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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Friedensverhandlungen.

Der feierliche Empfang geschah in einem vor der Stadt ge-
legenen Tempel, wo zunächst die Vollmachten geprüft und von den
dolmetschenden Secretären gültig befunden wurden. Als aber Lord
Elgin nach dem Amtssiegel, dem Kuan-fan fragte, erwiederten die
Chinesen, dass nur für bleibende Stellungen ein solches verliehen
werde, nicht aber für commissarische Aufträge. Darauf brach der
Botschafter die Unterhaltung ab, wies die gebotenen Erfrischungen
zurück und verabschiedete sich kurz mit der Bemerkung, dass er
sich schriftlich darüber aussprechen werde. Das that die gewünschte
Wirkung. Auf Lord Elgins amtliches Ersuchen wurde das Kuan-
fan
unverzüglich aus Pe-kin herbeigeschafft. Die Commissare baten
nun den Botschafter schriftlich, dass Herr Lay, welcher durch seine
Stellung als Zollinspector in chinesischen Diensten zum Vermittler
besonders geeignet war, sie besuchen und mit seinem Rath unter-
stützen dürfe; Lord Elgin aber konnte nur erwünscht sein, dass
derselbe täglich mit ihnen conferirte. -- Auch die Gesandten von
Frankreich, Russland und America tauschten mit den chinesischen
Commissaren ihre Vollmachten aus.

Die Verhandlungen, welche von englischer Seite durch Lord
Elgins Bruder, den Botschaftssecretär Honourable Frederick Bruce,
Herrn Lay und Herrn Wade geführt wurden, waren schon im Gange,
als eines Tages der alte Ki-yin dem Botschafter seine Ankunft
melden liess. Seit seiner Degradirung nach Hien-fun's Thron-
besteigung scheint er kein hohes Amt mehr bekleidet und keine
Beziehungen zum Kaiserhofe gehabt zu haben. Hien-fun mochte
ihn, wie ein abgelegtes Werkzeug, dessen man nicht schont, in ver-
zweifelter Lage noch einmal benutzen wollen; er sandte ihn ohne
Vollmacht und amtliche Stellung, nur mit dem Auftrage, bei den
Verhandlungen die chinesischen Interessen zu wahren. Lord Elgin
erstaunte sehr, den alten Freund von Davis und Pottinger, welcher
mehr als irgend ein chinesischer Staatsmann das Vertrauen der
Europäer genossen hatte, noch einmal auf der Bühne erscheinen
zu sehen. Eine in Yi's Archiven gefundene Denkschrift warf aber
einen Schatten auf die Ehrlichkeit seiner Gesinnung, weshalb Lord
Elgin seinen Besuch ablehnte und vorläufig die dolmetschenden
Secretäre zu ihm schickte. Herr Wade und Herr Lay fanden einen
fast erblindeten, hinfälligen Greis, der in Thränen ausbrach über
die Lage von China und seine eigene Mission, welche ihm verderb-
lich werden müsse. Herr Wade suchte ihn durch die Versicherung

Friedensverhandlungen.

Der feierliche Empfang geschah in einem vor der Stadt ge-
legenen Tempel, wo zunächst die Vollmachten geprüft und von den
dolmetschenden Secretären gültig befunden wurden. Als aber Lord
Elgin nach dem Amtssiegel, dem Kuaṅ-faṅ fragte, erwiederten die
Chinesen, dass nur für bleibende Stellungen ein solches verliehen
werde, nicht aber für commissarische Aufträge. Darauf brach der
Botschafter die Unterhaltung ab, wies die gebotenen Erfrischungen
zurück und verabschiedete sich kurz mit der Bemerkung, dass er
sich schriftlich darüber aussprechen werde. Das that die gewünschte
Wirkung. Auf Lord Elgins amtliches Ersuchen wurde das Kuaṅ-
faṅ
unverzüglich aus Pe-kiṅ herbeigeschafft. Die Commissare baten
nun den Botschafter schriftlich, dass Herr Lay, welcher durch seine
Stellung als Zollinspector in chinesischen Diensten zum Vermittler
besonders geeignet war, sie besuchen und mit seinem Rath unter-
stützen dürfe; Lord Elgin aber konnte nur erwünscht sein, dass
derselbe täglich mit ihnen conferirte. — Auch die Gesandten von
Frankreich, Russland und America tauschten mit den chinesischen
Commissaren ihre Vollmachten aus.

