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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Stellung der Holländer zu den Japanern. XI.
keit und Tyrannei der Japaner, und waren doch deren Mitschuldige.
Die allgemeine Complicität muss alle Offenheit, alles Vertrauen zer-
stört haben; Jeder lebte in beständiger Furcht von seinem Nachbar
verrathen zu werden, suchte sich aber auf dessen Kosten zu
bereichern. Die Statthalter und Handelsvorsteher überlisteten ein-
ander im Grossen, die Gassenrichter, Dolmetscher, Unterkaufleute,
Kuli's, Matrosen und Handlanger im Kleinen und Kleinsten. Gewinn-
süchtige Beamte fanden immer Mittel ihre Habsucht zu befriedigen,
und die hochfahrende Willkür der Dolmetscher machte die Lage
der Holländer oft unerträglich. Intrigue und Conspiration waren an
der Tagesordnung; auch Frauen wurden hineingezogen, mancher
Diebs- und Liebesroman gedieh zur Catastrophe aufgeschlitzter
Kehlen und Leiber, der stäten Zuflucht des bedrängten Japaners.

Wer Kämpfer's Berichte mit denen Thunberg's und späterer
Factorei-Beamten vergleicht, kann eine erhebliche Besserung der
Sitten bei Holländern und Japanern wahrnehmen. In denen der
letzten Jahrzehnte findet sich kaum noch eine Spur der alten
Rohheit; Japan ist in ähnlichem Maasse vorwärts geschritten, wie
europäische Länder die eines langen Friedens genossen. An einzelnen
Beispielen erfreulicher Verhältnisse zwischen Holländern und Japanern
fehlt es auch in den früheren Zeiträumen nicht; sie nehmen aber
zu, je näher die Berichte der Gegenwart rücken. Es gibt kaum
Japan-Reisende, die nicht von rührenden Zügen der Freundschaft,
Uneigennützigkeit und kindlichen Herzensgüte zu erzählen wüssten;
Manche, die länger dort weilten, haben Männer gefunden, eines
bleibenden Freundschaftsbundes so würdig als irgend ein Landsmann.
Die Stellung der fremden Kaufleute in den neu geöffneten Häfen ist
schwierig; sie kommen meist nach Japan ohne einen Begriff von
der Geschichte, den Institutionen und Zuständen des Landes, finden
die Kaufleute, mit denen sie verkehren, weit unter ihrer Würde und
urtheilen danach über das ganze Volk; daher die gewönliche Ueber-
hebung. Sie selbst gelten aber den höheren Ständen des Landes
nicht für ebenbürtig und werden von ihnen geflissentlich gemieden.
Mit den Handelsagenten auf Desima war es anders; diese galten als
Beamte und wurden, als Repräsentanten der holländisch-ostindi-
schen Regierung, bei aller Beschränkung doch mit gewissen Rück-
sichten der Ehrerbietung behandelt. Die obersten Vertreter des
Statthalters, welche ihr eigenes Haus auf Desima hatten, mussten
sich zu allen Verhandlungen mit dem Vorsteher in dessen Wohnung

Stellung der Holländer zu den Japanern. XI.
keit und Tyrannei der Japaner, und waren doch deren Mitschuldige.
Die allgemeine Complicität muss alle Offenheit, alles Vertrauen zer-
stört haben; Jeder lebte in beständiger Furcht von seinem Nachbar
verrathen zu werden, suchte sich aber auf dessen Kosten zu
bereichern. Die Statthalter und Handelsvorsteher überlisteten ein-
ander im Grossen, die Gassenrichter, Dolmetscher, Unterkaufleute,
Kuli’s, Matrosen und Handlanger im Kleinen und Kleinsten. Gewinn-
süchtige Beamte fanden immer Mittel ihre Habsucht zu befriedigen,
und die hochfahrende Willkür der Dolmetscher machte die Lage
der Holländer oft unerträglich. Intrigue und Conspiration waren an
der Tagesordnung; auch Frauen wurden hineingezogen, mancher
Diebs- und Liebesroman gedieh zur Catastrophe aufgeschlitzter
Kehlen und Leiber, der stäten Zuflucht des bedrängten Japaners.

