[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Die Fürsten von Satsuma. VI. Prinzen von Mito, des innigsten Freundes des vor zwei Jahren gestor-benen Fürsten von Satsuma. Solche Bitte kann nach japanischen Be- griffen nicht abgeschlagen werden; die Samrai blieben im Palast, doch sollen die Beamten des minderjährigen Fürsten nicht sicher gewesen sein, ob Jene wirklich Soldaten des Mito, oder verkappte Kundschafter der Regierung wären. Das Haus Satsuma wurde damals, wie von jeher, als den Fremden besonders günstig angesehen, und gilt erst seit der Ermordung Richardson's für das Gegentheil. Die Fürsten dieser Familie haben sich durch mehrere Generationen den Hollän- dern in Nangasaki sehr freundschaftlich gezeigt, ja sogar die Zu- lassung der Fremden und Einführung europäischer Cultur befür- wortet; die Lage ihrer Besitzungen auf Kiusiu und ihr Handelscomtoir für die Liukiu-Inseln in Nangasaki gaben ihnen viel Gelegenheit zum Verkehr mit den Bewohnern von Desima; Titsingh und andere Handelsvorsteher haben, wie in neuerer Zeit noch Herr von Siebold, in Freundschaftsverhältniss und vertrautem Briefwechsel mit Fürsten von Satsuma gestanden. Die Familie war seit dem sechszehnten Jahr- hundert die mächtigste und unabhängigste des Reiches und genoss von jeher einer Ausnahme-Stellung theils durch die entfernte Lage und Grösse ihrer Besitzungen, theils durch den kriegerischen Muth ihrer Unterthanen. Die Sioguns aus dem Hause des Jyeyas haben sie immer mit der grössten Auszeichnung behandelt und sich ihr zu verschwägern gesucht; sie empfingen die Satsuma bei deren Ankunft in Yeddo immer mit besonderen Ehren, und diese pflegten sich Dinge herauszunehmen, die kein anderer Daimio wagen durfte. -- Ueber die Verbindung des Handelsvorstehers Gisbert Hemmy mit einem Fürsten dieses Hauses schwebt noch immer tiefes Dunkel; die ganze Sache scheint "binnekant" abgemacht worden zu sein, aber eine Art Conspiration kann man mit gutem Grunde vermuthen 21). Möglich dass die Regierung, durch diese Antecedentien veranlasst, gegen den jungen Prinzen oder dessen Rathgeber den Argwohn eines Einverständnisses mit den Fremden hegte, und deshalb ihre Kundschafter in seinen Palast schickte. -- Der freiere Verkehr der Satsuma mit den Holländern in Nangasaki erklärt sich nur aus ihrer bevorzugten Stellung, und man kann die Wuth der heissblütigen Trabanten leicht begreifen, als Herr Richardson und seine Begleiter ohne Rücksicht an der Sänfte vorbeiritten, die den Vater des regierenden Fürsten trug. Es war, nach den Landessitten gerechnet, 21) S. Bd. I. S. 153.
Die Fürsten von Satsuma. VI. Prinzen von Mito, des innigsten Freundes des vor zwei Jahren gestor-benen Fürsten von Satsuma. Solche Bitte kann nach japanischen Be- griffen nicht abgeschlagen werden; die Samraï blieben im Palast, doch sollen die Beamten des minderjährigen Fürsten nicht sicher gewesen sein, ob Jene wirklich Soldaten des Mito, oder verkappte Kundschafter der Regierung wären. Das Haus Satsuma wurde damals, wie von jeher, als den Fremden besonders günstig angesehen, und gilt erst seit der Ermordung Richardson’s für das Gegentheil. Die Fürsten dieser Familie haben sich durch mehrere Generationen den Hollän- dern in Naṅgasaki sehr freundschaftlich gezeigt, ja sogar die Zu- lassung der Fremden und Einführung europäischer Cultur befür- wortet; die Lage ihrer Besitzungen auf Kiusiu und ihr Handelscomtoir für die Liukiu-Inseln in Naṅgasaki gaben ihnen viel Gelegenheit zum Verkehr mit den Bewohnern von Desima; Titsingh und andere Handelsvorsteher haben, wie in neuerer Zeit noch Herr von Siebold, in Freundschaftsverhältniss und vertrautem Briefwechsel mit Fürsten von Satsuma gestanden. Die Familie war seit dem sechszehnten Jahr- hundert die mächtigste und unabhängigste des Reiches und genoss von jeher einer Ausnahme-Stellung theils durch die entfernte