Die Verhandlungen, welche von englischer Seite durch Lord
Elgins Bruder, den Botschaftssecretär Honourable Frederick Bruce,
Herrn Lay und Herrn Wade geführt wurden, waren schon im Gange,
als eines Tages der alte Ki-yiṅ dem Botschafter seine Ankunft
melden liess. Seit seiner Degradirung nach Hien-fuṅ’s Thron-
besteigung scheint er kein hohes Amt mehr bekleidet und keine
Beziehungen zum Kaiserhofe gehabt zu haben. Hien-fuṅ mochte
ihn, wie ein abgelegtes Werkzeug, dessen man nicht schont, in ver-
zweifelter Lage noch einmal benutzen wollen; er sandte ihn ohne
Vollmacht und amtliche Stellung, nur mit dem Auftrage, bei den
Verhandlungen die chinesischen Interessen zu wahren. Lord Elgin
erstaunte sehr, den alten Freund von Davis und Pottinger, welcher
mehr als irgend ein chinesischer Staatsmann das Vertrauen der
Europäer genossen hatte, noch einmal auf der Bühne erscheinen
zu sehen. Eine in Yi’s Archiven gefundene Denkschrift warf aber
einen Schatten auf die Ehrlichkeit seiner Gesinnung, weshalb Lord
Elgin seinen Besuch ablehnte und vorläufig die dolmetschenden
Secretäre zu ihm schickte. Herr Wade und Herr Lay fanden einen
fast erblindeten, hinfälligen Greis, der in Thränen ausbrach über
die Lage von China und seine eigene Mission, welche ihm verderb-
lich werden müsse. Herr Wade suchte ihn durch die Versicherung

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[244/0266] Friedensverhandlungen. Der feierliche Empfang geschah in einem vor der Stadt ge- legenen Tempel, wo zunächst die Vollmachten geprüft und von den dolmetschenden Secretären gültig befunden wurden. Als aber Lord Elgin nach dem Amtssiegel, dem Kuaṅ-faṅ fragte, erwiederten die Chinesen, dass nur für bleibende Stellungen ein solches verliehen werde, nicht aber für commissarische Aufträge. Darauf brach der Botschafter die Unterhaltung ab, wies die gebotenen Erfrischungen zurück und verabschiedete sich kurz mit der Bemerkung, dass er sich schriftlich darüber aussprechen werde. Das that die gewünschte Wirkung. Auf Lord Elgins amtliches Ersuchen wurde das Kuaṅ- faṅ unverzüglich aus Pe-kiṅ herbeigeschafft. Die Commissare baten nun den Botschafter schriftlich, dass Herr Lay, welcher durch seine Stellung als Zollinspector in chinesischen Diensten zum Vermittler besonders geeignet war, sie besuchen und mit seinem Rath unter- stützen dürfe; Lord Elgin aber konnte nur erwünscht sein, dass derselbe täglich mit ihnen conferirte. — Auch die Gesandten von Frankreich, Russland und America tauschten mit den chinesischen Commissaren ihre Vollmachten aus. Die Verhandlungen, welche von englischer Seite durch Lord Elgins Bruder, den Botschaftssecretär Honourable Frederick Bruce, Herrn Lay und Herrn Wade geführt wurden, waren schon im Gange, als eines Tages der alte Ki-yiṅ dem Botschafter seine Ankunft melden liess. Seit seiner Degradirung nach Hien-fuṅ’s Thron- besteigung scheint er kein hohes Amt mehr bekleidet und keine Beziehungen zum Kaiserhofe gehabt zu haben. Hien-fuṅ mochte ihn, wie ein abgelegtes Werkzeug, dessen man nicht schont, in ver- zweifelter Lage noch einmal benutzen wollen; er sandte ihn ohne Vollmacht und amtliche Stellung, nur mit dem Auftrage, bei den Verhandlungen die chinesischen Interessen zu wahren. Lord Elgin erstaunte sehr, den alten Freund von Davis und Pottinger, welcher mehr als irgend ein chinesischer Staatsmann das Vertrauen der Europäer genossen hatte, noch einmal auf der Bühne erscheinen zu sehen. Eine in Yi’s Archiven gefundene Denkschrift warf aber einen Schatten auf die Ehrlichkeit seiner Gesinnung, weshalb Lord Elgin seinen Besuch ablehnte und vorläufig die dolmetschenden Secretäre zu ihm schickte. Herr Wade und Herr Lay fanden einen fast erblindeten, hinfälligen Greis, der in Thränen ausbrach über die Lage von China und seine eigene Mission, welche ihm verderb- lich werden müsse. Herr Wade suchte ihn durch die Versicherung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/266>, abgerufen am 22.11.2024.