Bei Davis' Anwesenheit in Kan-ton 1847 wurde in den Ver- handlungen mit Ki-yin auch das im Vertrage von Nan-kin den Engländern gewährte Recht auf freien Zutritt in die Stadt Kan-ton erörtert, und ausgemacht, dass die Ausführung dieser Be- stimmung wegen der feindseligen Haltung des Volkes auf weitere zwei Jahre hinausgeschoben werden solle. Nach Ablauf dieser Frist brachte Davis' Nachfolger, Herr Bonham, die Sache wieder zur Sprache, wechselte mehrere Schreiben darüber mit dem Vice- König Siu und überzeugte sich schliesslich, dass der Zeitpunct nicht geeignet sei auf die Zulassung zu dringen. Er erklärte den Chinesen, dass die Frage in ihrer Integrität ruhen und zur Erledi- gung offen bleiben müsse. Gützlaff übersetzte die betreffenden Worte 89) in Ausdrücken, die zwar nach dem Zeugniss der kundigsten Dolmetscher nicht missverstanden werden konnten, von den Chi- nesen aber so gedeutet wurden, als gäbe England seine Ansprüche auf. Bonham erhielt für die unklare Fassung von seinem Vor- gesetzten eine Rüge, und in der That hat dieselbe zur Verschlim- merung der Beziehungen wesentlich beigetragen. Siu und sein Nachfolger Yi kamen bei allen späteren Erörterungen darauf zu- rück und verwiesen auf Bonham's öffentliche Bekanntmachungen durch Maueranschlag und die Zeitungen, in welchen den englischen Unterthanen der Eintritt in die Mauern von Kan-ton unter- sagt wird. 90)
89) "The question at issue rests where it was and must remain in abeyance."
90) Aus mehreren gedruckten Depeschen des Yi scheint hervorzugehen, dass Herr Bonham oder ein Vertreter desselben den freien Zutritt in Kan-ton 1850 an der Pei-ho-Mündung gefordert hätte. Er sei, erzählt Yi, von den kaiserlichen Be- vollmächtigten abgewiesen worden, weil im Vertrage von Nan-kin nichts davon
V. DER LORCHA-KRIEG. BIS 1858.
Bei Davis’ Anwesenheit in Kan-ton 1847 wurde in den Ver- handlungen mit Ki-yiṅ auch das im Vertrage von Nan-kiṅ den Engländern gewährte Recht auf freien Zutritt in die Stadt Kan-ton erörtert, und ausgemacht, dass die Ausführung dieser Be- stimmung wegen der feindseligen Haltung des Volkes auf weitere zwei Jahre hinausgeschoben werden solle. Nach Ablauf dieser Frist brachte Davis’ Nachfolger, Herr Bonham, die Sache wieder zur Sprache, wechselte mehrere Schreiben darüber mit dem Vice- König Siu und überzeugte sich schliesslich, dass der Zeitpunct nicht geeignet sei auf die Zulassung zu dringen. Er erklärte den Chinesen, dass die Frage in ihrer Integrität ruhen und zur Erledi- gung offen bleiben müsse. Gützlaff übersetzte die betreffenden Worte 89) in Ausdrücken, die zwar nach dem Zeugniss der kundigsten Dolmetscher nicht missverstanden werden konnten, von den Chi- nesen aber so gedeutet wurden, als gäbe England seine Ansprüche auf. Bonham erhielt für die unklare Fassung von seinem Vor- gesetzten eine Rüge, und in der That hat dieselbe zur Verschlim- merung der Beziehungen wesentlich beigetragen. Siu und sein Nachfolger Yi kamen bei allen späteren Erörterungen darauf zu- rück und verwiesen auf Bonham’s öffentliche Bekanntmachungen durch Maueranschlag und die Zeitungen, in welchen den englischen Unterthanen der Eintritt in die Mauern von Kan-ton unter- sagt wird. 90)
89) »The question at issue rests where it was and must remain in abeyance.«
90) Aus mehreren gedruckten Depeschen des Yi scheint hervorzugehen, dass Herr Bonham oder ein Vertreter desselben den freien Zutritt in Kan-ton 1850 an der Pei-ho-Mündung gefordert hätte. Er sei, erzählt Yi, von den kaiserlichen Be- vollmächtigten abgewiesen worden, weil im Vertrage von Nan-kiṅ nichts davon
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V.
DER LORCHA-KRIEG.
BIS 1858.
Bei Davis’ Anwesenheit in Kan-ton 1847 wurde in den Ver-
handlungen mit Ki-yiṅ auch das im Vertrage von Nan-kiṅ
den Engländern gewährte Recht auf freien Zutritt in die Stadt
Kan-ton erörtert, und ausgemacht, dass die Ausführung dieser Be-
stimmung wegen der feindseligen Haltung des Volkes auf weitere zwei
Jahre hinausgeschoben werden solle. Nach Ablauf dieser Frist
brachte Davis’ Nachfolger, Herr Bonham, die Sache wieder zur
Sprache, wechselte mehrere Schreiben darüber mit dem Vice-
König Siu und überzeugte sich schliesslich, dass der Zeitpunct
nicht geeignet sei auf die Zulassung zu dringen. Er erklärte den
Chinesen, dass die Frage in ihrer Integrität ruhen und zur Erledi-
gung offen bleiben müsse. Gützlaff übersetzte die betreffenden
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Dolmetscher nicht missverstanden werden konnten, von den Chi-
nesen aber so gedeutet wurden, als gäbe England seine Ansprüche
auf. Bonham erhielt für die unklare Fassung von seinem Vor-
gesetzten eine Rüge, und in der That hat dieselbe zur Verschlim-
merung der Beziehungen wesentlich beigetragen. Siu und sein
Nachfolger Yi kamen bei allen späteren Erörterungen darauf zu-
rück und verwiesen auf Bonham’s öffentliche Bekanntmachungen
durch Maueranschlag und die Zeitungen, in welchen den englischen
Unterthanen der Eintritt in die Mauern von Kan-ton unter-
sagt wird. 90)
89) »The question at issue rests where it was and must remain in abeyance.«
90) Aus mehreren gedruckten Depeschen des Yi scheint hervorzugehen, dass
Herr Bonham oder ein Vertreter desselben den freien Zutritt in Kan-ton 1850 an
der Pei-ho-Mündung gefordert hätte. Er sei, erzählt Yi, von den kaiserlichen Be-
vollmächtigten abgewiesen worden, weil im Vertrage von Nan-kiṅ nichts davon
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/235>, abgerufen am 16.07.2024.
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