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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers. Anh. II.
den Acten legte und nie wieder berührte, nachdem das Geld ge-
zahlt war.

Zugestanden aber die volle Berechtigung der Forderungen
an Satsuma, so ist zunächst dessen Schreiben zu untersuchen. Es
beginnt mit der feierlichen Erklärung, dass Mörder mit dem Tode
bestraft werden müssen, sucht mit keinem Worte das Verbrechen
zu beschönigen, -- wie man bei den japanischen Begriffen der Ehre
hätte erwarten sollen, -- erklärt, dass schon nach den Mördern
geforscht worden, dass man sie auch ferner verfolgen und nach
ihrer Ergreifung in Gegenwart von Engländern hinrichten lassen
werde. Ob dieses Versprechen aufrichtig gemeint war, ob man
der Schuldigen wirklich nicht habhaft werden konnte, würde nur
dann in Betracht kommen, wenn das Gegentheil zu beweisen und
bis zuletzt auf Bestrafung bestanden worden wäre. Nachträglich
begnügte sich der englische Geschäftsträger mit demselben Ver-
sprechen und forschte nicht weiter nach seiner Wahrhaftigkeit. --
Der zweite Theil des Antwortschreibens behandelt die Geldent-
schädigung, welche von den Japanern offenbar als Sühne für das
verletzte Vertragsrecht des freien Verkehrs angesehen wurde. Der
Fürst zieht das Recht des Taikun in Zweifel, Verträge zu machen,
welche den Landesgesetzen widersprechen, die Strassen der Circu-
lation der Fremden freigeben und die Daimio's empfindlichen Ehren-
kränkungen aussetzen; die Frage soll aber in Gegenwart der Fremden
von Beamten Satsuma's und des Taikun erörtert, und "nachdem
sie zur Entscheidung gebracht, die Geldentschädigung gezahlt
werden." Mehr konnte der Fürst ohne Verletzung seiner Lehns-
pflicht nicht zugestehen, denn dass der Taikun ihm jede Unter-
handlung, geschweige Zahlung verboten hatte, erhellt deutlich aus
dem Schreiben und der Aeusserung der Beamten. Die Regierung
von Yeddo hatte die Uebermittelung der englischen Forderungen
an Satsuma anfangs als unverträglich mit ihrer Würde abgelehnt,
dann ganz unbestimmte Aeusserungen darüber gethan. Der letzte
Absatz des Schreibens zeigt, dass sie den Fürsten im Unklaren
gelassen; dieser fordert natürlich Beweise, wenn der Reichsrath
die Engländer anders berichtet hätte. Das konnte bei der ge-
wohnten Doppelzüngigkeit der Regierungsbeamten durchaus nicht
überraschen.

Der Verfasser hat das Document getreu nach der vom eng-
lischen Geschäftsträger publicirten Uebersetzung wiedergegeben, und

Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers. Anh. II.
den Acten legte und nie wieder berührte, nachdem das Geld ge-
zahlt war.

Zugestanden aber die volle Berechtigung der Forderungen
an Satsuma, so ist zunächst dessen Schreiben zu untersuchen. Es
beginnt mit der feierlichen Erklärung, dass Mörder mit dem Tode
bestraft werden müssen, sucht mit keinem Worte das Verbrechen
zu beschönigen, — wie man bei den japanischen Begriffen der Ehre
hätte erwarten sollen, — erklärt, dass schon nach den Mördern
geforscht worden, dass man sie auch ferner verfolgen und nach
ihrer Ergreifung in Gegenwart von Engländern hinrichten lassen
werde. Ob dieses Versprechen aufrichtig gemeint war, ob man
der Schuldigen wirklich nicht habhaft werden konnte, würde nur
dann in Betracht kommen, wenn das Gegentheil zu beweisen und
bis zuletzt auf Bestrafung bestanden worden wäre. Nachträglich
begnügte sich der englische Geschäftsträger mit demselben Ver-
sprechen und forschte nicht weiter nach seiner Wahrhaftigkeit. —
Der zweite Theil des Antwortschreibens behandelt die Geldent-
schädigung, welche von den Japanern offenbar als Sühne für das
verletzte Vertragsrecht des freien Verkehrs angesehen wurde. Der
Fürst zieht das Recht des Taïkūn in Zweifel, Verträge zu machen,
welche den Landesgesetzen widersprechen, die Strassen der Circu-
lation der Fremden freigeben und die Daïmio’s empfindlichen Ehren-
kränkungen aussetzen; die Frage soll aber in Gegenwart der Fremden
von Beamten Satsuma’s und des Taïkūn erörtert, und »nachdem
sie zur Entscheidung gebracht, die Geldentschädigung gezahlt
werden.« Mehr konnte der Fürst ohne Verletzung seiner Lehns-
pflicht nicht zugestehen, denn dass der Taïkūn ihm jede Unter-
handlung, geschweige Zahlung verboten hatte, erhellt deutlich aus
dem Schreiben und der Aeusserung der Beamten. Die Regierung
von Yeddo hatte die Uebermittelung der englischen Forderungen
an Satsuma anfangs als unverträglich mit ihrer Würde abgelehnt,
dann ganz unbestimmte Aeusserungen darüber gethan. Der letzte
Absatz des Schreibens zeigt, dass sie den Fürsten im Unklaren
gelassen; dieser fordert natürlich Beweise, wenn der Reichsrath
die Engländer anders berichtet hätte. Das konnte bei der ge-
wohnten Doppelzüngigkeit der Regierungsbeamten durchaus nicht
überraschen.

