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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VI. Hunde-Passion des Tsuna-yosi.
geborenen Kaiser herrühren soll. Die Bunyo's lachten sehr und
behaupteten, es sei reine Erfindung. Nichtsdestoweniger muss etwas
Wahres an der Sache sein, wenn auch das Verbot heute vergessen
ist. Kämpfer schreibt es dem zur Zeit seiner Anwesenheit in Japan
regierenden Tsuna-yosi zu, welchem viel Sonderbarkeiten nach-
gesagt werden. "Es müssen derselben", heisst es unter dem Artikel
"Hunde", "eine gewisse Anzahl von den Bürgern jeder Gasse unter-
halten und gespeiset, wenn sie krank sind, in einer auf jeder Gasse
errichteten Hütte verpfleget, wenn sie gestorben, auf die Berge
getragen und gleich Menschen beerdiget werden. Sie dürfen bei
Lebensstrafe von keinem Menschen misshandelt oder getödtet werden,
als bloss von dem Büttel; wenn sie nämlich selbst etwas verbrochen
und den Tod verdient haben. Es ist dieses so angeordnet wegen
eines Aberglaubens und Befehls des jetzigen Kaisers, welcher, wie
der römische Kaiser vor dem Zeichen des Steinbocks, vor dem
Geschlecht der Hunde eine besondere Hochachtung hat, weil er
im Jahre des Hundszeichens geboren worden. Ein Bürger der einen
todten Hund zum Grabe den Berg hinauf trug, schmälte einst aus
Ungeduld über des Kaisers Geburt. Sein Nachbar hiess ihn
schweigen, und dem Himmel danken, dass der Kaiser nicht im
Pferdejahre geboren wäre, dann würden sie noch mehr zu schleppen
gehabt haben." Der excentrische Tsuna-yosi wurde nachher von
seiner patriotischen Gemalin ermordet, weil er das Hausgesetz der
Erbfolge umstossen wollte, wie im einleitenden Abschnitt berichtet
ist. Die dort mitgetheilten Aufschlüsse über die Thronfolge beruhen
hauptsächlich auf den Aussagen der Bunyo's bei dieser Zusam-
menkunft 22).

Beim Frühstück wurde namentlich Sakai sehr heiter und
packte sich die Aermel voll gekochten Schinkens, seiner Lieblings-
speise. Nach Tische beschenkte der Gesandte die Herren mit
rheinischem Champagner, Stahlwaaren und anderen Kleinigkeiten;
Bleistifte und Gummi, dessen Eigenschaft Geschriebenes auszuwischen
sie noch nicht kannten, machten besondere Freude. Sakai las
deutliche lateinische Cursivschrift mit Leichtigkeit. Als er dabei
den Namen des Attache von Brandt aussprach, fragten Hori und
Moriyama zugleich, ob dieser Herr mit dem Verfasser des berühmten
tactischen Werkes verwandt sei, und schienen aufrichtig erfreut,
in ihm dessen Sohn kennen zu lernen. Sie erzählten, das Buch sei

22) S. Bd. I. S. 113.
4*

VI. Hunde-Passion des Tsuna-yosi.
geborenen Kaiser herrühren soll. Die Bunyo’s lachten sehr und
behaupteten, es sei reine Erfindung. Nichtsdestoweniger muss etwas
Wahres an der Sache sein, wenn auch das Verbot heute vergessen
ist. Kämpfer schreibt es dem zur Zeit seiner Anwesenheit in Japan
regierenden Tsuna-yosi zu, welchem viel Sonderbarkeiten nach-
gesagt werden. »Es müssen derselben«, heisst es unter dem Artikel
»Hunde«, »eine gewisse Anzahl von den Bürgern jeder Gasse unter-
halten und gespeiset, wenn sie krank sind, in einer auf jeder Gasse
errichteten Hütte verpfleget, wenn sie gestorben, auf die Berge
getragen und gleich Menschen beerdiget werden. Sie dürfen bei
Lebensstrafe von keinem Menschen misshandelt oder getödtet werden,
als bloss von dem Büttel; wenn sie nämlich selbst etwas verbrochen
und den Tod verdient haben. Es ist dieses so angeordnet wegen
eines Aberglaubens und Befehls des jetzigen Kaisers, welcher, wie
der römische Kaiser vor dem Zeichen des Steinbocks, vor dem
Geschlecht der Hunde eine besondere Hochachtung hat, weil er
im Jahre des Hundszeichens geboren worden. Ein Bürger der einen
todten Hund zum Grabe den Berg hinauf trug, schmälte einst aus
Ungeduld über des Kaisers Geburt. Sein Nachbar hiess ihn
schweigen, und dem Himmel danken, dass der Kaiser nicht im
Pferdejahre geboren wäre, dann würden sie noch mehr zu schleppen
gehabt haben.« Der excentrische Tsuna-yosi wurde nachher von
seiner patriotischen Gemalin ermordet, weil er das Hausgesetz der
Erbfolge umstossen wollte, wie im einleitenden Abschnitt berichtet
ist. Die dort mitgetheilten Aufschlüsse über die Thronfolge beruhen
hauptsächlich auf den Aussagen der Bunyo’s bei dieser Zusam-
menkunft 22).

