Thore, die Franzosen die andere Seite bis zur südöstlichen Ecke der Tartarenstadt. Die Sieger brachten über die breiten Rampen ihre Feldgeschütze mit Leichtigkeit auf die Mauer und richteten sie auf die Stadt. Pe-kin lag zu ihren Füssen.
Am nächsten Tage wurden die letzten überlebenden Gefan- genen und die stark verwesten Leichen der Uebrigen ausgeliefert. Die lebenden litten an den furchtbarsten Wunden und verloren zum Theil den Gebrauch ihrer Glieder. Lord Elgin ahnte nicht diese Unmenschlichkeit, als er am 7. October seine letzten Forde- rungen stellte. Im Heer der Verbündeten gährte wilde Erbitterung; die Führer mussten bedacht sein auf einen Act exemplarischer Ver- geltung, der den intellectuellen Urheber der Misshandlungen mit besonderer Härte träfe. Auch sollte die Bevölkerung von Pe-kin erfahren, dass die Verbündeten wirklich Herren der Situation seien, damit nicht in gewohnter Weise die geübte Schonung als Schwäche und Ohnmacht gedeutet würde. In Pe-kin selbst öffentliche Ge- bäude zu zerstören, hinderte Lord Elgin sein gegebenes Wort. Die Zahlung einer grossen Summe Geldes hätte nur das Volk, nicht den Fürsten getroffen und wäre zudem eine unwürdige Sühne der verübten Verbrechen gewesen. Die Auslieferung der wirklichen Urheber war nicht zu hoffen; man hätte sie auch kaum zu strafen gewusst. Deshalb beschloss Lord Elgin die völlige Zerstörung der eigentlichen Residenz der Tsin-Dynastie, des Sommerpalastes, welche den Kaiser persönlich am härtesten treffen und auf die Be- völkerung von Pe-kin den tiefsten Eindruck machen musste. Baron Gros und General Montauban lehnten jede Theilnahme an dieser Maassregel ab.
Am 14. October hatte der Prinz von Kun eine Note an Lord Elgin gerichtet, in welcher er die Disciplin seines "Gefolges" -- er wollte nicht sagen der "Truppen" -- lobte, und meldete, dass Han-ki mit Verabredung der für Unterzeichnung der Convention u. s. w. zu treffenden Anstalten beauftragt sei. Lord Elgin ant- wortete in einem sehr ernsten Schreiben. In ungeschmückter Sprache hält er dem Prinzen den Verrath von Tun-tsau, die verbreche- rische Misshandlung der Gefangenen und seine falschen Berichte über deren Wohlergehen vor. Die Versprechen der Alliirten seien in der Voraussetzung gegeben, dass die Erklärungen des Prinzen auf Wahrheit beruhten, würden aber durch deren Grundlosigkeit null und nichtig. Der Prinz gebehrde sich, als sei der Frieden
Notenwechsel.
Thore, die Franzosen die andere Seite bis zur südöstlichen Ecke der Tartarenstadt. Die Sieger brachten über die breiten Rampen ihre Feldgeschütze mit Leichtigkeit auf die Mauer und richteten sie auf die Stadt. Pe-kiṅ lag zu ihren Füssen.
Am nächsten Tage wurden die letzten überlebenden Gefan- genen und die stark verwesten Leichen der Uebrigen ausgeliefert. Die lebenden litten an den furchtbarsten Wunden und verloren zum Theil den Gebrauch ihrer Glieder. Lord Elgin ahnte nicht diese Unmenschlichkeit, als er am 7. October seine letzten Forde- rungen stellte. Im Heer der Verbündeten gährte wilde Erbitterung; die Führer mussten bedacht sein auf einen Act exemplarischer Ver- geltung, der den intellectuellen Urheber der Misshandlungen mit besonderer Härte träfe. Auch sollte die Bevölkerung von Pe-kiṅ erfahren, dass die Verbündeten wirklich Herren der Situation seien, damit nicht in gewohnter Weise die geübte Schonung als Schwäche und Ohnmacht gedeutet würde. In Pe-kiṅ selbst öffentliche Ge- bäude zu zerstören, hinderte Lord Elgin sein gegebenes Wort. Die Zahlung einer grossen Summe Geldes hätte nur das Volk, nicht den Fürsten getroffen und wäre zudem eine unwürdige Sühne der verübten Verbrechen gewesen. Die Auslieferung der wirklichen Urheber war nicht zu hoffen; man hätte sie auch kaum zu strafen gewusst. Deshalb beschloss Lord Elgin die völlige Zerstörung der eigentlichen Residenz der Tsiṅ-Dynastie, des Sommerpalastes, welche den Kaiser persönlich am härtesten treffen und auf die Be- völkerung von Pe-kiṅ den tiefsten Eindruck machen musste. Baron Gros und General Montauban lehnten jede Theilnahme an dieser Maassregel ab.
