fluchten und schrieen die Träger ohne Unterlass, denn als Diener des Vornehmen gefällt sich der Chinese in Grobheiten.
Siue-tswan und der Tau-tae von Shang-hae, -- ein Man- darin des rothen Knopfes mit dem Symbol des langen Lebens, also zweiter Rangstufe, -- empfingen den Gesandten und seine Be- gleiter am Eingang des Hauses und führten sie durch einen ärm- lichen Hof und prunklose Gänge in das Hauptgemacht, das nicht sehr geräumig, aber desto schmutziger war, eine vorn offene Halle mit rauchgeschwärzten Holzpfeilern; etwas geschnitztes Gitterwerk und Fetzen rother Seide mit goldgedruckten Sprüchen darauf sollten ihr ein Ansehn geben. Reinlich war nur die Kleidung der Manda- rinen: der mit Pelz gefütterte Rock und die Beinkleider von schwe- rer dunkelblauer Seide, seiden auch die Stiefel mit dicken Filz- sohlen; darüber trug der Tau-tae einen langen Kragen von feinem Lammfell. Von den kleidsamen Wintermützen, auf deren Spitze der Knopf, das Abzeichen des Ranges sitzt, hing bei beiden die Pfauenfeder, ein Zeichen der höchsten kaiserlichen Gunst über den Zopf hinab. Der Fu-tae hatte ein Vollmondsgesicht; der Kopf des Tau-tae war schmal und knochig, sein Wesen lebhaft und auf- geweckt. -- Im Grunde des Gemaches stand ein Holzkasten ohne Lehne, bezogen mit geblümtem Kattun, der beschmutzt und zer- rissen war. Hier nahm Siue-tswan zur Rechten des Gesandten Platz, vor ihnen auf einem Stuhle Herr Marques. Für die Attaches standen Stühle auf der rechten Seite, ihnen gegenüber setzte sich der Tau-tae.
Der Fu-tae fragte neugierig nach dem Lande Preussen, Po-lo-su, das er nicht kannte und mit Pi-li-si, Belgien, verwechselte, welches 1858 vergebens mit China in diplomatischen Verkehr zu treten suchte. Der Gesandte unterrichtete ihn von seiner Absicht, in Tien-tsin oder Pe-kin der kaiserlichen Regierung seine Anträge zu machen. Die beiden Würdenträger wussten von den Beschwer- den der Landreise dahin viel zu erzählen; zur See machten sie niemals den Weg. Der Mission des Gesandten schenkten sie wenig Aufmerksamkeit; doch äusserte der Fu-tae wie beiläufig, sie werde auf Schwierigkeiten stossen; denn die Verträge seien China's Un- glück und hätten nur Kriege verursacht. Die Unterredung durch den Dolmetscher ging etwas schwerfällig. -- Die unvermeidliche Collation war eben so reinlich und ungeniessbar wie die auf dem Exercirplatz: den Tisch bedeckte ein bunter Kattunlappen mit
Besuch beim Fu-tae. XIII.
fluchten und schrieen die Träger ohne Unterlass, denn als Diener des Vornehmen gefällt sich der Chinese in Grobheiten.
Siue-tšwaṅ und der Tau-tae von Shang-hae, — ein Man- darin des rothen Knopfes mit dem Symbol des langen Lebens, also zweiter Rangstufe, — empfingen den Gesandten und seine Be- gleiter am Eingang des Hauses und führten sie durch einen ärm- lichen Hof und prunklose Gänge in das Hauptgemacht, das nicht sehr geräumig, aber desto schmutziger war, eine vorn offene Halle mit rauchgeschwärzten Holzpfeilern; etwas geschnitztes Gitterwerk und Fetzen rother Seide mit goldgedruckten Sprüchen darauf sollten ihr ein Ansehn geben. Reinlich war nur die Kleidung der Manda- rinen: der mit Pelz gefütterte Rock und die Beinkleider von schwe- rer dunkelblauer Seide, seiden auch die Stiefel mit dicken Filz- sohlen; darüber trug der Tau-tae einen langen Kragen von feinem Lammfell. Von den kleidsamen Wintermützen, auf deren Spitze der Knopf, das Abzeichen des Ranges sitzt, hing bei beiden die Pfauenfeder, ein Zeichen der höchsten kaiserlichen Gunst über den Zopf hinab. Der Fu-tae hatte ein Vollmondsgesicht; der Kopf des Tau-tae war schmal und knochig, sein Wesen lebhaft und auf- geweckt. — Im Grunde des Gemaches stand ein Holzkasten ohne Lehne, bezogen mit geblümtem Kattun, der beschmutzt und zer- rissen war. Hier nahm Siue-tšwaṅ zur Rechten des Gesandten Platz, vor ihnen auf einem Stuhle Herr Marques. Für die Attachés standen Stühle auf der rechten Seite, ihnen gegenüber setzte sich der Tau-tae.
