[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.VI. Ausflug nach Dzu-ni-so. Strecke dann abgesperrt sein würde. Wir richteten deshalb an24. Octbr.diesem Tage unseren Spazierritt nach den westlichen Umgebungen und wurden von den geleitenden Yakuninen zu einem entfernten Sinto- Tempel geführt, von dem selbst der landeskundige Heusken nicht wusste. Der Weg bietet eine Reihe der anmuthigsten Landschaften; man durchschneidet bald dorfartige Vorstädte, -- deren Bevölkerung in hellen Haufen herbeiströmte, -- bald üppige Thäler, schattige Gehölze und Hohlwege. Bald gucken freundliche Landhäuschen und Gehöfte einladend über grüne Gartenhecken, bald fassen düstere Zäune den Weg ein, überragt von den hundertjährigen Wipfeln vornehmer Park-Anlagen. -- Der Tempel der Zwölf Götter, -- Dzu-ni-so, -- liegt auf einem von schlanken Tannen und Föhren beschatteten Sattel, zwischen zwei Bächen; der obere braust in Cascaden schäumend durch Felsenufer, der andere ist in der Nähe des Tempels künstlich zum Teich aufgedämmt, und fliesst von da geklärt und plätschernd in sanften Windungen durch das Waldes- dunkel der Senkung, um sich weiter unten mit dem ungestümen Bruder zu verbinden. Moosbewachsene Felstrümmer und dichter Rasen bedecken die Hänge, und von der jenseitigen Höhe blickt man in ein grünes friedliches Ackerthal. Der Tempel ist anspruchslos aber zierlich aus Holz gebaut, das Dach aus Stroh und Rohr, -- doch muss man sich unter dem japanischen Strohdach nichts unseren deutschen ähnliches denken; es hat, besonders bei den Tempeln, architektonische Formen, wird auf der First durch hölzerne Böcke zusammengehalten, zwischen denen Bambusrohre laufen, und ist so sauber und künstlich beschnitten, dass es von Weitem wie gegossen oder behobelt erscheint. An dem Tempel von Dzu-ni-so ladet der spitze Vordergiebel in geschwungener Linie über dem Eingange aus und bildet dort eine von Pfeilern getragene Halle; Füllungen und Balkenköpfe sind geschnitzt. Die hinter dem Tempel stehende Capelle für das Gohei ist ein vergitterter Schrein ohne Eingang, ebenfalls mit zierlich geschwungenem Rohrdach. Eine breite Föhren-Allee mit hölzernem Toori stösst auf die Hauptfacade des Heiligthumes, zu dessen Eingang Stufen hinanführen; steinerne Ungeheuer, -- die koraischen Hunde, -- und bronzene Wasserkübel stehen zu beiden Seiten davor. Neben dem Tempel liegt ein sehr ländliches Thee- haus, und von dem künstlichen Damm sind Pavillons aus Holz und Rohr in den Teich hinausgebaut, wo die Gäste sich zum heiteren Schmause niederlassen und am Füttern der grossen Goldkarpfen VI. Ausflug nach Džu-ni-so. Strecke dann abgesperrt sein würde. Wir richteten deshalb an24. Octbr.diesem Tage unseren Spazierritt nach den westlichen Umgebungen und wurden von den geleitenden Yakuninen zu einem entfernten Sinto- Tempel geführt, von dem selbst der landeskundige Heusken nicht wusste. Der Weg bietet eine Reihe der anmuthigsten Landschaften; man durchschneidet bald dorfartige Vorstädte, — deren Bevölkerung in hellen Haufen herbeiströmte, — bald üppige Thäler, schattige Gehölze und Hohlwege. Bald gucken freundliche Landhäuschen und Gehöfte einladend über grüne Gartenhecken, bald fassen düstere Zäune den Weg ein, überragt von den hundertjährigen Wipfeln vornehmer Park-Anlagen. — Der Tempel der Zwölf Götter, — Džu-ni-so, — liegt auf einem von schlanken Tannen und Föhren beschatteten Sattel, zwischen zwei Bächen; der obere braust in Cascaden schäumend durch Felsenufer, der andere ist in der Nähe des Tempels künstlich zum Teich aufgedämmt, und fliesst von da geklärt und plätschernd in sanften Windungen durch das Waldes- dunkel der Senkung, um sich weiter unten mit dem ungestümen Bruder zu verbinden. Moosbewachsene Felstrümmer und dichter Rasen bedecken die Hänge, und von der jenseitigen Höhe blickt man in ein grünes friedliches Ackerthal. Der Tempel ist anspruchslos aber zierlich aus Holz gebaut, das Dach aus Stroh und Rohr, — doch muss man sich unter dem japanischen Strohdach