Für jene nominelle Anerkennung ist allerdings die Sanction des Mikado von grosser Bedeutung, vielleicht auch für das Verhältniss zu den Fanatikern.
Der Hof von Miako, der Sitz des hierarchisch-feudalen Fana- tismus, bornirtesten Junkerthumes und maasslosen National-Dünkels ist der ärgste Feind der Fremden. Ob dieser die dunkele, halb ge- waltsam erpresste Urkunde als eine Sanction anerkennt, ist sehr zweifelhaft. Vom Hofe des Mikado geht alle fanatische Erbitterung gegen die Fremden aus; man kennt ein von seinen Würdenträgern überreichtes Document, in welchem der Erbkaiser förmlich gegen den Taikun aufgehetzt und zur Action gegen die Fremden gedrängt wird: aus der Missachtung vor der Göttlichkeit des Mikado entstehe alles Unheil des Landes; es sei eine Schmach sich vor den Fremden zu fürchten, die, sobald sie sich das Volk zum Freunde gemacht und die geographische Beschaffenheit des Reiches kennen gelernt haben, zu dessen Eroberung schreiten würden. Die zweideutige und man- telträgerische Politik der Centralgewalt wird derb gegeisselt. Andere Schriften aus derselben Quelle lauten ähnlich: Schmähungen über die Verträge, bittere Klagen über die Erniedrigung des heiligen Reiches, Furcht vor Eroberung. Man wird lebhaft an die Erfah- rungen des 17. Jahrhunderts erinnert, die auf gegenwärtige Zustände angewandt sind. Diese Actenstücke sind meist älteren Datums; doch ist sicher der Hof des Mikado auch heut noch der Mittelpunct der fremdenfeindlichen Cabale, und wird es immer bleiben. Es wäre, da Besserung hier nicht zu hoffen ist, wahrscheinlich zweckmässig ihn ganz aus dem Spiele zu lassen. Die Vertreter der vier Mächte haben durch ihr Auftreten in Osaka den Taikun zwar aus einer augenblicklichen Verlegenheit gerissen, ihn aber zur offenen Aner- kennung der Oberhoheit des Mikado gezwungen und dadurch seinem Ansehn einen harten Schlag versetzt; sie haben vor Allem dessen oberste Landeshoheit selbst anerkannt, was kaum vortheilhaft sein möchte. Japan ist ein dankbares Feld für den Diplomaten, seine politische Zerrüttung die Stärke des Auslandes. Der Taikun hat nur noch in seinen Erblanden einiges Ansehn; ein Theil der Daimio's, wie es scheint der ganze Westen des Reiches, ist in offenem Auf- stande gegen ihn begriffen; andere mächtige Fürsten halten sich von entschiedener Partheinahme fern, begnügen sich mit der facti- schen Unabhängigkeit, und mehren, während die Gegner einander befehden, ihre materiellen Hülfsmittel um den Ausschlag geben zu
Der Hof von Miako fremdenfeindlich. Anh. II.
Für jene nominelle Anerkennung ist allerdings die Sanction des Mikado von grosser Bedeutung, vielleicht auch für das Verhältniss zu den Fanatikern.
Der Hof von Miako, der Sitz des hierarchisch-feudalen Fana- tismus, bornirtesten Junkerthumes und maasslosen National-Dünkels ist der ärgste Feind der Fremden. Ob dieser die dunkele, halb ge- waltsam erpresste Urkunde als eine Sanction anerkennt, ist sehr zweifelhaft. Vom Hofe des Mikado geht alle fanatische Erbitterung gegen die Fremden aus; man kennt ein von seinen Würdenträgern überreichtes Document, in welchem der Erbkaiser förmlich gegen den Taïkūn aufgehetzt und zur Action gegen die Fremden gedrängt wird: aus der Missachtung vor der Göttlichkeit des Mikado entstehe alles Unheil des Landes; es sei eine Schmach sich vor den Fremden zu fürchten, die, sobald sie sich das Volk zum Freunde gemacht und die geographische Beschaffenheit des Reiches kennen gelernt haben, zu dessen Eroberung schreiten würden. Die zweideutige und man- telträgerische Politik der Centralgewalt wird derb gegeisselt. Andere Schriften aus derselben Quelle lauten ähnlich: Schmähungen über die Verträge, bittere Klagen über die Erniedrigung des heiligen Reiches, Furcht vor Eroberung. Man wird lebhaft an die Erfah- rungen des 17. Jahrhunderts erinnert, die auf gegenwärtige Zustände angewandt sind. Diese