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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Ho-kwei-tsin's Vermittelungsversuche.
den Reihen der Occupationstruppen wurde ein Polizei-Corps zu
Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit organisirt.

Die Anträge des Tau-tae von Shang-hae auf militärischen
Beistand der Alliirten gegen die Su-tsau bedrohenden Rebellen im
Mai 1860 und die darauf folgenden Ereignisse übten keinen Einfluss
auf den Gang des Krieges. Anfang Juni kam der General-Gouver-
neur Ho-kwei-tsin, aus seiner Residenz vertrieben, nach Shang-
hae
, und ersuchte die Gesandten von England und Frankreich um
eine Zusammenkunft, welche am 9. Juni bei Herrn Bruce stattfand.
Sein Mitbevollmächtigter für den fremden Handel, Schatzmeister
und Provincial-Gouverneur Sie und der Tau-tae von Shang-hae Wu
waren dabei gegenwärtig. Ho dankte den Gesandten zunächst
für die Maassregeln zum Schutze der Stadt und bezeichnete als
Veranlassung seines Besuches zunächst den ausdrücklichen Auftrag,
die zwischen den Verbündeten und der kaiserlichen Regierung
schwebenden Differenzen auszugleichen; dann das Gesuch, dass die
Alliirten ihre Streitkräfte zu Pacificirung der Provinz brauchen
möchten, in welcher sie so erhebliche commercielle Interessen
hätten. Ohne nähere Erörterung des ersten Punctes ging er sofort
mit Eifer auf den zweiten über und machte die eindringlichsten
Vorstellungen. Herr Bruce antwortete im Laufe des Gespräches,
dass die zweite und alle Fragen von localer Bedeutung sich um die
erste drehten; das von Ho angerufene gute Einvernehmen der Ver-
bündeten mit der chinesischen Regierung bestehe nicht und könne
nur durch Erfüllung ihrer Forderungen hergestellt werden. Ho er-
klärte die Ta-ku-Affaire für ein Missverständniss, an welchem die
Verbündeten mitschuldig seien: sie hätten zur Ratification der Ver-
träge Kriegsschiffe mitgebracht und Kwei-lian's Ankunft nicht
abwarten wollen. Die Antwort des Staatsrathes auf das Ultimatum
habe wenig zu bedeuten, sei vielleicht nicht einmal vom Kaiser
sanctionirt. Wolle Herr Bruce die Unterhandlungen ihm und seinem
Collegen Sie anvertrauen, so könne Alles ausgeglichen werden; sie
seien jetzt ebenso dazu ermächtigt, wie früher Kwei-lian und
Wa-sana; Abschrift des betreffenden Decretes solle eingesandt
werden. Herr Bruce widerlegte Ho's Darstellung der Ta-ku-
Affaire und erklärte, auf weitere Unterhandlungen nicht eingehen
zu können, da er angewiesen sei, auf unbedingter Erfüllung der For-
derungen zu bestehen. Ho kam nochmals auf den eigentlichen
Zweck seines Besuches, Unterstützung gegen die Rebellen zurück,

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Ho-kwei-tsiṅ’s Vermittelungsversuche.
den Reihen der Occupationstruppen wurde ein Polizei-Corps zu
Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit organisirt.

