[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Mittel gegen die Barbaren. gekannt haben 39) und nährte trotzdem den Wahn von China's un-endlicher Ueberlegenheit. Von den Mandarinen aller Provinzen liefen Denkschriften ein, welche den Kaiser um rücksichtslose Ver- nichtung der Barbaren baten und ihm die Mittel dazu nannten. "Der einzige richtige Weg ist, den Engländern kühn die Stirn zu bieten. Die Russen sind jetzt unsere Freunde; ihr Land liegt nicht weit von England und grenzt an das unsere. Wir sollten deshalb eine kühne Armee werben -- was etwa dreissig Millionen Tael kosten würde -- und durch Russland direct nach England marschiren. Wenn wir den Krieg in ihre Heimath tragen und ihr Land besetzen, so verbannen wir sie auf immer von unseren Küsten. Da die Russen Feinde der Engländer sind, so würden sie unser Unternehmen för- dern, uns, wenn wir in ihr Land kommen, Geschütze stellen und Hülfstruppen zuführen. -- Sollte dieser Vorschlag verworfen wer- den, so müssen wir sie zu Wasser angreifen. Es ist bekannt, dass die Gorka bereit sind, die Engländer im Rücken anzugreifen, und dass die Cochinchinesen uns ebenfalls beistehen werden, wenn wir sie zur See angreifen. Zu dem Zweck sollte eine Flotte gerüstet werden -- was ungefähr fünf Millionen Tael kosten würde -- mit stär- kerer Bemannung und schwererem Geschütz als die der englischen Schiffe. Damit könnten wir ihnen die Spitze bieten und der Sieg wäre uns gewiss. Dann sollten wir Singapore besetzen, in der Sunda-Strasse Posto fassen, ihnen die Zufuhr abschneiden und ihre Schiffe fortnehmen. So würden wir das Barbarenauge in die äusserste Noth bringen und es müsste unterliegen. Es bäte dann um Frieden und fügte sich demüthig unseren Befehlen. So nah an Bengalen könnten wir dann auch die Opiumzufuhr verhin- dern und diesem Handel für immer ein Ende machen u. s. w." "Während die Hülfsmittel des Feindes erschöpft sind," heisst es 39) "Um den Feind zu besiegen," sagt ein kaiserlicher Erlass aus dieser Zeit,
"muss man vor Allem für Ruhe und Ordnung zu Hause sorgen. Es scheint, dass die Truppen auf ihrem Marsch durch die Provinzen die Bewohner misshandelt und bedrückt und eine Gährung erregt haben, welche schlimme Folgen haben kann. Die strengste Mannszucht muss aufrecht erhalten, und den Soldaten unter keinen Um- ständen die geringste Nachsicht gewährt werden. Wenn bemittelte Personen in den Küstenprovinzen unter Verheissung von Belohnungen zu freiwilligen Opfern auf- gefordert werden, so sollen doch alle Erpressungen der Beamten unter dem Namen patriotischer Beiträge streng verboten sein. Man darf das Volk nicht bedrücken, um dem Feinde Widerstand zu leisten; seine Dienste sollen freiwillig und nicht durch Drohungen erzwungen sein." Mittel gegen die Barbaren. gekannt haben 39) und nährte trotzdem den Wahn von China’s un-endlicher Ueberlegenheit. Von den Mandarinen aller Provinzen liefen Denkschriften ein, welche den Kaiser um rücksichtslose Ver- nichtung der Barbaren baten und ihm die Mittel dazu nannten. »Der einzige richtige Weg ist, den Engländern kühn die Stirn zu bieten. Die Russen sind jetzt unsere Freunde; ihr Land liegt nicht weit von England und grenzt an das unsere. Wir sollten deshalb eine kühne Armee werben — was etwa dreissig Millionen Tael kosten würde — und durch Russland direct nach England marschiren. Wenn wir den Krieg in ihre Heimath tragen und ihr Land besetzen, so verbannen wir sie auf immer von unseren Küsten. Da die Russen Feinde der Engländer sind, so würden sie unser Unternehmen för- dern, uns, wenn wir in ihr Land kommen, Geschütze stellen und Hülfstruppen zuführen. — Sollte dieser Vorschlag verworfen wer- den, so müssen wir sie zu Wasser angreifen. Es ist bekannt, dass die Gorka bereit sind, die Engländer im Rücken anzugreifen, und dass die Cochinchinesen uns