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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Verhandlungen in Shang-hae.
heimischen Beamten, mit denen die ausländischen Kaufleute zum
Nachtheil der chinesischen Staatskassen vielfach conspirirten. --
Besonders entsittlichend wirkte der Schleichhandel mit Opium, der
eine regelmässige Einnahme-Quelle für die Unterbeamten der Zoll-
ämter bildete. Lord Elgin schlug daher Legalisirung des Opium-
handels unter hoher Eingangssteuer vor, welche jetzt bereitwillig
angenommen wurde. Dagegen sollte dieser Artikel an den allen
anderen für die Transitzölle gewährten Vortheilen nicht participiren.
Der Transport nach dem Inneren durch ausländische Kaufleute
konnte zu schlimmen Collisionen führen, und man fand nur gerecht,
dass die Regierung den Handel damit nach eigenem Ermessen be-
steuere. -- Erst nach Erledigung aller dieser Fragen traten die chi-
nesischen Commissare mit dem wirklichen Zweck ihrer Sendung
hervor.

Es musste schon auffallen, dass Männer von so hohem
Range mit Verhandlungen beauftragt wurden, welche, ohne poli-
tische Bedeutung, nur eingehende Kenntniss der Zoll- und Han-
delsverhältnisse forderten. Ferner befremdete die lange Verzöge-
rung ihres Erscheinens in Shang-hae. Offenbar sollte der Eintritt
des Winters abgewartet werden, der den Chinesen Zeit gab zu
Herstellung der neuen Werke am Pei-ho. Ein kaiserlicher Erlass
vom 25. Juli, nach welchem die in den Fluss eindringenden "Bar-
baren" sich auf Kwei-lian's gütige Weisung entfernt hätten, war
ein übles Zeichen; denn hier brach die Regierung innerhalb
eines Monats nach Abschluss des Vertrages eine Bestimmung des-
selben, nach welcher der Ausdruck Ei, Barbaren, für die Fremden
nicht mehr gebraucht werden durfte. Unter den Chinesen in
Shang-hae ging das Gerede, die Commissare kämen weit eher,
um Krieg als um Frieden zu machen; Positives erfuhren aber die
Engländer über die kaiserliche Politik und deren unterirdisches Ge-
triebe erst viel später. Den merkwürdigsten, wenn auch nicht
erschöpfenden und vollkommen sicheren Aufschluss darüber gab
der Bericht eines untergeordneten von Wan zum Spioniren nach
Shang-hae gesandten Mandarinen, von welchem Consul Parkes
sich eine Abschrift verschaffte. Danach hätte der Kaiser die Com-
missare bei der Abschiedsaudienz positiv bedeutet, dass alle sechsund-
funfzig Artikel des Friedensvertrages umgestossen werden müssten.
Der dritte Bevollmächtigte, General-Gouverneur Ho-kwei-tsin hätte
seine Collegen in Tsan-tsan empfangen und bei gemeinsamer Be-

Verhandlungen in Shang-hae.
heimischen Beamten, mit denen die ausländischen Kaufleute zum
Nachtheil der chinesischen Staatskassen vielfach conspirirten. —
Besonders entsittlichend wirkte der Schleichhandel mit Opium, der
eine regelmässige Einnahme-Quelle für die Unterbeamten der Zoll-
ämter bildete. Lord Elgin schlug daher Legalisirung des Opium-
handels unter hoher Eingangssteuer vor, welche jetzt bereitwillig
angenommen wurde. Dagegen sollte dieser Artikel an den allen
anderen für die Transitzölle gewährten Vortheilen nicht participiren.
Der Transport nach dem Inneren durch ausländische Kaufleute
konnte zu schlimmen Collisionen führen, und man fand nur gerecht,
dass die Regierung den Handel damit nach eigenem Ermessen be-
steuere. — Erst nach Erledigung aller dieser Fragen traten die chi-
nesischen Commissare mit dem wirklichen Zweck ihrer Sendung
hervor.