Die Anträge des Tau-tae von Shang-hae auf militärischen
Beistand der Alliirten gegen die Su-tšau bedrohenden Rebellen im
Mai 1860 und die darauf folgenden Ereignisse übten keinen Einfluss
auf den Gang des Krieges. Anfang Juni kam der General-Gouver-
neur Ho-kwei-tsiṅ, aus seiner Residenz vertrieben, nach Shang-
hae
, und ersuchte die Gesandten von England und Frankreich um
eine Zusammenkunft, welche am 9. Juni bei Herrn Bruce stattfand.
Sein Mitbevollmächtigter für den fremden Handel, Schatzmeister
und Provincial-Gouverneur Sie und der Tau-tae von Shang-hae Wu
waren dabei gegenwärtig. Ho dankte den Gesandten zunächst
für die Maassregeln zum Schutze der Stadt und bezeichnete als
Veranlassung seines Besuches zunächst den ausdrücklichen Auftrag,
die zwischen den Verbündeten und der kaiserlichen Regierung
schwebenden Differenzen auszugleichen; dann das Gesuch, dass die
Alliirten ihre Streitkräfte zu Pacificirung der Provinz brauchen
möchten, in welcher sie so erhebliche commercielle Interessen
hätten. Ohne nähere Erörterung des ersten Punctes ging er sofort
mit Eifer auf den zweiten über und machte die eindringlichsten
Vorstellungen. Herr Bruce antwortete im Laufe des Gespräches,
dass die zweite und alle Fragen von localer Bedeutung sich um die
erste drehten; das von Ho angerufene gute Einvernehmen der Ver-
bündeten mit der chinesischen Regierung bestehe nicht und könne
nur durch Erfüllung ihrer Forderungen hergestellt werden. Ho er-
klärte die Ta-ku-Affaire für ein Missverständniss, an welchem die
Verbündeten mitschuldig seien: sie hätten zur Ratification der Ver-
träge Kriegsschiffe mitgebracht und Kwei-liaṅ’s Ankunft nicht
abwarten wollen. Die Antwort des Staatsrathes auf das Ultimatum
habe wenig zu bedeuten, sei vielleicht nicht einmal vom Kaiser
sanctionirt. Wolle Herr Bruce die Unterhandlungen ihm und seinem
Collegen Sie anvertrauen, so könne Alles ausgeglichen werden; sie
seien jetzt ebenso dazu ermächtigt, wie früher Kwei-liaṅ und
Wa-šana; Abschrift des betreffenden Decretes solle eingesandt
werden. Herr Bruce widerlegte Ho’s Darstellung der Ta-ku-
Affaire und erklärte, auf weitere Unterhandlungen nicht eingehen
zu können, da er angewiesen sei, auf unbedingter Erfüllung der For-
derungen zu bestehen. Ho kam nochmals auf den eigentlichen
Zweck seines Besuches, Unterstützung gegen die Rebellen zurück,

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[307/0329] Ho-kwei-tsiṅ’s Vermittelungsversuche. den Reihen der Occupationstruppen wurde ein Polizei-Corps zu Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit organisirt. Die Anträge des Tau-tae von Shang-hae auf militärischen Beistand der Alliirten gegen die Su-tšau bedrohenden Rebellen im Mai 1860 und die darauf folgenden Ereignisse übten keinen Einfluss auf den Gang des Krieges. Anfang Juni kam der General-Gouver- neur Ho-kwei-tsiṅ, aus seiner Residenz vertrieben, nach Shang- hae, und ersuchte die Gesandten von England und Frankreich um eine Zusammenkunft, welche am 9. Juni bei Herrn Bruce stattfand. Sein Mitbevollmächtigter für den fremden Handel, Schatzmeister und Provincial-Gouverneur Sie und der Tau-tae von Shang-hae Wu waren dabei gegenwärtig. Ho dankte den Gesandten zunächst für die Maassregeln zum Schutze der Stadt und bezeichnete als Veranlassung seines Besuches zunächst den ausdrücklichen Auftrag, die zwischen den Verbündeten und der kaiserlichen Regierung schwebenden Differenzen auszugleichen; dann das Gesuch, dass die Alliirten ihre Streitkräfte zu Pacificirung der Provinz brauchen möchten, in welcher sie so erhebliche commercielle Interessen hätten. Ohne nähere Erörterung des ersten Punctes ging er sofort mit Eifer auf den zweiten über und machte die eindringlichsten Vorstellungen. Herr Bruce antwortete im Laufe des Gespräches, dass die zweite und alle Fragen von localer Bedeutung sich um die erste drehten; das von Ho angerufene gute Einvernehmen der Ver- bündeten mit der chinesischen Regierung bestehe nicht und könne nur durch Erfüllung ihrer Forderungen hergestellt werden. Ho er- klärte die Ta-ku-Affaire für ein Missverständniss, an welchem die Verbündeten mitschuldig seien: sie hätten zur Ratification der Ver- träge Kriegsschiffe mitgebracht und Kwei-liaṅ’s Ankunft nicht abwarten wollen. Die Antwort des Staatsrathes auf das Ultimatum habe wenig zu bedeuten, sei vielleicht nicht einmal vom Kaiser sanctionirt. Wolle Herr Bruce die Unterhandlungen ihm und seinem Collegen Sie anvertrauen, so könne Alles ausgeglichen werden; sie seien jetzt ebenso dazu ermächtigt, wie früher Kwei-liaṅ und Wa-šana; Abschrift des betreffenden Decretes solle eingesandt werden. Herr Bruce widerlegte Ho’s Darstellung der Ta-ku- Affaire und erklärte, auf weitere Unterhandlungen nicht eingehen zu können, da er angewiesen sei, auf unbedingter Erfüllung der For- derungen zu bestehen. Ho kam nochmals auf den eigentlichen Zweck seines Besuches, Unterstützung gegen die Rebellen zurück, 20*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/329>, abgerufen am 21.11.2024.