Der Fu-tae fragte neugierig nach dem Lande Preussen, Po-lo-su, das er nicht kannte und mit Pi-li-ši, Belgien, verwechselte, welches 1858 vergebens mit China in diplomatischen Verkehr zu treten suchte. Der Gesandte unterrichtete ihn von seiner Absicht, in Tien-tsin oder Pe-kiṅ der kaiserlichen Regierung seine Anträge zu machen. Die beiden Würdenträger wussten von den Beschwer- den der Landreise dahin viel zu erzählen; zur See machten sie niemals den Weg. Der Mission des Gesandten schenkten sie wenig Aufmerksamkeit; doch äusserte der Fu-tae wie beiläufig, sie werde auf Schwierigkeiten stossen; denn die Verträge seien China’s Un- glück und hätten nur Kriege verursacht. Die Unterredung durch den Dolmetscher ging etwas schwerfällig. — Die unvermeidliche Collation war eben so reinlich und ungeniessbar wie die auf dem Exercirplatz: den Tisch bedeckte ein bunter Kattunlappen mit
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Besuch beim Fu-tae. XIII.
fluchten und schrieen die Träger ohne Unterlass, denn als Diener
des Vornehmen gefällt sich der Chinese in Grobheiten.
Siue-tšwaṅ und der Tau-tae von Shang-hae, — ein Man-
darin des rothen Knopfes mit dem Symbol des langen Lebens,
also zweiter Rangstufe, — empfingen den Gesandten und seine Be-
gleiter am Eingang des Hauses und führten sie durch einen ärm-
lichen Hof und prunklose Gänge in das Hauptgemacht, das nicht
sehr geräumig, aber desto schmutziger war, eine vorn offene Halle
mit rauchgeschwärzten Holzpfeilern; etwas geschnitztes Gitterwerk
und Fetzen rother Seide mit goldgedruckten Sprüchen darauf sollten
ihr ein Ansehn geben. Reinlich war nur die Kleidung der Manda-
rinen: der mit Pelz gefütterte Rock und die Beinkleider von schwe-
rer dunkelblauer Seide, seiden auch die Stiefel mit dicken Filz-
sohlen; darüber trug der Tau-tae einen langen Kragen von feinem
Lammfell. Von den kleidsamen Wintermützen, auf deren Spitze
der Knopf, das Abzeichen des Ranges sitzt, hing bei beiden die
Pfauenfeder, ein Zeichen der höchsten kaiserlichen Gunst über den
Zopf hinab. Der Fu-tae hatte ein Vollmondsgesicht; der Kopf des
Tau-tae war schmal und knochig, sein Wesen lebhaft und auf-
geweckt. — Im Grunde des Gemaches stand ein Holzkasten ohne
Lehne, bezogen mit geblümtem Kattun, der beschmutzt und zer-
rissen war. Hier nahm Siue-tšwaṅ zur Rechten des Gesandten
Platz, vor ihnen auf einem Stuhle Herr Marques. Für die Attachés
standen Stühle auf der rechten Seite, ihnen gegenüber setzte sich
der Tau-tae.
Der Fu-tae fragte neugierig nach dem Lande Preussen,
Po-lo-su, das er nicht kannte und mit Pi-li-ši, Belgien, verwechselte,
welches 1858 vergebens mit China in diplomatischen Verkehr zu
treten suchte. Der Gesandte unterrichtete ihn von seiner Absicht,
in Tien-tsin oder Pe-kiṅ der kaiserlichen Regierung seine Anträge
zu machen. Die beiden Würdenträger wussten von den Beschwer-
den der Landreise dahin viel zu erzählen; zur See machten sie
niemals den Weg. Der Mission des Gesandten schenkten sie wenig
Aufmerksamkeit; doch äusserte der Fu-tae wie beiläufig, sie werde
auf Schwierigkeiten stossen; denn die Verträge seien China’s Un-
glück und hätten nur Kriege verursacht. Die Unterredung durch
den Dolmetscher ging etwas schwerfällig. — Die unvermeidliche
Collation war eben so reinlich und ungeniessbar wie die auf dem
Exercirplatz: den Tisch bedeckte ein bunter Kattunlappen mit
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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