Am 14. October hatte der Prinz von Kuṅ eine Note an Lord Elgin gerichtet, in welcher er die Disciplin seines »Gefolges« — er wollte nicht sagen der »Truppen« — lobte, und meldete, dass Haṅ-ki mit Verabredung der für Unterzeichnung der Convention u. s. w. zu treffenden Anstalten beauftragt sei. Lord Elgin ant- wortete in einem sehr ernsten Schreiben. In ungeschmückter Sprache hält er dem Prinzen den Verrath von Tuṅ-tšau, die verbreche- rische Misshandlung der Gefangenen und seine falschen Berichte über deren Wohlergehen vor. Die Versprechen der Alliirten seien in der Voraussetzung gegeben, dass die Erklärungen des Prinzen auf Wahrheit beruhten, würden aber durch deren Grundlosigkeit null und nichtig. Der Prinz gebehrde sich, als sei der Frieden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0387"n="365"/><fwplace="top"type="header">Notenwechsel.</fw><lb/>
Thore, die Franzosen die andere Seite bis zur südöstlichen Ecke<lb/>
der Tartarenstadt. Die Sieger brachten über die breiten Rampen<lb/>
ihre Feldgeschütze mit Leichtigkeit auf die Mauer und richteten sie<lb/>
auf die Stadt. <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> lag zu ihren Füssen.</p><lb/><p>Am nächsten Tage wurden die letzten überlebenden Gefan-<lb/>
genen und die stark verwesten Leichen der Uebrigen ausgeliefert.<lb/>
Die lebenden litten an den furchtbarsten Wunden und verloren<lb/>
zum Theil den Gebrauch ihrer Glieder. Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> ahnte nicht<lb/>
diese Unmenschlichkeit, als er am 7. October seine letzten Forde-<lb/>
rungen stellte. Im Heer der Verbündeten gährte wilde Erbitterung;<lb/>
die Führer mussten bedacht sein auf einen Act exemplarischer Ver-<lb/>
geltung, der den intellectuellen Urheber der Misshandlungen mit<lb/>
besonderer Härte träfe. Auch sollte die Bevölkerung von <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi><lb/>
erfahren, dass die Verbündeten wirklich Herren der Situation seien,<lb/>
damit nicht in gewohnter Weise die geübte Schonung als Schwäche<lb/>
und Ohnmacht gedeutet würde. In <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> selbst öffentliche Ge-<lb/>
bäude zu zerstören, hinderte Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> sein gegebenes Wort.<lb/>
Die Zahlung einer grossen Summe Geldes hätte nur das Volk, nicht<lb/>
den Fürsten getroffen und wäre zudem eine unwürdige Sühne der<lb/>
verübten Verbrechen gewesen. Die Auslieferung der wirklichen<lb/>
Urheber war nicht zu hoffen; man hätte sie auch kaum zu strafen<lb/>
gewusst. Deshalb beschloss Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> die völlige Zerstörung der<lb/>
eigentlichen Residenz der <hirendition="#k">Tsiṅ</hi>-Dynastie, des Sommerpalastes,<lb/>
welche den Kaiser persönlich am härtesten treffen und auf die Be-<lb/>
völkerung von <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> den tiefsten Eindruck machen musste. Baron<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/133121399">Gros</persName> und General <persNameref="http://d-nb.info/gnd/173255868">Montauban</persName> lehnten jede Theilnahme an dieser<lb/>
Maassregel ab.</p><lb/><p>Am 14. October hatte der Prinz von <hirendition="#k"><placeName>Kuṅ</placeName></hi> eine Note an<lb/>
Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> gerichtet, in welcher er die Disciplin seines »Gefolges«<lb/>— er wollte nicht sagen der »Truppen« — lobte, und meldete, dass<lb/><hirendition="#k"><persNameref="nognd">Haṅ-ki</persName></hi> mit Verabredung der für Unterzeichnung der Convention<lb/>
u. s. w. zu treffenden Anstalten beauftragt sei. Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> ant-<lb/>
wortete in einem sehr ernsten Schreiben. In ungeschmückter Sprache<lb/>
hält er dem Prinzen den Verrath von <hirendition="#k"><placeName>Tuṅ-tšau</placeName></hi>, die verbreche-<lb/>
rische Misshandlung der Gefangenen und seine falschen Berichte<lb/>
über deren Wohlergehen vor. Die Versprechen der Alliirten seien<lb/>
in der Voraussetzung gegeben, dass die Erklärungen des Prinzen<lb/>
auf Wahrheit beruhten, würden aber durch deren Grundlosigkeit<lb/>
null und nichtig. Der Prinz gebehrde sich, als sei der Frieden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[365/0387]
Notenwechsel.
