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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Daimio's und Samrai. VI.
alle seine Trabanten dem Elend; der Nachfolger bringt seinen eigenen
Hofstaat, seine Soldaten und Beamten mit. Daher sind denn auch
alle Samrai ihren Lehnsherren mit unverbrüchlicher Treue ergeben;
sie gehen auf deren Befehl willig in den Tod und rächen unauf-
gefordert jede ihm widerfahrene Beleidigung; die Ehrenpflicht gilt
mehr als das bürgerliche Gesetz. Das Harakiru rettet vor dem
weltlichen Gericht, selbst die Verfolger des Mörders treten ehrerbietig
zurück sobald er Hand an sich legt; so geschah es noch kürzlich
bei Ermordung des Regenten. Bekannt ist die Geschichte der
fünfunddreissig Lonine, die, nachdem sie den Tod ihres Herrn an
dessen Gegner gerächt, sich um sein Grab versammeln und nach
feierlicher Anrufung seiner Manen sich sämmtlich den Leib aufschlitzen.
In alter Zeit war es allgemeine Sitte, dass die nächsten Untergebenen
und Leibdiener eines Daimio sich gleich nach dessen Tode entleibten,
und der Fanatismus der Loyalität ging so weit, dass bei dem Bau
von Festungsmauern die Trabanten des Bauherrn oft um die Gnade
baten, sich lebend unter die Fundamente begraben zu dürfen, da
nach dem Volksglauben solche Festen für uneinnehmbar galten,
deren Mauern auf lebendige Leiber gesetzt werden.

Wie die Diener für den Herrn, so treten auch die Herren
für ihre Untergebenen ein. Titsingh erzählt Folgendes: Ein Daimio,
dessen Trabanten von denen eines anderen Fürsten überfallen
wurden, verlangt persönlich von diesem den Tod der Schuldigen.
Auf dessen Weigerung droht er sich sofort zu entleiben, und der
Andere muss nachgeben, um ferneres Blutvergiessen und eine dauernde
Familienfehde zu verhüten. Denn, schlitzte sich Jener den Leib auf,
so war auch er zum Harakiru verpflichtet und es folgte eine
unabsehbare Reihe von Morden.

Der fanatische Ehrgeiz der Samrai erzeugt besonders in Yeddo,
wo deren so viele, -- man sagt gegen 300000, -- sich aufhalten,
beständig blutige Händel. Die meisten sind privilegirte Müssiggänger
und in Folge dessen ausschweifend und hochfahrend. Gelage,
Kartenspiel und Dirnen bilden die gefährlichen Leidenschaften des
flotten Samrai, so dass es an Reibereien nicht fehlen kann. Auch
die Partheistellung, Rangstreitigkeiten und persönlichen Fehden der
Grossen übertragen sich auf ihre Trabanten. Je vornehmer der
Herr, desto übermüthiger der Diener. Die Soldaten von Satsuma
sind besonders gefürchtet als heissblütig, gewaltsam und händel-
süchtig; sie duldeten früher niemand unter sich der die kleinste

Daïmio’s und Samraï. VI.
alle seine Trabanten dem Elend; der Nachfolger bringt seinen eigenen
Hofstaat, seine Soldaten und Beamten mit. Daher sind denn auch
alle Samraï ihren Lehnsherren mit unverbrüchlicher Treue ergeben;
sie gehen auf deren Befehl willig in den Tod und rächen unauf-
gefordert jede ihm widerfahrene Beleidigung; die Ehrenpflicht gilt
mehr als das bürgerliche Gesetz. Das Harakiru rettet vor dem
weltlichen Gericht, selbst die Verfolger des Mörders treten ehrerbietig
zurück sobald er Hand an sich legt; so geschah es noch kürzlich
bei Ermordung des Regenten. Bekannt ist die Geschichte der
fünfunddreissig Lonine, die, nachdem sie den Tod ihres Herrn an
dessen Gegner gerächt, sich um sein Grab versammeln und nach
feierlicher Anrufung seiner Manen sich sämmtlich den Leib aufschlitzen.
In alter Zeit war es allgemeine Sitte, dass die nächsten Untergebenen
und Leibdiener eines Daïmio sich gleich nach dessen Tode entleibten,
und der Fanatismus der Loyalität ging so weit, dass bei dem Bau
von Festungsmauern die Trabanten des Bauherrn oft um die Gnade
baten, sich lebend unter die Fundamente begraben zu dürfen, da
nach dem Volksglauben solche Festen für uneinnehmbar galten,
deren Mauern auf lebendige Leiber gesetzt werden.