nichts unseren deutschen ähnliches denken; es hat, besonders bei den Tempeln, architektonische Formen, wird auf der First durch hölzerne Böcke zusammengehalten, zwischen denen Bambusrohre laufen, und ist so sauber und künstlich beschnitten, dass es von Weitem wie gegossen oder behobelt erscheint. An dem Tempel von Džu-ni-so ladet der spitze Vordergiebel in geschwungener Linie über dem Eingange aus und bildet dort eine von Pfeilern getragene Halle; Füllungen und Balkenköpfe sind geschnitzt. Die hinter dem Tempel stehende Capelle für das Goheï ist ein vergitterter Schrein ohne Eingang, ebenfalls mit zierlich geschwungenem Rohrdach. Eine breite Föhren-Allee mit hölzernem Toori stösst auf die Hauptfaçade des Heiligthumes, zu dessen Eingang Stufen hinanführen; steinerne Ungeheuer, — die koraïschen Hunde, — und bronzene Wasserkübel stehen zu beiden Seiten davor. Neben dem Tempel liegt ein sehr ländliches Thee- haus, und von dem künstlichen Damm sind Pavillons aus Holz und Rohr in den Teich hinausgebaut, wo die Gäste sich zum heiteren Schmause niederlassen und am Füttern der grossen Goldkarpfen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0059" n="39"/><fw place="top" type="header">VI. Ausflug nach <hi rendition="#k"><placeName>Džu-ni-so</placeName></hi>.</fw><lb/> Strecke dann abgesperrt sein würde. Wir richteten deshalb an<note place="right">24. 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VI. Ausflug nach Džu-ni-so.
Strecke dann abgesperrt sein würde. Wir richteten deshalb an
diesem Tage unseren Spazierritt nach den westlichen Umgebungen
und wurden von den geleitenden Yakuninen zu einem entfernten Sinto-
Tempel geführt, von dem selbst der landeskundige Heusken nicht
wusste. Der Weg bietet eine Reihe der anmuthigsten Landschaften;
man durchschneidet bald dorfartige Vorstädte, — deren Bevölkerung
in hellen Haufen herbeiströmte, — bald üppige Thäler, schattige
Gehölze und Hohlwege. Bald gucken freundliche Landhäuschen
und Gehöfte einladend über grüne Gartenhecken, bald fassen düstere
Zäune den Weg ein, überragt von den hundertjährigen Wipfeln
vornehmer Park-Anlagen. — Der Tempel der Zwölf Götter, —
Džu-ni-so, — liegt auf einem von schlanken Tannen und Föhren
beschatteten Sattel, zwischen zwei Bächen; der obere braust in
Cascaden schäumend durch Felsenufer, der andere ist in der Nähe
des Tempels künstlich zum Teich aufgedämmt, und fliesst von da
geklärt und plätschernd in sanften Windungen durch das Waldes-
dunkel der Senkung, um sich weiter unten mit dem ungestümen
Bruder zu verbinden. Moosbewachsene Felstrümmer und dichter
Rasen bedecken die Hänge, und von der jenseitigen Höhe blickt
man in ein grünes friedliches Ackerthal. Der Tempel ist anspruchslos
aber zierlich aus Holz gebaut, das Dach aus Stroh und Rohr, — doch
muss man sich unter dem japanischen Strohdach nichts unseren
deutschen ähnliches denken; es hat, besonders bei den Tempeln,
architektonische Formen, wird auf der First durch hölzerne Böcke
zusammengehalten, zwischen denen Bambusrohre laufen, und ist so
sauber und künstlich beschnitten, dass es von Weitem wie gegossen
oder behobelt erscheint. An dem Tempel von Džu-ni-so ladet der
spitze Vordergiebel in geschwungener Linie über dem Eingange aus
und bildet dort eine von Pfeilern getragene Halle; Füllungen und
Balkenköpfe sind geschnitzt. Die hinter dem Tempel stehende Capelle
für das Goheï ist ein vergitterter Schrein ohne Eingang, ebenfalls
mit zierlich geschwungenem Rohrdach. Eine breite Föhren-Allee
mit hölzernem Toori stösst auf die Hauptfaçade des Heiligthumes,
zu dessen Eingang Stufen hinanführen; steinerne Ungeheuer, — die
koraïschen Hunde, — und bronzene Wasserkübel stehen zu beiden
Seiten davor. Neben dem Tempel liegt ein sehr ländliches Thee-
haus, und von dem künstlichen Damm sind Pavillons aus Holz und
Rohr in den Teich hinausgebaut, wo die Gäste sich zum heiteren
Schmause niederlassen und am Füttern der grossen Goldkarpfen
24. Octbr.
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