ebenfalls beistehen werden, wenn wir sie zur See angreifen. Zu dem Zweck sollte eine Flotte gerüstet werden — was ungefähr fünf Millionen Tael kosten würde — mit stär- kerer Bemannung und schwererem Geschütz als die der englischen Schiffe. Damit könnten wir ihnen die Spitze bieten und der Sieg wäre uns gewiss. Dann sollten wir Singapore besetzen, in der Sunda-Strasse Posto fassen, ihnen die Zufuhr abschneiden und ihre Schiffe fortnehmen. So würden wir das Barbarenauge in die äusserste Noth bringen und es müsste unterliegen. Es bäte dann um Frieden und fügte sich demüthig unseren Befehlen. So nah an Bengalen könnten wir dann auch die Opiumzufuhr verhin- dern und diesem Handel für immer ein Ende machen u. s. w.« »Während die Hülfsmittel des Feindes erschöpft sind,« heisst es 39) »Um den Feind zu besiegen,« sagt ein kaiserlicher Erlass aus dieser Zeit,
»muss man vor Allem für Ruhe und Ordnung zu Hause sorgen. Es scheint, dass die Truppen auf ihrem Marsch durch die Provinzen die Bewohner misshandelt und bedrückt und eine Gährung erregt haben, welche schlimme Folgen haben kann. Die strengste Mannszucht muss aufrecht erhalten, und den Soldaten unter keinen Um- ständen die geringste Nachsicht gewährt werden. Wenn bemittelte Personen in den Küstenprovinzen unter Verheissung von Belohnungen zu freiwilligen Opfern auf- gefordert werden, so sollen doch alle Erpressungen der Beamten unter dem Namen patriotischer Beiträge streng verboten sein. Man darf das Volk nicht bedrücken, um dem Feinde Widerstand zu leisten; seine Dienste sollen freiwillig und nicht durch Drohungen erzwungen sein.« <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="103"/><fw place="top" type="header">Mittel gegen die Barbaren.</fw><lb/> gekannt haben <note place="foot" n="39)">»Um den Feind zu besiegen,« sagt ein kaiserlicher Erlass aus dieser Zeit,<lb/> »muss man vor Allem für Ruhe und Ordnung zu Hause sorgen. Es scheint, dass<lb/> die Truppen auf ihrem Marsch durch die Provinzen die Bewohner misshandelt und<lb/> bedrückt und eine Gährung erregt haben, welche schlimme Folgen haben kann. Die<lb/> strengste Mannszucht muss aufrecht erhalten, und den Soldaten unter keinen Um-<lb/> ständen die geringste Nachsicht gewährt werden. Wenn bemittelte Personen in den<lb/> Küstenprovinzen unter Verheissung von Belohnungen zu freiwilligen Opfern auf-<lb/> gefordert werden, so sollen doch alle Erpressungen der Beamten unter dem Namen<lb/> patriotischer Beiträge streng verboten sein. Man darf das Volk nicht bedrücken,<lb/> um dem Feinde Widerstand zu leisten; seine Dienste sollen freiwillig und nicht durch<lb/> Drohungen erzwungen sein.«</note> und nährte trotzdem den Wahn von <placeName>China’s</placeName> un-<lb/> endlicher Ueberlegenheit. Von den Mandarinen aller Provinzen<lb/> liefen Denkschriften ein, welche den Kaiser um rücksichtslose Ver-<lb/> nichtung der Barbaren baten und ihm die Mittel dazu nannten.<lb/> »Der einzige richtige Weg ist, den Engländern kühn die Stirn zu<lb/> bieten. Die Russen sind jetzt unsere Freunde; ihr Land liegt nicht<lb/> weit von <placeName>England</placeName> und grenzt an das unsere. Wir sollten deshalb<lb/> eine kühne Armee werben — was etwa dreissig Millionen <hi rendition="#k">Tael</hi><lb/> kosten würde — und durch <placeName>Russland</placeName> direct nach <placeName>England</placeName> marschiren.