Wer Kämpfer’s Berichte mit denen Thunberg’s und späterer
Factorei-Beamten vergleicht, kann eine erhebliche Besserung der
Sitten bei Holländern und Japanern wahrnehmen. In denen der
letzten Jahrzehnte findet sich kaum noch eine Spur der alten
Rohheit; Japan ist in ähnlichem Maasse vorwärts geschritten, wie
europäische Länder die eines langen Friedens genossen. An einzelnen
Beispielen erfreulicher Verhältnisse zwischen Holländern und Japanern
fehlt es auch in den früheren Zeiträumen nicht; sie nehmen aber
zu, je näher die Berichte der Gegenwart rücken. Es gibt kaum
Japan-Reisende, die nicht von rührenden Zügen der Freundschaft,
Uneigennützigkeit und kindlichen Herzensgüte zu erzählen wüssten;
Manche, die länger dort weilten, haben Männer gefunden, eines
bleibenden Freundschaftsbundes so würdig als irgend ein Landsmann.
Die Stellung der fremden Kaufleute in den neu geöffneten Häfen ist
schwierig; sie kommen meist nach Japan ohne einen Begriff von
der Geschichte, den Institutionen und Zuständen des Landes, finden
die Kaufleute, mit denen sie verkehren, weit unter ihrer Würde und
urtheilen danach über das ganze Volk; daher die gewönliche Ueber-
hebung. Sie selbst gelten aber den höheren Ständen des Landes
nicht für ebenbürtig und werden von ihnen geflissentlich gemieden.
Mit den Handelsagenten auf Desima war es anders; diese galten als
Beamte und wurden, als Repräsentanten der holländisch-ostindi-
schen Regierung, bei aller Beschränkung doch mit gewissen Rück-
sichten der Ehrerbietung behandelt. Die obersten Vertreter des
Statthalters, welche ihr eigenes Haus auf Desima hatten, mussten
sich zu allen Verhandlungen mit dem Vorsteher in dessen Wohnung

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[210/0230] Stellung der Holländer zu den Japanern. XI. keit und Tyrannei der Japaner, und waren doch deren Mitschuldige. Die allgemeine Complicität muss alle Offenheit, alles Vertrauen zer- stört haben; Jeder lebte in beständiger Furcht von seinem Nachbar verrathen zu werden, suchte sich aber auf dessen Kosten zu bereichern. Die Statthalter und Handelsvorsteher überlisteten ein- ander im Grossen, die Gassenrichter, Dolmetscher, Unterkaufleute, Kuli’s, Matrosen und Handlanger im Kleinen und Kleinsten. Gewinn- süchtige Beamte fanden immer Mittel ihre Habsucht zu befriedigen, und die hochfahrende Willkür der Dolmetscher machte die Lage der Holländer oft unerträglich. Intrigue und Conspiration waren an der Tagesordnung; auch Frauen wurden hineingezogen, mancher Diebs- und Liebesroman gedieh zur Catastrophe aufgeschlitzter Kehlen und Leiber, der stäten Zuflucht des bedrängten Japaners. Wer Kämpfer’s Berichte mit denen Thunberg’s und späterer Factorei-Beamten vergleicht, kann eine erhebliche Besserung der Sitten bei Holländern und Japanern wahrnehmen. In denen der letzten Jahrzehnte findet sich kaum noch eine Spur der alten Rohheit; Japan ist in ähnlichem Maasse vorwärts geschritten, wie europäische Länder die eines langen Friedens genossen. An einzelnen Beispielen erfreulicher Verhältnisse zwischen Holländern und Japanern fehlt es auch in den früheren Zeiträumen nicht; sie nehmen aber zu, je näher die Berichte der Gegenwart rücken. Es gibt kaum Japan-Reisende, die nicht von rührenden Zügen der Freundschaft, Uneigennützigkeit und kindlichen Herzensgüte zu erzählen wüssten; Manche, die länger dort weilten, haben Männer gefunden, eines bleibenden Freundschaftsbundes so würdig als irgend ein Landsmann. Die Stellung der fremden Kaufleute in den neu geöffneten Häfen ist schwierig; sie kommen meist nach Japan ohne einen Begriff von der Geschichte, den Institutionen und Zuständen des Landes, finden die Kaufleute, mit denen sie verkehren, weit unter ihrer Würde und urtheilen danach über das ganze Volk; daher die gewönliche Ueber- hebung. Sie selbst gelten aber den höheren Ständen des Landes nicht für ebenbürtig und werden von ihnen geflissentlich gemieden. Mit den Handelsagenten auf Desima war es anders; diese galten als Beamte und wurden, als Repräsentanten der holländisch-ostindi- schen Regierung, bei aller Beschränkung doch mit gewissen Rück- sichten der Ehrerbietung behandelt. Die obersten Vertreter des Statthalters, welche ihr eigenes Haus auf Desima hatten, mussten sich zu allen Verhandlungen mit dem Vorsteher in dessen Wohnung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/230>, abgerufen am 24.11.2024.