[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Lord Elgin in Shang-hae. mals war Kan-ton noch ruhig und die Regierung in Pe-kin unvor-bereitet. Jetzt stand ein starkes Tartarencorps bei der Hauptstadt; die Julihitze machte alle Operationen zu Lande für europäische Truppen bedenklich. Aus dem Süden kamen ernste Nachrichten beim Eintreffen des 59. Regimentes, bei dessen Abfahrt von Hong- kong noch keine Gefahr drohte. Bewaffnete Banden hatten Kan- ton angegriffen und wurden immer dreister, seitdem sie den Eng- ländern in den Bergen der Weissen Wolken mit Erfolg die Spitze geboten hatten. Man entdeckte einen Anschlag der als Volkswehr organisirten Schaaren, die englische Gemeinde auf Hong-kong zu überfallen, und verfügte keineswegs über hinreichende Truppen, um sich dagegen zu sichern. Hätte die früher so erbitterte Bevöl- kerung von Kan-ton die Feindseligkeiten begünstigt, so konnte die Garnison sich kaum halten; sie stand aber jetzt mit derselben auf dem besten Fusse, verrieth alle Banditen, die sich in die Stadt schlichen, und nahm an deren Verhaftung thätigen Antheil. Trotz- dem schien Kan-ton gefährdet. Wollte Lord Elgin nach Pe-kin gehen, so musste eine starke Garnison Tien-tsin halten; denn die Folgen waren unberechenbar. Die Umstände aber geboten alle ver- fügbaren Truppen nach dem Süden zu schicken. In Shang-hae erhielt Lord Elgin die Meldung, dass Kwei- Lord Elgin in Shang-hae. mals war Kan-ton noch ruhig und die Regierung in Pe-kiṅ unvor-bereitet. Jetzt stand ein starkes Tartarencorps bei der Hauptstadt; die Julihitze machte alle Operationen zu Lande für europäische Truppen bedenklich. Aus dem Süden kamen ernste Nachrichten beim Eintreffen des 59. Regimentes, bei dessen Abfahrt von Hong- kong noch keine Gefahr drohte. Bewaffnete Banden hatten Kan- ton angegriffen und wurden immer dreister, seitdem sie den Eng- ländern in den Bergen der Weissen Wolken mit Erfolg die Spitze geboten hatten. Man entdeckte einen Anschlag der als Volkswehr organisirten Schaaren, die englische Gemeinde auf Hong-kong zu überfallen, und verfügte keineswegs über hinreichende Truppen, um sich dagegen zu sichern. Hätte die früher so erbitterte Bevöl- kerung von Kan-ton die Feindseligkeiten begünstigt, so konnte die Garnison sich kaum halten; sie stand aber jetzt mit derselben auf dem besten Fusse, verrieth alle Banditen, die sich in die Stadt schlichen, und nahm an deren Verhaftung thätigen Antheil. Trotz- dem schien Kan-ton gefährdet. Wollte Lord Elgin nach Pe-kiṅ gehen, so musste eine starke Garnison Tien-tsin halten; denn die Folgen waren unberechenbar. Die Umstände aber geboten alle ver- fügbaren Truppen nach dem Süden zu schicken. In Shang-hae erhielt Lord Elgin die Meldung, dass Kwei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0275" n="253"/><fw place="top" type="header">Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> in <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi>.</fw><lb/> mals war <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi> noch ruhig und die Regierung in <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> unvor-<lb/> bereitet. Jetzt stand ein starkes Tartarencorps bei der Hauptstadt;<lb/> die Julihitze machte alle Operationen zu Lande für europäische<lb/> Truppen bedenklich. Aus dem Süden kamen ernste Nachrichten<lb/> beim Eintreffen des 59. Regimentes, bei dessen Abfahrt von <hi rendition="#k"><placeName>Hong-<lb/> kong</placeName></hi> noch keine Gefahr drohte. 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Lord Elgin in Shang-hae.
mals war Kan-ton noch ruhig und die Regierung in Pe-kiṅ unvor-
bereitet. Jetzt stand ein starkes Tartarencorps bei der Hauptstadt;
die Julihitze machte alle Operationen zu Lande für europäische
Truppen bedenklich. Aus dem Süden kamen ernste Nachrichten
beim Eintreffen des 59. Regimentes, bei dessen Abfahrt von Hong-
kong noch keine Gefahr drohte. Bewaffnete Banden hatten Kan-
ton angegriffen und wurden immer dreister, seitdem sie den Eng-
ländern in den Bergen der Weissen Wolken mit Erfolg die Spitze
geboten hatten. Man entdeckte einen Anschlag der als Volkswehr
organisirten Schaaren, die englische Gemeinde auf Hong-kong zu
überfallen, und verfügte keineswegs über hinreichende Truppen,
um sich dagegen zu sichern. Hätte die früher so erbitterte Bevöl-
kerung von Kan-ton die Feindseligkeiten begünstigt, so konnte die
Garnison sich kaum halten; sie stand aber jetzt mit derselben auf
dem besten Fusse, verrieth alle Banditen, die sich in die Stadt
schlichen, und nahm an deren Verhaftung thätigen Antheil. Trotz-
dem schien Kan-ton gefährdet. Wollte Lord Elgin nach Pe-kiṅ
gehen, so musste eine starke Garnison Tien-tsin halten; denn die
Folgen waren unberechenbar. Die Umstände aber geboten alle ver-
fügbaren Truppen nach dem Süden zu schicken.
In Shang-hae erhielt Lord Elgin die Meldung, dass Kwei-
liaṅ, Wa-šana und Ho-kwei-tsiṅ, General-Gouverneur der bei-
den Kiaṅ, angewiesen seien, die dem Vertrage beizufügenden Handels-
bestimmungen und den Zolltarif mit ihm auszuarbeiten. Da nun
jene erst in einigen Monaten dort eintreffen konnten, so be-
nutzte Lord Elgin die Zwischenzeit zur Reise nach Japan, wo er
den bekannten Vertrag schloss. Sein Bruder, Hon. Frederick
Bruce ging direct nach England weiter, um den Vertrag von Tien-
tsin zu überreichen. — Lord Elgin kehrte im September nach
Shang-hae zurück, wo die chinesischen Bevollmächtigten sich
Anfang October einstellten. Die Berichte aus Kan-ton lauteten
fortwährend bedenklich. Die Volkswehr setzte unter dem Schutz
der Provinzial-Behörden die Feindseligkeiten gegen die Fremden
fort, als ob kein Frieden geschlossen sei. Lord Elgin hatte in
Tifn-tsin die Ereignisse im Süden gegen die Commissare nur vor-
übergehend berührt, weil er wünschte, dass die englischen Truppen
selbst die Milizbanden züchtigen und zur Ruhe bringen möchten.
Da er aber in Shang-hae erfuhr, dass der Kriegsausschuss der
Mandarinen Luṅ, Lo und Su, welcher die patriotische Bewegung zu
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