Actenstücke sind meist älteren Datums; doch ist sicher der Hof des Mikado auch heut noch der Mittelpunct der fremdenfeindlichen Cabale, und wird es immer bleiben. Es wäre, da Besserung hier nicht zu hoffen ist, wahrscheinlich zweckmässig ihn ganz aus dem Spiele zu lassen. Die Vertreter der vier Mächte haben durch ihr Auftreten in Osaka den Taïkūn zwar aus einer augenblicklichen Verlegenheit gerissen, ihn aber zur offenen Aner- kennung der Oberhoheit des Mikado gezwungen und dadurch seinem Ansehn einen harten Schlag versetzt; sie haben vor Allem dessen oberste Landeshoheit selbst anerkannt, was kaum vortheilhaft sein möchte. Japan ist ein dankbares Feld für den Diplomaten, seine politische Zerrüttung die Stärke des Auslandes. Der Taïkūn hat nur noch in seinen Erblanden einiges Ansehn; ein Theil der Daïmio’s, wie es scheint der ganze Westen des Reiches, ist in offenem Auf- stande gegen ihn begriffen; andere mächtige Fürsten halten sich von entschiedener Partheinahme fern, begnügen sich mit der facti- schen Unabhängigkeit, und mehren, während die Gegner einander befehden, ihre materiellen Hülfsmittel um den Ausschlag geben zu
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Der Hof von Miako fremdenfeindlich. Anh. II.
Für jene nominelle Anerkennung ist allerdings die Sanction des
Mikado von grosser Bedeutung, vielleicht auch für das Verhältniss
zu den Fanatikern.
Der Hof von Miako, der Sitz des hierarchisch-feudalen Fana-
tismus, bornirtesten Junkerthumes und maasslosen National-Dünkels
ist der ärgste Feind der Fremden. Ob dieser die dunkele, halb ge-
waltsam erpresste Urkunde als eine Sanction anerkennt, ist sehr
zweifelhaft. Vom Hofe des Mikado geht alle fanatische Erbitterung
gegen die Fremden aus; man kennt ein von seinen Würdenträgern
überreichtes Document, in welchem der Erbkaiser förmlich gegen den
Taïkūn aufgehetzt und zur Action gegen die Fremden gedrängt wird:
aus der Missachtung vor der Göttlichkeit des Mikado entstehe alles
Unheil des Landes; es sei eine Schmach sich vor den Fremden zu
fürchten, die, sobald sie sich das Volk zum Freunde gemacht und
die geographische Beschaffenheit des Reiches kennen gelernt haben,
zu dessen Eroberung schreiten würden. Die zweideutige und man-
telträgerische Politik der Centralgewalt wird derb gegeisselt. Andere
Schriften aus derselben Quelle lauten ähnlich: Schmähungen über
die Verträge, bittere Klagen über die Erniedrigung des heiligen
Reiches, Furcht vor Eroberung. Man wird lebhaft an die Erfah-
rungen des 17. Jahrhunderts erinnert, die auf gegenwärtige Zustände
angewandt sind. Diese Actenstücke sind meist älteren Datums; doch
ist sicher der Hof des Mikado auch heut noch der Mittelpunct der
fremdenfeindlichen Cabale, und wird es immer bleiben. Es wäre,
da Besserung hier nicht zu hoffen ist, wahrscheinlich zweckmässig
ihn ganz aus dem Spiele zu lassen. Die Vertreter der vier Mächte
haben durch ihr Auftreten in Osaka den Taïkūn zwar aus einer
augenblicklichen Verlegenheit gerissen, ihn aber zur offenen Aner-
kennung der Oberhoheit des Mikado gezwungen und dadurch seinem
Ansehn einen harten Schlag versetzt; sie haben vor Allem dessen
oberste Landeshoheit selbst anerkannt, was kaum vortheilhaft sein
möchte. Japan ist ein dankbares Feld für den Diplomaten, seine
politische Zerrüttung die Stärke des Auslandes. Der Taïkūn hat
nur noch in seinen Erblanden einiges Ansehn; ein Theil der Daïmio’s,
wie es scheint der ganze Westen des Reiches, ist in offenem Auf-
stande gegen ihn begriffen; andere mächtige Fürsten halten sich
von entschiedener Partheinahme fern, begnügen sich mit der facti-
schen Unabhängigkeit, und mehren, während die Gegner einander
befehden, ihre materiellen Hülfsmittel um den Ausschlag geben zu
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/376>, abgerufen am 28.11.2024.
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