Beim Frühstück wurde namentlich Sakaï sehr heiter und
packte sich die Aermel voll gekochten Schinkens, seiner Lieblings-
speise. Nach Tische beschenkte der Gesandte die Herren mit
rheinischem Champagner, Stahlwaaren und anderen Kleinigkeiten;
Bleistifte und Gummi, dessen Eigenschaft Geschriebenes auszuwischen
sie noch nicht kannten, machten besondere Freude. Sakaï las
deutliche lateinische Cursivschrift mit Leichtigkeit. Als er dabei
den Namen des Attaché von Brandt aussprach, fragten Hori und
Moriyama zugleich, ob dieser Herr mit dem Verfasser des berühmten
tactischen Werkes verwandt sei, und schienen aufrichtig erfreut,
in ihm dessen Sohn kennen zu lernen. Sie erzählten, das Buch sei

22) S. Bd. I. S. 113.
4*
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[51/0071] VI. Hunde-Passion des Tsuna-yosi. geborenen Kaiser herrühren soll. Die Bunyo’s lachten sehr und behaupteten, es sei reine Erfindung. Nichtsdestoweniger muss etwas Wahres an der Sache sein, wenn auch das Verbot heute vergessen ist. Kämpfer schreibt es dem zur Zeit seiner Anwesenheit in Japan regierenden Tsuna-yosi zu, welchem viel Sonderbarkeiten nach- gesagt werden. »Es müssen derselben«, heisst es unter dem Artikel »Hunde«, »eine gewisse Anzahl von den Bürgern jeder Gasse unter- halten und gespeiset, wenn sie krank sind, in einer auf jeder Gasse errichteten Hütte verpfleget, wenn sie gestorben, auf die Berge getragen und gleich Menschen beerdiget werden. Sie dürfen bei Lebensstrafe von keinem Menschen misshandelt oder getödtet werden, als bloss von dem Büttel; wenn sie nämlich selbst etwas verbrochen und den Tod verdient haben. Es ist dieses so angeordnet wegen eines Aberglaubens und Befehls des jetzigen Kaisers, welcher, wie der römische Kaiser vor dem Zeichen des Steinbocks, vor dem Geschlecht der Hunde eine besondere Hochachtung hat, weil er im Jahre des Hundszeichens geboren worden. Ein Bürger der einen todten Hund zum Grabe den Berg hinauf trug, schmälte einst aus Ungeduld über des Kaisers Geburt. Sein Nachbar hiess ihn schweigen, und dem Himmel danken, dass der Kaiser nicht im Pferdejahre geboren wäre, dann würden sie noch mehr zu schleppen gehabt haben.« Der excentrische Tsuna-yosi wurde nachher von seiner patriotischen Gemalin ermordet, weil er das Hausgesetz der Erbfolge umstossen wollte, wie im einleitenden Abschnitt berichtet ist. Die dort mitgetheilten Aufschlüsse über die Thronfolge beruhen hauptsächlich auf den Aussagen der Bunyo’s bei dieser Zusam- menkunft 22). Beim Frühstück wurde namentlich Sakaï sehr heiter und packte sich die Aermel voll gekochten Schinkens, seiner Lieblings- speise. Nach Tische beschenkte der Gesandte die Herren mit rheinischem Champagner, Stahlwaaren und anderen Kleinigkeiten; Bleistifte und Gummi, dessen Eigenschaft Geschriebenes auszuwischen sie noch nicht kannten, machten besondere Freude. Sakaï las deutliche lateinische Cursivschrift mit Leichtigkeit. Als er dabei den Namen des Attaché von Brandt aussprach, fragten Hori und Moriyama zugleich, ob dieser Herr mit dem Verfasser des berühmten tactischen Werkes verwandt sei, und schienen aufrichtig erfreut, in ihm dessen Sohn kennen zu lernen. Sie erzählten, das Buch sei 22) S. Bd. I. S. 113. 4*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/71>, abgerufen am 25.11.2024.