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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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XIII. Militärisches Exercitium.
Wäre die chinesische Gesittung bei gesunder Kraft, sie stiesse diese
Schäden ab. Sie trug die Blüthen, deren sie fähig war, wird aber
vielleicht keine neuen treiben, sondern verdorren. Es wäre eine
dankbare Arbeit, den Mängeln und Lücken der chinesischen Cultur
und deren inneren Gründen nachzuspüren; dazu fehlen dem Ver-
fasser die Kenntnisse, Zeit und Gelegenheit. Die factischen Ergeb-
nisse aber drängen sich jedem Reisenden auf, und die Tiefe der
Zerrüttung weckt den Gedanken, dass es der Einimpfung neuer
Elemente, vielleicht unserer eigenen höheren Cultur bedarf, um die
chinesische wieder zu heben, der Auflösung ein Ziel zu setzen.

In Shang-hae hatten wir wenig Verkehr mit Mandarinen.
Seit Zerstörung von Su-tsau wohnte dort der Fu-tae oder Statt-
halter von Kian-su, Siue-tswan, ein Würdenträger mit dem rothen
Knopf ohne Abzeichen, welcher die höchste Rangstufe verleiht.
Die erste Berührung fand bei einem militärischen Exercitium statt,
das der Fu-tae für General de Montauban anordnete. Mit Diesem
begaben sich Graf Eulenburg und einige seiner Begleiter am 10.
April Nachmittags auf den eingefriedigten Exercirplatz innerhalb
der Stadt. Drei Kanonenschüsse begrüssten die Fremden. Durch
ein von Fahnenträgern gebildetes Spalier gelangten sie zu einem
langen, niedrigen Zelt, wo der Statthalter sie empfing. Der com-
mandirende chinesische Officier sprach knieend einige Worte zum
Fu-tae und gab darauf mit einer rothen Fahne das Signal. Zuerst
kam ein Vorbeimarsch in Sectionen; die beiden ersten bildeten
Krieger mit schweren Luntenflinten, die je zwei, der eine den Kol-
ben, der andere den Lauf auf den Schultern trugen. In den fol-
genden Sectionen -- zusammen höchstens 200 Mann -- führte jeder
Soldat eine gewöhnliche Luntenflinte Nun stellten sich die Leute
mit den schweren Flinten in Abständen von einigen Schritten vor
dem Zelte auf und gaben mit ziemlicher Präcision mehrmals Feuer; dabei
ruhte der Lauf auf der Schulter des vorderen Trägers. -- Dann
kamen die anderen Sectionen und führten ein regelmässiges, für die
schwerfällige Waffe ziemlich schnelles Tirailleur-Feuer mit Durch-
treten der Glieder aus. Nach Wiederholung dieses Exercitiums be-
waffnete sich die ganze Schaar mit buntbemalten Schilden und bil-
dete nach einigem Wirrwarr durch Neben- und Uebereinandertreten
eine Art Tableau, wie ein grosses Schild, das der folgenden Schau-
stellung als Hintergrund diente. Von zwei Einzelkämpfern trug der
eine Schwert und Schild, der andere eine lange Lanze oder zwei

XIII. Militärisches Exercitium.
Wäre die chinesische Gesittung bei gesunder Kraft, sie stiesse diese
Schäden ab. Sie trug die Blüthen, deren sie fähig war, wird aber
vielleicht keine neuen treiben, sondern verdorren. Es wäre eine
dankbare Arbeit, den Mängeln und Lücken der chinesischen Cultur
und deren inneren Gründen nachzuspüren; dazu fehlen dem Ver-
fasser die Kenntnisse, Zeit und Gelegenheit. Die factischen Ergeb-
nisse aber drängen sich jedem Reisenden auf, und die Tiefe der
Zerrüttung weckt den Gedanken, dass es der Einimpfung neuer
Elemente, vielleicht unserer eigenen höheren Cultur bedarf, um die
chinesische wieder zu heben, der Auflösung ein Ziel zu setzen.

