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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die Russen auf Tsus-sima. Anh. II.

Herr Alcock war unter der Einwirkung des Augenblicks
geneigt, einem damals verbreiteten Gerüchte über die Veranlassung
des Attentates Glauben zu schenken. Kurz vor seiner Ankunft in
Nangasaki warf bei der Insel Tsus-sima eine russische Corvette
Anker, deren Befehlshaber sich mit einem Theil der Mannschaft
ohne viel Umstände am Lande niederliess: der dort regierende Fürst
hätte diese Kränkung, da ihm die Russen zu stark waren, an dem
ersten besten Ausländer rächen wollen und auf die Nachricht von
Herrn Alcock's Reise durch das Land diesem seine Mörder nach-
gesandt, welche ihn zwar in Osaka eingeholt, die That aber unter-
wegs nicht hätten vollbringen können, ohne den Daimio, in dessen
Gebiet das geschah, in Schwierigkeiten zu verwickeln. Eine andere
Version lautete, dass ein nachgeschickter Trabant die Mörder erst
in Yeddo gedungen hätte. Wenn nun auch das Treiben der Lonine
im Allgemeinen von den regierungsfeindlichen Daimio's begünstigt
wurde, so scheinen doch die einzelnen Angriffe fast überall direct
aus dem fanatischen Patriotismus der Thäter entsprungen zu sein,
und die abweichende Uebersetzung jener dunkelen Urkunde, welche
auf einen Befehl zu deuten scheint, gibt bei der Uebereinstimmung
der drei anderen keine Veranlassung an besondere Anstiftung zu
glauben. -- Die Russen blieben übrigens zum Verdruss der japani-
schen Regierung noch eine Zeit lang auf Tsus-sima. Herr Alcock
wurde von den Ministern in Yeddo ersucht, sich in das Mittel zu
legen, und schickte den Legations-Secretär Oliphant nach dessen
Genesung mit einem Kriegsschiff dahin ab, um sich nach den Ab-
sichten des Corvetten-Capitäns und der vermuthlichen Dauer seines
Aufenthaltes zu erkundigen. Capitän Biriliff antwortete höflich,
dass er auf Befehl seiner Vorgesetzten handle und in Tsus-sima
bleiben müsse, bis er abberufen werde, dass er übrigens mit dem
Fürsten und dessen Unterthanen in bester Eintracht lebe. Damit
endete die Einmischung. Die Russen erhielten aber bald darauf
Segel-Ordre und befreiten die geängsteten Beamten von ihrer
Gegenwart. Man erzählt, dass ein Bunyo, den die Regierung nach
Tsus-sima geschickt hatte um Jene zum Abzug zu bewegen, sich
nach dem Misslingen seiner Aufgabe auf der Rückreise den Leib
aufschlitzte.

Am Morgen nach dem Attentat lies Herr Alcock das Kanonen-
boot Ringdove von Yokuhama herüberkommen, dessen Capitän
ausser fünfundzwanzig Seesoldaten auch Herrn von Bellecourt

Die Russen auf Tsus-sima. Anh. II.

Herr Alcock war unter der Einwirkung des Augenblicks
geneigt, einem damals verbreiteten Gerüchte über die Veranlassung
des Attentates Glauben zu schenken. Kurz vor seiner Ankunft in
Naṅgasaki warf bei der Insel Tsus-sima eine russische Corvette
Anker, deren Befehlshaber sich mit einem Theil der Mannschaft
ohne viel Umstände am Lande niederliess: der dort regierende Fürst
hätte diese Kränkung, da ihm die Russen zu stark waren, an dem
ersten besten Ausländer rächen wollen und auf die Nachricht von
Herrn Alcock’s Reise durch das Land diesem seine Mörder nach-
gesandt, welche ihn zwar in Osaka eingeholt, die That aber unter-
wegs nicht hätten vollbringen können, ohne den Daïmio, in dessen
Gebiet das geschah, in Schwierigkeiten zu verwickeln. Eine andere
Version lautete, dass ein nachgeschickter Trabant die Mörder erst
in Yeddo gedungen hätte. Wenn nun auch das Treiben der Lonine
im Allgemeinen von den regierungsfeindlichen Daïmio’s begünstigt
wurde, so scheinen doch die einzelnen Angriffe fast überall direct
aus dem fanatischen Patriotismus der Thäter entsprungen zu sein,
und die abweichende Uebersetzung jener dunkelen Urkunde, welche
auf einen Befehl zu deuten scheint, gibt bei der Uebereinstimmung
der drei anderen keine Veranlassung an besondere Anstiftung zu
glauben. — Die Russen blieben übrigens zum Verdruss der japani-
schen Regierung noch eine Zeit lang auf Tsus-sima. Herr Alcock
wurde von den Ministern in Yeddo ersucht, sich in das Mittel zu
legen, und schickte den Legations-Secretär Oliphant nach dessen
Genesung mit einem Kriegsschiff dahin ab, um sich nach den Ab-
sichten des Corvetten-Capitäns und der vermuthlichen Dauer seines
Aufenthaltes zu erkundigen. Capitän Biriliff antwortete höflich,
dass er auf Befehl seiner Vorgesetzten handle und in Tsus-sima
bleiben müsse, bis er abberufen werde, dass er übrigens mit dem
Fürsten und dessen Unterthanen in bester Eintracht lebe. Damit
endete die Einmischung. Die Russen erhielten aber bald darauf
Segel-Ordre und befreiten die geängsteten Beamten von ihrer
Gegenwart. Man erzählt, dass ein Bunyo, den die Regierung nach
Tsus-sima geschickt hatte um Jene zum Abzug zu bewegen, sich
nach dem Misslingen seiner Aufgabe auf der Rückreise den Leib
aufschlitzte.

