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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Operationen gegen Kan-ton.
erklärt Yi für ganz unmöglich wegen der Thatkraft und Erbitterung
des Volkes, und warnt vor ernsten Misshelligkeiten, die daraus
entstehen könnten. Er schliesst mit einigen Schmeicheleien und
drückt sein festes Vertrauen auf die Weisheit, Unpartheilichkeit
und Rechtsliebe Lord Elgin's aus, der nur von übelwollenden
Menschen aufgehetzt sei. Er bezieht sich dann auf dessen Worte,
dass der Handelsverkehr wieder aufgenommen werden solle und
erklärt sich damit einverstanden. Es sei nicht Schuld der Chinesen,
dass seit dem October des vergangenen Jahres kein fremdes Schiff
da gewesen sei; Lord Elgin werde sich durch Wiederherstellung
des Handels die Kaufleute aller Nationen verbinden.

Am 15. December wurde die Kan-ton gegenüberliegende
Insel Ho-nan von 400 englischen Seesoldaten und 150 franzö-
sischen Matrosen ohne Widerstand besetzt. Mehrere Kriegsschiffe
gingen kaum zweihundert Schritte von den Geschützen der Stadt-
mauer im Flusse vor Anker, ohne dass die Chinesen Anstalten der
Abwehr trafen. Die Bevölkerung schien sorglos ihren Beschäfti-
gungen nachzugehen. Haufen von Neugierigen sahen vom Ufer aus
den Arbeiten der Engländer auf dem Inselchen Dutch Folly zu,
wo eine Mörserbatterie gebaut wurde. Nur die in Kan-ton nach
Hunderttausenden zählende Flussbevölkerung verschwand; Boote
und schwimmende Häuser trieben gemächlich den Strom hinab,
um eine stille Bucht aufzusuchen. Am 17. December kam Lord
Elgin auf dem Furious nach Wam-poa hinauf und beschloss mit
Baron Gros, der Bevölkerung noch einige Tage zum Auswandern
und zum Bergen ihrer Habe zu geben. Riesenplacate in weithin
leserlichen Schriftzeichen wurden überall an den Stromufern ange-
schlagen, machten jedoch wenig Eindruck.

Am 24. December richtete Lord Elgin eine kurze Note an
den Vice-König: er entdecke in dessen Schreiben keine Willfährig-
keit, seinen mässigen Forderungen nachzukommen, und mache ihn
nochmals auf die für diesen Fall vorausgesagten Folgen auf-
merksam. Er habe die Commandeure der Flotte und der Land-
macht ersucht, die Feindseligkeiten gegen Kan-ton mit erneuter
Kraft wieder aufzunehmen und behalte sich das Recht vor, "seitens
der britischen Regierung solche Zusatzforderungen an die Regie-
rung von China zu stellen, als die veränderte Lage in seinen Augen
rechtfertigen werde". Aehnlich drückte Baron Gros sich aus. --
Die Obercommandeure der Land- und Seemacht meldeten dem

Operationen gegen Kan-ton.
erklärt Yi für ganz unmöglich wegen der Thatkraft und Erbitterung
des Volkes, und warnt vor ernsten Misshelligkeiten, die daraus
entstehen könnten. Er schliesst mit einigen Schmeicheleien und
drückt sein festes Vertrauen auf die Weisheit, Unpartheilichkeit
und Rechtsliebe Lord Elgin’s aus, der nur von übelwollenden
Menschen aufgehetzt sei. Er bezieht sich dann auf dessen Worte,
dass der Handelsverkehr wieder aufgenommen werden solle und
erklärt sich damit einverstanden. Es sei nicht Schuld der Chinesen,
dass seit dem October des vergangenen Jahres kein fremdes Schiff
da gewesen sei; Lord Elgin werde sich durch Wiederherstellung
des Handels die Kaufleute aller Nationen verbinden.