Wie die Diener für den Herrn, so treten auch die Herren
für ihre Untergebenen ein. Titsingh erzählt Folgendes: Ein Daïmio,
dessen Trabanten von denen eines anderen Fürsten überfallen
wurden, verlangt persönlich von diesem den Tod der Schuldigen.
Auf dessen Weigerung droht er sich sofort zu entleiben, und der
Andere muss nachgeben, um ferneres Blutvergiessen und eine dauernde
Familienfehde zu verhüten. Denn, schlitzte sich Jener den Leib auf,
so war auch er zum Harakiru verpflichtet und es folgte eine
unabsehbare Reihe von Morden.

Der fanatische Ehrgeiz der Samraï erzeugt besonders in Yeddo,
wo deren so viele, — man sagt gegen 300000, — sich aufhalten,
beständig blutige Händel. Die meisten sind privilegirte Müssiggänger
und in Folge dessen ausschweifend und hochfahrend. Gelage,
Kartenspiel und Dirnen bilden die gefährlichen Leidenschaften des
flotten Samraï, so dass es an Reibereien nicht fehlen kann. Auch
die Partheistellung, Rangstreitigkeiten und persönlichen Fehden der
Grossen übertragen sich auf ihre Trabanten. Je vornehmer der
Herr, desto übermüthiger der Diener. Die Soldaten von Satsuma
sind besonders gefürchtet als heissblütig, gewaltsam und händel-
süchtig; sie duldeten früher niemand unter sich der die kleinste

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[46/0066] Daïmio’s und Samraï. VI. alle seine Trabanten dem Elend; der Nachfolger bringt seinen eigenen Hofstaat, seine Soldaten und Beamten mit. Daher sind denn auch alle Samraï ihren Lehnsherren mit unverbrüchlicher Treue ergeben; sie gehen auf deren Befehl willig in den Tod und rächen unauf- gefordert jede ihm widerfahrene Beleidigung; die Ehrenpflicht gilt mehr als das bürgerliche Gesetz. Das Harakiru rettet vor dem weltlichen Gericht, selbst die Verfolger des Mörders treten ehrerbietig zurück sobald er Hand an sich legt; so geschah es noch kürzlich bei Ermordung des Regenten. Bekannt ist die Geschichte der fünfunddreissig Lonine, die, nachdem sie den Tod ihres Herrn an dessen Gegner gerächt, sich um sein Grab versammeln und nach feierlicher Anrufung seiner Manen sich sämmtlich den Leib aufschlitzen. In alter Zeit war es allgemeine Sitte, dass die nächsten Untergebenen und Leibdiener eines Daïmio sich gleich nach dessen Tode entleibten, und der Fanatismus der Loyalität ging so weit, dass bei dem Bau von Festungsmauern die Trabanten des Bauherrn oft um die Gnade baten, sich lebend unter die Fundamente begraben zu dürfen, da nach dem Volksglauben solche Festen für uneinnehmbar galten, deren Mauern auf lebendige Leiber gesetzt werden. Wie die Diener für den Herrn, so treten auch die Herren für ihre Untergebenen ein. Titsingh erzählt Folgendes: Ein Daïmio, dessen Trabanten von denen eines anderen Fürsten überfallen wurden, verlangt persönlich von diesem den Tod der Schuldigen. Auf dessen Weigerung droht er sich sofort zu entleiben, und der Andere muss nachgeben, um ferneres Blutvergiessen und eine dauernde Familienfehde zu verhüten. Denn, schlitzte sich Jener den Leib auf, so war auch er zum Harakiru verpflichtet und es folgte eine unabsehbare Reihe von Morden. Der fanatische Ehrgeiz der Samraï erzeugt besonders in Yeddo, wo deren so viele, — man sagt gegen 300000, — sich aufhalten, beständig blutige Händel. Die meisten sind privilegirte Müssiggänger und in Folge dessen ausschweifend und hochfahrend. Gelage, Kartenspiel und Dirnen bilden die gefährlichen Leidenschaften des flotten Samraï, so dass es an Reibereien nicht fehlen kann. Auch die Partheistellung, Rangstreitigkeiten und persönlichen Fehden der Grossen übertragen sich auf ihre Trabanten. Je vornehmer der Herr, desto übermüthiger der Diener. Die Soldaten von Satsuma sind besonders gefürchtet als heissblütig, gewaltsam und händel- süchtig; sie duldeten früher niemand unter sich der die kleinste

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/66>, abgerufen am 22.11.2024.