Am Morgen nach dem Attentat lies Herr Alcock das Kanonen-
boot Ringdove von Yokuhama herüberkommen, dessen Capitän
ausser fünfundzwanzig Seesoldaten auch Herrn von Bellecourt

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[258/0278] Die Russen auf Tsus-sima. Anh. II. Herr Alcock war unter der Einwirkung des Augenblicks geneigt, einem damals verbreiteten Gerüchte über die Veranlassung des Attentates Glauben zu schenken. Kurz vor seiner Ankunft in Naṅgasaki warf bei der Insel Tsus-sima eine russische Corvette Anker, deren Befehlshaber sich mit einem Theil der Mannschaft ohne viel Umstände am Lande niederliess: der dort regierende Fürst hätte diese Kränkung, da ihm die Russen zu stark waren, an dem ersten besten Ausländer rächen wollen und auf die Nachricht von Herrn Alcock’s Reise durch das Land diesem seine Mörder nach- gesandt, welche ihn zwar in Osaka eingeholt, die That aber unter- wegs nicht hätten vollbringen können, ohne den Daïmio, in dessen Gebiet das geschah, in Schwierigkeiten zu verwickeln. Eine andere Version lautete, dass ein nachgeschickter Trabant die Mörder erst in Yeddo gedungen hätte. Wenn nun auch das Treiben der Lonine im Allgemeinen von den regierungsfeindlichen Daïmio’s begünstigt wurde, so scheinen doch die einzelnen Angriffe fast überall direct aus dem fanatischen Patriotismus der Thäter entsprungen zu sein, und die abweichende Uebersetzung jener dunkelen Urkunde, welche auf einen Befehl zu deuten scheint, gibt bei der Uebereinstimmung der drei anderen keine Veranlassung an besondere Anstiftung zu glauben. — Die Russen blieben übrigens zum Verdruss der japani- schen Regierung noch eine Zeit lang auf Tsus-sima. Herr Alcock wurde von den Ministern in Yeddo ersucht, sich in das Mittel zu legen, und schickte den Legations-Secretär Oliphant nach dessen Genesung mit einem Kriegsschiff dahin ab, um sich nach den Ab- sichten des Corvetten-Capitäns und der vermuthlichen Dauer seines Aufenthaltes zu erkundigen. Capitän Biriliff antwortete höflich, dass er auf Befehl seiner Vorgesetzten handle und in Tsus-sima bleiben müsse, bis er abberufen werde, dass er übrigens mit dem Fürsten und dessen Unterthanen in bester Eintracht lebe. Damit endete die Einmischung. Die Russen erhielten aber bald darauf Segel-Ordre und befreiten die geängsteten Beamten von ihrer Gegenwart. Man erzählt, dass ein Bunyo, den die Regierung nach Tsus-sima geschickt hatte um Jene zum Abzug zu bewegen, sich nach dem Misslingen seiner Aufgabe auf der Rückreise den Leib aufschlitzte. Am Morgen nach dem Attentat lies Herr Alcock das Kanonen- boot Ringdove von Yokuhama herüberkommen, dessen Capitän ausser fünfundzwanzig Seesoldaten auch Herrn von Bellecourt

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/278>, abgerufen am 22.11.2024.