeichnet hatten, um Abschied zu nehmen und
dem Gesandten Geschenke des Taïkūn für Seine königliche Hoheit
den Regenten zu überreichen: einen Lackschrank von vorzüglicher
Arbeit, golddurchwirkte Seidenstoffe und ein schönes Schwert. Mit
einem solchen, hiess es, würden in Japan nur Personen beschenkt,
die man besonders ehre und als treue Freunde betrachte. — Dem
Gesandten gaben die Bunyo’s zum Andenken einige hübsche Klei-
nigkeiten, darunter eine Pistole in Form eines japanischen Taschen-
schreibzeuges; der Schreibepinsel dient als Ladestock. — Nachmit-
tags ritt Graf Eulenburg mit seinen Begleitern und einer ganzen
Schaar Yakunine zu Herrn Harris, um von dem schwergeprüften
Manne herzlichen Abschied zu nehmen. Er blieb in tiefer Einsam-
keit zurück, beraubt des treuen Freundes, der ihm so viele Jahre
zur Seite gestanden hatte. Unser letzter Ritt in Yeddo galt Heuskens
Grabe. Als der Gesandte gegen Abend nach Akabane zurückkehrte,
liess sich ein japanischer Grosser, Forivi Etsisen-no-kami melden,
der am folgenden Morgen im Namen der Regierung dem Gesandten
die Abschiedscomplimente machen sollte, und, um früh bei der
Hand zu sein, im Hause sein Nachtlager nahm.

Das grosse Gepäck war schon an Bord und wir hatten nur
das Nöthigste bei uns; Akabane sah kahl, unbehaglich und verwohnt
aus und wimmelte von Yakuninen. Alle die während des langen

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[176/0196] Eventualitäten. Die letzten Tage in Yeddo. X. ganz andere Gestaltung gewonnen, wenn die sämmtlichen Gesandt- schaften nach Heuskens Tode in Yeddo ausgeharrt und Alles daran gesetzt hätten, ihre Stellung dort zu behaupten; vielleicht hätte diese Politik wirklich zum Kriege mit den Vertragsmächten geführt. Notorisch ist dagegen, dass es den Vertretern der europäischen Mächte in den nächsten Jahren nicht wieder gelang, bleibend in der Hauptstadt Fuss zu fassen, wie Herr Harris voraussah. Auch sein Nachfolger in der Vertretung von Amerika, Herr Pruyn wurde im Sommer 1863 halb gewaltsam von dort entfernt. Die Meinungsver- schiedenheit der Diplomaten über die Lage erscheint unerheblich der Grösse der innern Zerwürfnisse gegenüber, wie sie sich in den folgenden Jahren offenbarte. Man hatte damals noch keinen Begriff von der Schwäche und Zerrüttung der centralen Executivgewalt und der wirklichen Stellung der Lehnsfürsten zu den Verträgen. Die letzten Tage unserer Anwesenheit in Yeddo stürmte und regnete es fast unablässig. Am 27. Vormittags kamen die Bunyo’s, die den Vertrag unterzeichnet hatten, um Abschied zu nehmen und dem Gesandten Geschenke des Taïkūn für Seine königliche Hoheit den Regenten zu überreichen: einen Lackschrank von vorzüglicher Arbeit, golddurchwirkte Seidenstoffe und ein schönes Schwert. Mit einem solchen, hiess es, würden in Japan nur Personen beschenkt, die man besonders ehre und als treue Freunde betrachte. — Dem Gesandten gaben die Bunyo’s zum Andenken einige hübsche Klei- nigkeiten, darunter eine Pistole in Form eines japanischen Taschen- schreibzeuges; der Schreibepinsel dient als Ladestock. — Nachmit- tags ritt Graf Eulenburg mit seinen Begleitern und einer ganzen Schaar Yakunine zu Herrn Harris, um von dem schwergeprüften Manne herzlichen Abschied zu nehmen. Er blieb in tiefer Einsam- keit zurück, beraubt des treuen Freundes, der ihm so viele Jahre zur Seite gestanden hatte. Unser letzter Ritt in Yeddo galt Heuskens Grabe. Als der Gesandte gegen Abend nach Akabane zurückkehrte, liess sich ein japanischer Grosser, Forivi Etsisen-no-kami melden, der am folgenden Morgen im Namen der Regierung dem Gesandten die Abschiedscomplimente machen sollte, und, um früh bei der Hand zu sein, im Hause sein Nachtlager nahm. Das grosse Gepäck war schon an Bord und wir hatten nur das Nöthigste bei uns; Akabane sah kahl, unbehaglich und verwohnt aus und wimmelte von Yakuninen. Alle die während des langen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/196>, abgerufen am 23.11.2024.