Am 15. December wurde die Kan-ton gegenüberliegende
Insel Ho-nan von 400 englischen Seesoldaten und 150 franzö-
sischen Matrosen ohne Widerstand besetzt. Mehrere Kriegsschiffe
gingen kaum zweihundert Schritte von den Geschützen der Stadt-
mauer im Flusse vor Anker, ohne dass die Chinesen Anstalten der
Abwehr trafen. Die Bevölkerung schien sorglos ihren Beschäfti-
gungen nachzugehen. Haufen von Neugierigen sahen vom Ufer aus
den Arbeiten der Engländer auf dem Inselchen Dutch Folly zu,
wo eine Mörserbatterie gebaut wurde. Nur die in Kan-ton nach
Hunderttausenden zählende Flussbevölkerung verschwand; Boote
und schwimmende Häuser trieben gemächlich den Strom hinab,
um eine stille Bucht aufzusuchen. Am 17. December kam Lord
Elgin auf dem Furious nach Wam-poa hinauf und beschloss mit
Baron Gros, der Bevölkerung noch einige Tage zum Auswandern
und zum Bergen ihrer Habe zu geben. Riesenplacate in weithin
leserlichen Schriftzeichen wurden überall an den Stromufern ange-
schlagen, machten jedoch wenig Eindruck.

Am 24. December richtete Lord Elgin eine kurze Note an
den Vice-König: er entdecke in dessen Schreiben keine Willfährig-
keit, seinen mässigen Forderungen nachzukommen, und mache ihn
nochmals auf die für diesen Fall vorausgesagten Folgen auf-
merksam. Er habe die Commandeure der Flotte und der Land-
macht ersucht, die Feindseligkeiten gegen Kan-ton mit erneuter
Kraft wieder aufzunehmen und behalte sich das Recht vor, »seitens
der britischen Regierung solche Zusatzforderungen an die Regie-
rung von China zu stellen, als die veränderte Lage in seinen Augen
rechtfertigen werde«. Aehnlich drückte Baron Gros sich aus. —
Die Obercommandeure der Land- und Seemacht meldeten dem

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[232/0254] Operationen gegen Kan-ton. erklärt Yi für ganz unmöglich wegen der Thatkraft und Erbitterung des Volkes, und warnt vor ernsten Misshelligkeiten, die daraus entstehen könnten. Er schliesst mit einigen Schmeicheleien und drückt sein festes Vertrauen auf die Weisheit, Unpartheilichkeit und Rechtsliebe Lord Elgin’s aus, der nur von übelwollenden Menschen aufgehetzt sei. Er bezieht sich dann auf dessen Worte, dass der Handelsverkehr wieder aufgenommen werden solle und erklärt sich damit einverstanden. Es sei nicht Schuld der Chinesen, dass seit dem October des vergangenen Jahres kein fremdes Schiff da gewesen sei; Lord Elgin werde sich durch Wiederherstellung des Handels die Kaufleute aller Nationen verbinden. Am 15. December wurde die Kan-ton gegenüberliegende Insel Ho-nan von 400 englischen Seesoldaten und 150 franzö- sischen Matrosen ohne Widerstand besetzt. Mehrere Kriegsschiffe gingen kaum zweihundert Schritte von den Geschützen der Stadt- mauer im Flusse vor Anker, ohne dass die Chinesen Anstalten der Abwehr trafen. Die Bevölkerung schien sorglos ihren Beschäfti- gungen nachzugehen. Haufen von Neugierigen sahen vom Ufer aus den Arbeiten der Engländer auf dem Inselchen Dutch Folly zu, wo eine Mörserbatterie gebaut wurde. Nur die in Kan-ton nach Hunderttausenden zählende Flussbevölkerung verschwand; Boote und schwimmende Häuser trieben gemächlich den Strom hinab, um eine stille Bucht aufzusuchen. Am 17. December kam Lord Elgin auf dem Furious nach Wam-poa hinauf und beschloss mit Baron Gros, der Bevölkerung noch einige Tage zum Auswandern und zum Bergen ihrer Habe zu geben. Riesenplacate in weithin leserlichen Schriftzeichen wurden überall an den Stromufern ange- schlagen, machten jedoch wenig Eindruck. Am 24. December richtete Lord Elgin eine kurze Note an den Vice-König: er entdecke in dessen Schreiben keine Willfährig- keit, seinen mässigen Forderungen nachzukommen, und mache ihn nochmals auf die für diesen Fall vorausgesagten Folgen auf- merksam. Er habe die Commandeure der Flotte und der Land- macht ersucht, die Feindseligkeiten gegen Kan-ton mit erneuter Kraft wieder aufzunehmen und behalte sich das Recht vor, »seitens der britischen Regierung solche Zusatzforderungen an die Regie- rung von China zu stellen, als die veränderte Lage in seinen Augen rechtfertigen werde«. Aehnlich drückte Baron Gros sich aus. — Die Obercommandeure der Land- und Seemacht meldeten dem

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/254>, abgerufen am 21.11.2024.