Lage und Grösse ihrer Besitzungen, theils durch den kriegerischen Muth ihrer Unterthanen. Die Sioguns aus dem Hause des Jyeyas haben sie immer mit der grössten Auszeichnung behandelt und sich ihr zu verschwägern gesucht; sie empfingen die Satsuma bei deren Ankunft in Yeddo immer mit besonderen Ehren, und diese pflegten sich Dinge herauszunehmen, die kein anderer Daïmio wagen durfte. — Ueber die Verbindung des Handelsvorstehers Gisbert Hemmy mit einem Fürsten dieses Hauses schwebt noch immer tiefes Dunkel; die ganze Sache scheint »binnekant« abgemacht worden zu sein, aber eine Art Conspiration kann man mit gutem Grunde vermuthen 21). Möglich dass die Regierung, durch diese Antecedentien veranlasst, gegen den jungen Prinzen oder dessen Rathgeber den Argwohn eines Einverständnisses mit den Fremden hegte, und deshalb ihre Kundschafter in seinen Palast schickte. — Der freiere Verkehr der Satsuma mit den Holländern in Naṅgasaki erklärt sich nur aus ihrer bevorzugten Stellung, und man kann die Wuth der heissblütigen Trabanten leicht begreifen, als Herr Richardson und seine Begleiter ohne Rücksicht an der Sänfte vorbeiritten, die den Vater des regierenden Fürsten trug. Es war, nach den Landessitten gerechnet, 21) S. Bd. I. S. 153.
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Die Fürsten von Satsuma. VI.
Prinzen von Mito, des innigsten Freundes des vor zwei Jahren gestor-
benen Fürsten von Satsuma. Solche Bitte kann nach japanischen Be-
griffen nicht abgeschlagen werden; die Samraï blieben im Palast, doch
sollen die Beamten des minderjährigen Fürsten nicht sicher gewesen
sein, ob Jene wirklich Soldaten des Mito, oder verkappte Kundschafter
der Regierung wären. Das Haus Satsuma wurde damals, wie von
jeher, als den Fremden besonders günstig angesehen, und gilt erst
seit der Ermordung Richardson’s für das Gegentheil. Die Fürsten
dieser Familie haben sich durch mehrere Generationen den Hollän-
dern in Naṅgasaki sehr freundschaftlich gezeigt, ja sogar die Zu-
lassung der Fremden und Einführung europäischer Cultur befür-
wortet; die Lage ihrer Besitzungen auf Kiusiu und ihr Handelscomtoir
für die Liukiu-Inseln in Naṅgasaki gaben ihnen viel Gelegenheit
zum Verkehr mit den Bewohnern von Desima; Titsingh und andere
Handelsvorsteher haben, wie in neuerer Zeit noch Herr von Siebold,
in Freundschaftsverhältniss und vertrautem Briefwechsel mit Fürsten
von Satsuma gestanden. Die Familie war seit dem sechszehnten Jahr-
hundert die mächtigste und unabhängigste des Reiches und genoss von
jeher einer Ausnahme-Stellung theils durch die entfernte Lage und
Grösse ihrer Besitzungen, theils durch den kriegerischen Muth ihrer
Unterthanen. Die Sioguns aus dem Hause des Jyeyas haben sie immer
mit der grössten Auszeichnung behandelt und sich ihr zu verschwägern
gesucht; sie empfingen die Satsuma bei deren Ankunft in Yeddo
immer mit besonderen Ehren, und diese pflegten sich Dinge
herauszunehmen, die kein anderer Daïmio wagen durfte. — Ueber
die Verbindung des Handelsvorstehers Gisbert Hemmy mit einem
Fürsten dieses Hauses schwebt noch immer tiefes Dunkel; die
ganze Sache scheint »binnekant« abgemacht worden zu sein, aber
eine Art Conspiration kann man mit gutem Grunde vermuthen 21).
Möglich dass die Regierung, durch diese Antecedentien veranlasst,
gegen den jungen Prinzen oder dessen Rathgeber den Argwohn
eines Einverständnisses mit den Fremden hegte, und deshalb ihre
Kundschafter in seinen Palast schickte. — Der freiere Verkehr der
Satsuma mit den Holländern in Naṅgasaki erklärt sich nur aus ihrer
bevorzugten Stellung, und man kann die Wuth der heissblütigen
Trabanten leicht begreifen, als Herr Richardson und seine Begleiter
ohne Rücksicht an der Sänfte vorbeiritten, die den Vater des
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21) S. Bd. I. S. 153.
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