Der Verfasser hat das Document getreu nach der vom eng-
lischen Geschäftsträger publicirten Uebersetzung wiedergegeben, und

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[304/0324] Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers. Anh. II. den Acten legte und nie wieder berührte, nachdem das Geld ge- zahlt war. Zugestanden aber die volle Berechtigung der Forderungen an Satsuma, so ist zunächst dessen Schreiben zu untersuchen. Es beginnt mit der feierlichen Erklärung, dass Mörder mit dem Tode bestraft werden müssen, sucht mit keinem Worte das Verbrechen zu beschönigen, — wie man bei den japanischen Begriffen der Ehre hätte erwarten sollen, — erklärt, dass schon nach den Mördern geforscht worden, dass man sie auch ferner verfolgen und nach ihrer Ergreifung in Gegenwart von Engländern hinrichten lassen werde. Ob dieses Versprechen aufrichtig gemeint war, ob man der Schuldigen wirklich nicht habhaft werden konnte, würde nur dann in Betracht kommen, wenn das Gegentheil zu beweisen und bis zuletzt auf Bestrafung bestanden worden wäre. Nachträglich begnügte sich der englische Geschäftsträger mit demselben Ver- sprechen und forschte nicht weiter nach seiner Wahrhaftigkeit. — Der zweite Theil des Antwortschreibens behandelt die Geldent- schädigung, welche von den Japanern offenbar als Sühne für das verletzte Vertragsrecht des freien Verkehrs angesehen wurde. Der Fürst zieht das Recht des Taïkūn in Zweifel, Verträge zu machen, welche den Landesgesetzen widersprechen, die Strassen der Circu- lation der Fremden freigeben und die Daïmio’s empfindlichen Ehren- kränkungen aussetzen; die Frage soll aber in Gegenwart der Fremden von Beamten Satsuma’s und des Taïkūn erörtert, und »nachdem sie zur Entscheidung gebracht, die Geldentschädigung gezahlt werden.« Mehr konnte der Fürst ohne Verletzung seiner Lehns- pflicht nicht zugestehen, denn dass der Taïkūn ihm jede Unter- handlung, geschweige Zahlung verboten hatte, erhellt deutlich aus dem Schreiben und der Aeusserung der Beamten. Die Regierung von Yeddo hatte die Uebermittelung der englischen Forderungen an Satsuma anfangs als unverträglich mit ihrer Würde abgelehnt, dann ganz unbestimmte Aeusserungen darüber gethan. Der letzte Absatz des Schreibens zeigt, dass sie den Fürsten im Unklaren gelassen; dieser fordert natürlich Beweise, wenn der Reichsrath die Engländer anders berichtet hätte. Das konnte bei der ge- wohnten Doppelzüngigkeit der Regierungsbeamten durchaus nicht überraschen. Der Verfasser hat das Document getreu nach der vom eng- lischen Geschäftsträger publicirten Uebersetzung wiedergegeben, und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/324>, abgerufen am 22.11.2024.