In Shang-hae hatten wir wenig Verkehr mit Mandarinen.
Seit Zerstörung von Su-tšau wohnte dort der Fu-tae oder Statt-
halter von Kiaṅ-su, Siue-tšwaṅ, ein Würdenträger mit dem rothen
Knopf ohne Abzeichen, welcher die höchste Rangstufe verleiht.
Die erste Berührung fand bei einem militärischen Exercitium statt,
das der Fu-tae für General de Montauban anordnete. Mit Diesem
begaben sich Graf Eulenburg und einige seiner Begleiter am 10.
April Nachmittags auf den eingefriedigten Exercirplatz innerhalb
der Stadt. Drei Kanonenschüsse begrüssten die Fremden. Durch
ein von Fahnenträgern gebildetes Spalier gelangten sie zu einem
langen, niedrigen Zelt, wo der Statthalter sie empfing. Der com-
mandirende chinesische Officier sprach knieend einige Worte zum
Fu-tae und gab darauf mit einer rothen Fahne das Signal. Zuerst
kam ein Vorbeimarsch in Sectionen; die beiden ersten bildeten
Krieger mit schweren Luntenflinten, die je zwei, der eine den Kol-
ben, der andere den Lauf auf den Schultern trugen. In den fol-
genden Sectionen — zusammen höchstens 200 Mann — führte jeder
Soldat eine gewöhnliche Luntenflinte Nun stellten sich die Leute
mit den schweren Flinten in Abständen von einigen Schritten vor
dem Zelte auf und gaben mit ziemlicher Präcision mehrmals Feuer; dabei
ruhte der Lauf auf der Schulter des vorderen Trägers. — Dann
kamen die anderen Sectionen und führten ein regelmässiges, für die
schwerfällige Waffe ziemlich schnelles Tirailleur-Feuer mit Durch-
treten der Glieder aus. Nach Wiederholung dieses Exercitiums be-
waffnete sich die ganze Schaar mit buntbemalten Schilden und bil-
dete nach einigem Wirrwarr durch Neben- und Uebereinandertreten
eine Art Tableau, wie ein grosses Schild, das der folgenden Schau-
stellung als Hintergrund diente. Von zwei Einzelkämpfern trug der
eine Schwert und Schild, der andere eine lange Lanze oder zwei

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[389/0411] XIII. Militärisches Exercitium. Wäre die chinesische Gesittung bei gesunder Kraft, sie stiesse diese Schäden ab. Sie trug die Blüthen, deren sie fähig war, wird aber vielleicht keine neuen treiben, sondern verdorren. Es wäre eine dankbare Arbeit, den Mängeln und Lücken der chinesischen Cultur und deren inneren Gründen nachzuspüren; dazu fehlen dem Ver- fasser die Kenntnisse, Zeit und Gelegenheit. Die factischen Ergeb- nisse aber drängen sich jedem Reisenden auf, und die Tiefe der Zerrüttung weckt den Gedanken, dass es der Einimpfung neuer Elemente, vielleicht unserer eigenen höheren Cultur bedarf, um die chinesische wieder zu heben, der Auflösung ein Ziel zu setzen. In Shang-hae hatten wir wenig Verkehr mit Mandarinen. Seit Zerstörung von Su-tšau wohnte dort der Fu-tae oder Statt- halter von Kiaṅ-su, Siue-tšwaṅ, ein Würdenträger mit dem rothen Knopf ohne Abzeichen, welcher die höchste Rangstufe verleiht. Die erste Berührung fand bei einem militärischen Exercitium statt, das der Fu-tae für General de Montauban anordnete. Mit Diesem begaben sich Graf Eulenburg und einige seiner Begleiter am 10. April Nachmittags auf den eingefriedigten Exercirplatz innerhalb der Stadt. Drei Kanonenschüsse begrüssten die Fremden. Durch ein von Fahnenträgern gebildetes Spalier gelangten sie zu einem langen, niedrigen Zelt, wo der Statthalter sie empfing. Der com- mandirende chinesische Officier sprach knieend einige Worte zum Fu-tae und gab darauf mit einer rothen Fahne das Signal. Zuerst kam ein Vorbeimarsch in Sectionen; die beiden ersten bildeten Krieger mit schweren Luntenflinten, die je zwei, der eine den Kol- ben, der andere den Lauf auf den Schultern trugen. In den fol- genden Sectionen — zusammen höchstens 200 Mann — führte jeder Soldat eine gewöhnliche Luntenflinte Nun stellten sich die Leute mit den schweren Flinten in Abständen von einigen Schritten vor dem Zelte auf und gaben mit ziemlicher Präcision mehrmals Feuer; dabei ruhte der Lauf auf der Schulter des vorderen Trägers. — Dann kamen die anderen Sectionen und führten ein regelmässiges, für die schwerfällige Waffe ziemlich schnelles Tirailleur-Feuer mit Durch- treten der Glieder aus. Nach Wiederholung dieses Exercitiums be- waffnete sich die ganze Schaar mit buntbemalten Schilden und bil- dete nach einigem Wirrwarr durch Neben- und Uebereinandertreten eine Art Tableau, wie ein grosses Schild, das der folgenden Schau- stellung als Hintergrund diente. Von zwei Einzelkämpfern trug der eine Schwert und Schild, der andere eine lange Lanze oder zwei

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/411>, abgerufen am 21.11.2024.