Es musste schon auffallen, dass Männer von so hohem
Range mit Verhandlungen beauftragt wurden, welche, ohne poli-
tische Bedeutung, nur eingehende Kenntniss der Zoll- und Han-
delsverhältnisse forderten. Ferner befremdete die lange Verzöge-
rung ihres Erscheinens in Shang-hae. Offenbar sollte der Eintritt
des Winters abgewartet werden, der den Chinesen Zeit gab zu
Herstellung der neuen Werke am Pei-ho. Ein kaiserlicher Erlass
vom 25. Juli, nach welchem die in den Fluss eindringenden »Bar-
baren« sich auf Kwei-liaṅ’s gütige Weisung entfernt hätten, war
ein übles Zeichen; denn hier brach die Regierung innerhalb
eines Monats nach Abschluss des Vertrages eine Bestimmung des-
selben, nach welcher der Ausdruck Ei, Barbaren, für die Fremden
nicht mehr gebraucht werden durfte. Unter den Chinesen in
Shang-hae ging das Gerede, die Commissare kämen weit eher,
um Krieg als um Frieden zu machen; Positives erfuhren aber die
Engländer über die kaiserliche Politik und deren unterirdisches Ge-
triebe erst viel später. Den merkwürdigsten, wenn auch nicht
erschöpfenden und vollkommen sicheren Aufschluss darüber gab
der Bericht eines untergeordneten von Waṅ zum Spioniren nach
Shang-hae gesandten Mandarinen, von welchem Consul Parkes
sich eine Abschrift verschaffte. Danach hätte der Kaiser die Com-
missare bei der Abschiedsaudienz positiv bedeutet, dass alle sechsund-
funfzig Artikel des Friedensvertrages umgestossen werden müssten.
Der dritte Bevollmächtigte, General-Gouverneur Ho-kwei-tsiṅ hätte
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[255/0277] Verhandlungen in Shang-hae. heimischen Beamten, mit denen die ausländischen Kaufleute zum Nachtheil der chinesischen Staatskassen vielfach conspirirten. — Besonders entsittlichend wirkte der Schleichhandel mit Opium, der eine regelmässige Einnahme-Quelle für die Unterbeamten der Zoll- ämter bildete. Lord Elgin schlug daher Legalisirung des Opium- handels unter hoher Eingangssteuer vor, welche jetzt bereitwillig angenommen wurde. Dagegen sollte dieser Artikel an den allen anderen für die Transitzölle gewährten Vortheilen nicht participiren. Der Transport nach dem Inneren durch ausländische Kaufleute konnte zu schlimmen Collisionen führen, und man fand nur gerecht, dass die Regierung den Handel damit nach eigenem Ermessen be- steuere. — Erst nach Erledigung aller dieser Fragen traten die chi- nesischen Commissare mit dem wirklichen Zweck ihrer Sendung hervor. Es musste schon auffallen, dass Männer von so hohem Range mit Verhandlungen beauftragt wurden, welche, ohne poli- tische Bedeutung, nur eingehende Kenntniss der Zoll- und Han- delsverhältnisse forderten. Ferner befremdete die lange Verzöge- rung ihres Erscheinens in Shang-hae. Offenbar sollte der Eintritt des Winters abgewartet werden, der den Chinesen Zeit gab zu Herstellung der neuen Werke am Pei-ho. Ein kaiserlicher Erlass vom 25. Juli, nach welchem die in den Fluss eindringenden »Bar- baren« sich auf Kwei-liaṅ’s gütige Weisung entfernt hätten, war ein übles Zeichen; denn hier brach die Regierung innerhalb eines Monats nach Abschluss des Vertrages eine Bestimmung des- selben, nach welcher der Ausdruck Ei, Barbaren, für die Fremden nicht mehr gebraucht werden durfte. Unter den Chinesen in Shang-hae ging das Gerede, die Commissare kämen weit eher, um Krieg als um Frieden zu machen; Positives erfuhren aber die Engländer über die kaiserliche Politik und deren unterirdisches Ge- triebe erst viel später. Den merkwürdigsten, wenn auch nicht erschöpfenden und vollkommen sicheren Aufschluss darüber gab der Bericht eines untergeordneten von Waṅ zum Spioniren nach Shang-hae gesandten Mandarinen, von welchem Consul Parkes sich eine Abschrift verschaffte. Danach hätte der Kaiser die Com- missare bei der Abschiedsaudienz positiv bedeutet, dass alle sechsund- funfzig Artikel des Friedensvertrages umgestossen werden müssten. Der dritte Bevollmächtigte, General-Gouverneur Ho-kwei-tsiṅ hätte seine Collegen in Tšaṅ-tšan empfangen und bei gemeinsamer Be-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/277>, abgerufen am 22.11.2024.