Thore, die Franzosen die andere Seite bis zur südöstlichen Ecke
der Tartarenstadt. Die Sieger brachten über die breiten Rampen
ihre Feldgeschütze mit Leichtigkeit auf die Mauer und richteten sie
auf die Stadt. Pe-kiṅ lag zu ihren Füssen.
Am nächsten Tage wurden die letzten überlebenden Gefan-
genen und die stark verwesten Leichen der Uebrigen ausgeliefert.
Die lebenden litten an den furchtbarsten Wunden und verloren
zum Theil den Gebrauch ihrer Glieder. Lord Elgin ahnte nicht
diese Unmenschlichkeit, als er am 7. October seine letzten Forde-
rungen stellte. Im Heer der Verbündeten gährte wilde Erbitterung;
die Führer mussten bedacht sein auf einen Act exemplarischer Ver-
geltung, der den intellectuellen Urheber der Misshandlungen mit
besonderer Härte träfe. Auch sollte die Bevölkerung von Pe-kiṅ
erfahren, dass die Verbündeten wirklich Herren der Situation seien,
damit nicht in gewohnter Weise die geübte Schonung als Schwäche
und Ohnmacht gedeutet würde. In Pe-kiṅ selbst öffentliche Ge-
bäude zu zerstören, hinderte Lord Elgin sein gegebenes Wort.
Die Zahlung einer grossen Summe Geldes hätte nur das Volk, nicht
den Fürsten getroffen und wäre zudem eine unwürdige Sühne der
verübten Verbrechen gewesen. Die Auslieferung der wirklichen
Urheber war nicht zu hoffen; man hätte sie auch kaum zu strafen
gewusst. Deshalb beschloss Lord Elgin die völlige Zerstörung der
eigentlichen Residenz der Tsiṅ-Dynastie, des Sommerpalastes,
welche den Kaiser persönlich am härtesten treffen und auf die Be-
völkerung von Pe-kiṅ den tiefsten Eindruck machen musste. Baron
Gros und General Montauban lehnten jede Theilnahme an dieser
Maassregel ab.
Am 14. October hatte der Prinz von Kuṅ eine Note an
Lord Elgin gerichtet, in welcher er die Disciplin seines »Gefolges«
— er wollte nicht sagen der »Truppen« — lobte, und meldete, dass
Haṅ-ki mit Verabredung der für Unterzeichnung der Convention
u. s. w. zu treffenden Anstalten beauftragt sei. Lord Elgin ant-
wortete in einem sehr ernsten Schreiben. In ungeschmückter Sprache
hält er dem Prinzen den Verrath von Tuṅ-tšau, die verbreche-
rische Misshandlung der Gefangenen und seine falschen Berichte
über deren Wohlergehen vor. Die Versprechen der Alliirten seien
in der Voraussetzung gegeben, dass die Erklärungen des Prinzen
auf Wahrheit beruhten, würden aber durch deren Grundlosigkeit
null und nichtig. Der Prinz gebehrde sich, als sei der Frieden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/387>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.