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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VI. Familienfeste.
Kami-Hallen und bringt endlich den Säugling zu den nächsten Ver-
wandten. Ist es ein Knabe, so erhält er dort zwei Fächer und ein
Hanfbündel; ein Mädchen wird mit einer Schale Schminke, einem
Hanfbündel, Talismanen und anderen Kostbarkeiten beschenkt. Die
Fächer bedeuten Schwerter, männliche Tapferkeit, die Schminke
weibliche Reize; das Hanfbündel soll sich zum langen Lebensfaden
ausspinnen. Beim Uebergang in das Jünglingsalter wird dem Knaben
das Haupt feierlich in der Art geschoren wie es die Männer tragen, --
von der Stirn bis zur Scheitel kahl; das Haar bleibt in Hufeisenform
um den Hinterkopf und bis zu den Schläfen stehen, wird oben zu-
sammengebunden und in einem kurzen steifen Schopf nach vorn
gebogen. Der Jüngling erhält jetzt einen anderen Namen, der sich
nachher bei wichtigen Lebensereignissen gewöhnlich noch mehr-
fach ändert.

Das Ehebündniss wird im Hause des Bräutigams in Gegenwart
der Eltern und einiger Zeugen geschlossen, indem man dem Bautpaare
unter gewissen Formalitäten eine Schale Saki reicht. Man bringt
zugleich dem Jahresgotte Opfer, damit er langes Leben verleihe,
stellt beim Hochzeitsgelage das Simadai, ein Sinnbild des glücklichen
Alters auf, und geniesst zum Gedächtniss der Voreltern deren einfache
Nahrung, Seetang und Muscheln. Die Braut ist in weiss, die Farbe
der Unschuld gekleidet; -- ihr Gewand soll zugleich ihre Tugend
und ihre Betrübniss beim Scheiden aus dem elterlichen Hause an-
deuten, -- denn Weiss ist, wie in China, zugleich die Farbe der
Trauer. -- Im Einzelnen sind die Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche
sehr complicirt und mannichfaltig, für jeden Stand besonders ge-
regelt. Titsingh hat ein japanisches Buch übersetzt, in welchem
alle Formalitäten, die Festgeschenke und ihre Ueberreichung, die
Kleidung und das Betragen der Brautleute, Verwandten, Hochzeits-
gäste, Dienstboten und Vermitteler bis ins kleinste geregelt, jeder
Schritt und jede Stellung genau beschrieben sind.

Die Leichen werden meist nach buddistischem Ritus bestattet;
-- den Sinto-Priester würde die Berührung der Todten, ja selbst
die Begräbnissfeier unrein machen. Der Sarg besteht aus einem
leichten, mit weissem Papier beklebten Holzgestell, in welchem der
Todte aufrecht sitzt; man soll ein Mittel haben, den steifgewordenen
Körper wieder biegsam zu machen und in die sitzende Stellung zu
bringen. So wird er auf den Schultern der weissgekleideten Ange-
hörigen hinausgetragen und unter dem Gesange von Litaneien in

VI. Familienfeste.
Kami-Hallen und bringt endlich den Säugling zu den nächsten Ver-
wandten. Ist es ein Knabe, so erhält er dort zwei Fächer und ein
Hanfbündel; ein Mädchen wird mit einer Schale Schminke, einem
Hanfbündel, Talismanen und anderen Kostbarkeiten beschenkt. Die
Fächer bedeuten Schwerter, männliche Tapferkeit, die Schminke
weibliche Reize; das Hanfbündel soll sich zum langen Lebensfaden
ausspinnen. Beim Uebergang in das Jünglingsalter wird dem Knaben
das Haupt feierlich in der Art geschoren wie es die Männer tragen, —
von der Stirn bis zur Scheitel kahl; das Haar bleibt in Hufeisenform
um den Hinterkopf und bis zu den Schläfen stehen, wird oben zu-
sammengebunden und in einem kurzen steifen Schopf nach vorn
gebogen. Der Jüngling erhält jetzt einen anderen Namen, der sich
nachher bei wichtigen Lebensereignissen gewöhnlich noch mehr-
fach ändert.