<lb/> Wenn wir den Krieg in ihre Heimath tragen und ihr Land besetzen,<lb/> so verbannen wir sie auf immer von unseren Küsten. Da die Russen<lb/> Feinde der Engländer sind, so würden sie unser Unternehmen för-<lb/> dern, uns, wenn wir in ihr Land kommen, Geschütze stellen und<lb/> Hülfstruppen zuführen. — Sollte dieser Vorschlag verworfen wer-<lb/> den, so müssen wir sie zu Wasser angreifen. Es ist bekannt, dass<lb/> die Gorka bereit sind, die Engländer im Rücken anzugreifen, und<lb/> dass die Cochinchinesen uns ebenfalls beistehen werden, wenn wir<lb/> sie zur See angreifen. Zu dem Zweck sollte eine Flotte gerüstet<lb/> werden — was ungefähr fünf Millionen <hi rendition="#k">Tael</hi> kosten würde — mit stär-<lb/> kerer Bemannung und schwererem Geschütz als die der englischen<lb/> Schiffe. Damit könnten wir ihnen die Spitze bieten und der Sieg<lb/> wäre uns gewiss. Dann sollten wir <placeName>Singapore</placeName> besetzen, in der<lb/><placeName>Sunda-Strasse</placeName> <placeName>Posto</placeName> fassen, ihnen die Zufuhr abschneiden und<lb/> ihre Schiffe fortnehmen. So würden wir das Barbarenauge in die<lb/> äusserste Noth bringen und es müsste unterliegen. Es bäte<lb/> dann um Frieden und fügte sich demüthig unseren Befehlen. So<lb/> nah an <placeName>Bengalen</placeName> könnten wir dann auch die Opiumzufuhr verhin-<lb/> dern und diesem Handel für immer ein Ende machen u. s. w.«</p><lb/> <p>»Während die Hülfsmittel des Feindes erschöpft sind,« heisst es<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0125]
Mittel gegen die Barbaren.
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endlicher Ueberlegenheit. Von den Mandarinen aller Provinzen
liefen Denkschriften ein, welche den Kaiser um rücksichtslose Ver-
nichtung der Barbaren baten und ihm die Mittel dazu nannten.
»Der einzige richtige Weg ist, den Engländern kühn die Stirn zu
bieten. Die Russen sind jetzt unsere Freunde; ihr Land liegt nicht
weit von England und grenzt an das unsere. Wir sollten deshalb
eine kühne Armee werben — was etwa dreissig Millionen Tael
kosten würde — und durch Russland direct nach England marschiren.
Wenn wir den Krieg in ihre Heimath tragen und ihr Land besetzen,
so verbannen wir sie auf immer von unseren Küsten. Da die Russen
Feinde der Engländer sind, so würden sie unser Unternehmen för-
dern, uns, wenn wir in ihr Land kommen, Geschütze stellen und
Hülfstruppen zuführen. — Sollte dieser Vorschlag verworfen wer-
den, so müssen wir sie zu Wasser angreifen. Es ist bekannt, dass
die Gorka bereit sind, die Engländer im Rücken anzugreifen, und
dass die Cochinchinesen uns ebenfalls beistehen werden, wenn wir
sie zur See angreifen. Zu dem Zweck sollte eine Flotte gerüstet
werden — was ungefähr fünf Millionen Tael kosten würde — mit stär-
kerer Bemannung und schwererem Geschütz als die der englischen
Schiffe. Damit könnten wir ihnen die Spitze bieten und der Sieg
wäre uns gewiss. Dann sollten wir Singapore besetzen, in der
Sunda-Strasse Posto fassen, ihnen die Zufuhr abschneiden und
ihre Schiffe fortnehmen. So würden wir das Barbarenauge in die
äusserste Noth bringen und es müsste unterliegen. Es bäte
dann um Frieden und fügte sich demüthig unseren Befehlen. So
nah an Bengalen könnten wir dann auch die Opiumzufuhr verhin-
dern und diesem Handel für immer ein Ende machen u. s. w.«
»Während die Hülfsmittel des Feindes erschöpft sind,« heisst es
39) »Um den Feind zu besiegen,« sagt ein kaiserlicher Erlass aus dieser Zeit,
»muss man vor Allem für Ruhe und Ordnung zu Hause sorgen. Es scheint, dass
die Truppen auf ihrem Marsch durch die Provinzen die Bewohner misshandelt und
bedrückt und eine Gährung erregt haben, welche schlimme Folgen haben kann. Die
strengste Mannszucht muss aufrecht erhalten, und den Soldaten unter keinen Um-
ständen die geringste Nachsicht gewährt werden. Wenn bemittelte Personen in den
Küstenprovinzen unter Verheissung von Belohnungen zu freiwilligen Opfern auf-
gefordert werden, so sollen doch alle Erpressungen der Beamten unter dem Namen
patriotischer Beiträge streng verboten sein. Man darf das Volk nicht bedrücken,
um dem Feinde Widerstand zu leisten; seine Dienste sollen freiwillig und nicht durch
Drohungen erzwungen sein.«
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