Das Ehebündniss wird im Hause des Bräutigams in Gegenwart
der Eltern und einiger Zeugen geschlossen, indem man dem Bautpaare
unter gewissen Formalitäten eine Schale Saki reicht. Man bringt
zugleich dem Jahresgotte Opfer, damit er langes Leben verleihe,
stellt beim Hochzeitsgelage das Simadaï, ein Sinnbild des glücklichen
Alters auf, und geniesst zum Gedächtniss der Voreltern deren einfache
Nahrung, Seetang und Muscheln. Die Braut ist in weiss, die Farbe
der Unschuld gekleidet; — ihr Gewand soll zugleich ihre Tugend
und ihre Betrübniss beim Scheiden aus dem elterlichen Hause an-
deuten, — denn Weiss ist, wie in China, zugleich die Farbe der
Trauer. — Im Einzelnen sind die Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche
sehr complicirt und mannichfaltig, für jeden Stand besonders ge-
regelt. Titsingh hat ein japanisches Buch übersetzt, in welchem
alle Formalitäten, die Festgeschenke und ihre Ueberreichung, die
Kleidung und das Betragen der Brautleute, Verwandten, Hochzeits-
gäste, Dienstboten und Vermitteler bis ins kleinste geregelt, jeder
Schritt und jede Stellung genau beschrieben sind.

Die Leichen werden meist nach buddistischem Ritus bestattet;
— den Sinto-Priester würde die Berührung der Todten, ja selbst
die Begräbnissfeier unrein machen. Der Sarg besteht aus einem
leichten, mit weissem Papier beklebten Holzgestell, in welchem der
Todte aufrecht sitzt; man soll ein Mittel haben, den steifgewordenen
Körper wieder biegsam zu machen und in die sitzende Stellung zu
bringen. So wird er auf den Schultern der weissgekleideten Ange-
hörigen hinausgetragen und unter dem Gesange von Litaneien in

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[23/0043] VI. Familienfeste. Kami-Hallen und bringt endlich den Säugling zu den nächsten Ver- wandten. Ist es ein Knabe, so erhält er dort zwei Fächer und ein Hanfbündel; ein Mädchen wird mit einer Schale Schminke, einem Hanfbündel, Talismanen und anderen Kostbarkeiten beschenkt. Die Fächer bedeuten Schwerter, männliche Tapferkeit, die Schminke weibliche Reize; das Hanfbündel soll sich zum langen Lebensfaden ausspinnen. Beim Uebergang in das Jünglingsalter wird dem Knaben das Haupt feierlich in der Art geschoren wie es die Männer tragen, — von der Stirn bis zur Scheitel kahl; das Haar bleibt in Hufeisenform um den Hinterkopf und bis zu den Schläfen stehen, wird oben zu- sammengebunden und in einem kurzen steifen Schopf nach vorn gebogen. Der Jüngling erhält jetzt einen anderen Namen, der sich nachher bei wichtigen Lebensereignissen gewöhnlich noch mehr- fach ändert. Das Ehebündniss wird im Hause des Bräutigams in Gegenwart der Eltern und einiger Zeugen geschlossen, indem man dem Bautpaare unter gewissen Formalitäten eine Schale Saki reicht. Man bringt zugleich dem Jahresgotte Opfer, damit er langes Leben verleihe, stellt beim Hochzeitsgelage das Simadaï, ein Sinnbild des glücklichen Alters auf, und geniesst zum Gedächtniss der Voreltern deren einfache Nahrung, Seetang und Muscheln. Die Braut ist in weiss, die Farbe der Unschuld gekleidet; — ihr Gewand soll zugleich ihre Tugend und ihre Betrübniss beim Scheiden aus dem elterlichen Hause an- deuten, — denn Weiss ist, wie in China, zugleich die Farbe der Trauer. — Im Einzelnen sind die Verlobungs- und Hochzeitsgebräuche sehr complicirt und mannichfaltig, für jeden Stand besonders ge- regelt. Titsingh hat ein japanisches Buch übersetzt, in welchem alle Formalitäten, die Festgeschenke und ihre Ueberreichung, die Kleidung und das Betragen der Brautleute, Verwandten, Hochzeits- gäste, Dienstboten und Vermitteler bis ins kleinste geregelt, jeder Schritt und jede Stellung genau beschrieben sind. Die Leichen werden meist nach buddistischem Ritus bestattet; — den Sinto-Priester würde die Berührung der Todten, ja selbst die Begräbnissfeier unrein machen. Der Sarg besteht aus einem leichten, mit weissem Papier beklebten Holzgestell, in welchem der Todte aufrecht sitzt; man soll ein Mittel haben, den steifgewordenen Körper wieder biegsam zu machen und in die sitzende Stellung zu bringen. So wird er auf den Schultern der weissgekleideten Ange- hörigen hinausgetragen und unter dem Gesange von Litaneien in

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/43>, abgerufen am 21.11.2024.