Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

XIII. Operationen der Tae-pin.
aufs Korn und hielt die brennende Lunte auf die Pfanne, was dem
Gemeinten Zeit gab, sich zu ducken. Ebenso thaten die Tae-pin.
Lautes Schimpfen und höhnende Grimassen bildeten nach dem Be-
richt von Augenzeugen den wesentlichsten Theil dieser Gefechte.
Fragte man die Mandarinen, warum sie nicht kräftiger eingriffen,
so gaben sie zu verstehen, dass bei der herrschenden Ueber-
völkerung ein Aderlass ganz zweckmässig sei; dahinter versteckte
sich der gemeinste Stumpfsinn. Auch das Landvolk wäre, in Masse
aufstehend, der Rebellen Meister geworden, und die gewöhnliche
Ausrede, dass es die Heimsuchung als himmlische Strafe betrachte,
mochte kaum gelten. Ihm fehlte die Leitung. Ueberall, wo die
Tae-pin niedergeworfen wurden, erschlug sie das rachedürstende
Landvolk ohne Gnade.


Einige Wochen nach dem Feldzug gegen Shang-hae wurde
dessen Leiter, der Tsun-wan oder "Treue König", nach Nan-kin
berufen, wo sich im October die Hauptführer der Tae-pin zu Fest-
stellung der Pläne für den Winter versammelten. Alle Kräfte
sollten auf den Entsatz von Gan-kin, dem Schlüssel der Stellung
am Yan-tse gerichtet werden. Eine Armee unter dem Yin-wan
musste auf dem nördlichen Stromufer von Ton-tsin nach Wan-
tsau
, von da auf Han-kau marschiren; eine zweite unter dem Tu-
wan
sollte Ho-kin am Eingang des Po-yan-Sees angreifen und
von da auf dem Südufer stromaufwärts rücken; eine dritte Heer-
säule unter dem Si-wan marschirte vom Po-yan-See über Nan-
tsan
, die Hauptstadt von Kian-si, nach dem Han-kau gegenüber
auf dem Südufer des Stromes liegenden Wu-tsan. Die vierte Ar-
mee unter dem Tsun-wan hatte die Aufgabe, vom Süden des Po-
yan
-Sees
nach dem Tun-tin-See und von da stromabwärts nach
Han-yan zu ziehen, das nur der Han-Fluss von Han-kau trennt.
Im April oder März 1861 sollten die vier Armeen in der berühmten
Dreistadt zusammenstossen und von da gemeinschaftlich gegen die
Gan-kin belagernden Kaiserlichen operiren. -- Die in Su-tsau
stehenden Truppen wurden angewiesen, im Laufe des Winters Tsa-
pu
und Hai-yuen zu nehmen, während die Nien-fei, eine Rebellen-
macht, die sich nicht zu den Lehren der Tae-pin bekannte, unter
Umständen aber mit ihnen gemeinsam operirte, -- einen Raubzug

XIII. Operationen der Tae-piṅ.
aufs Korn und hielt die brennende Lunte auf die Pfanne, was dem
Gemeinten Zeit gab, sich zu ducken. Ebenso thaten die Tae-piṅ.
Lautes Schimpfen und höhnende Grimassen bildeten nach dem Be-
richt von Augenzeugen den wesentlichsten Theil dieser Gefechte.
Fragte man die Mandarinen, warum sie nicht kräftiger eingriffen,
so gaben sie zu verstehen, dass bei der herrschenden Ueber-
völkerung ein Aderlass ganz zweckmässig sei; dahinter versteckte
sich der gemeinste Stumpfsinn. Auch das Landvolk wäre, in Masse
aufstehend, der Rebellen Meister geworden, und die gewöhnliche
Ausrede, dass es die Heimsuchung als himmlische Strafe betrachte,
mochte kaum gelten. Ihm fehlte die Leitung. Ueberall, wo die
Tae-piṅ niedergeworfen wurden, erschlug sie das rachedürstende
Landvolk ohne Gnade.


Einige Wochen nach dem Feldzug gegen Shang-hae wurde
dessen Leiter, der Tšun-waṅ oder »Treue König«, nach Nan-kiṅ
berufen, wo sich im October die Hauptführer der Tae-piṅ zu Fest-
stellung der Pläne für den Winter versammelten. Alle Kräfte
sollten auf den Entsatz von Gan-kiṅ, dem Schlüssel der Stellung
am Yaṅ-tse gerichtet werden. Eine Armee unter dem Yiṅ-waṅ
musste auf dem nördlichen Stromufer von Toṅ-tšiṅ nach Waṅ-
tšau
, von da auf Han-kau marschiren; eine zweite unter dem Tu-
waṅ
sollte Ho-kin am Eingang des Po-yaṅ-Sees angreifen und
von da auf dem Südufer stromaufwärts rücken; eine dritte Heer-
säule unter dem Ši-waṅ marschirte vom Po-yaṅ-See über Nan-
tšaṅ
, die Hauptstadt von Kiaṅ-si, nach dem Han-kau gegenüber
auf dem Südufer des Stromes liegenden Wu-tšaṅ. Die vierte Ar-
mee unter dem Tšun-waṅ hatte die Aufgabe, vom Süden des Po-
yaṅ
-Sees
nach dem Tuṅ-tiṅ-See und von da stromabwärts nach
Han-yaṅ zu ziehen, das nur der Han-Fluss von Han-kau trennt.
Im April oder März 1861 sollten die vier Armeen in der berühmten
Dreistadt zusammenstossen und von da gemeinschaftlich gegen die
Gan-kiṅ belagernden Kaiserlichen operiren. — Die in Su-tšau
stehenden Truppen wurden angewiesen, im Laufe des Winters Tša-
pu
und Hai-yuen zu nehmen, während die Nien-fei, eine Rebellen-
macht, die sich nicht zu den Lehren der Tae-piṅ bekannte, unter
Umständen aber mit ihnen gemeinsam operirte, — einen Raubzug

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0421" n="399"/><fw place="top" type="header">XIII. Operationen der <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi>.</fw><lb/>
aufs Korn und hielt die brennende Lunte auf die Pfanne, was dem<lb/>
Gemeinten Zeit gab, sich zu ducken. Ebenso thaten die <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi>.<lb/>
Lautes Schimpfen und höhnende Grimassen bildeten nach dem Be-<lb/>
richt von Augenzeugen den wesentlichsten Theil dieser Gefechte.<lb/>
Fragte man die Mandarinen, warum sie nicht kräftiger eingriffen,<lb/>
so gaben sie zu verstehen, dass bei der herrschenden Ueber-<lb/>
völkerung ein Aderlass ganz zweckmässig sei; dahinter versteckte<lb/>
sich der gemeinste Stumpfsinn. Auch das Landvolk wäre, in Masse<lb/>
aufstehend, der Rebellen Meister geworden, und die gewöhnliche<lb/>
Ausrede, dass es die Heimsuchung als himmlische Strafe betrachte,<lb/>
mochte kaum gelten. Ihm fehlte die Leitung. Ueberall, wo die<lb/><hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> niedergeworfen wurden, erschlug sie das rachedürstende<lb/>
Landvolk ohne Gnade.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Einige Wochen nach dem Feldzug gegen <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> wurde<lb/>
dessen Leiter, der <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119035375">T&#x0161;un-wan&#x0307;</persName></hi> oder »Treue König«, nach <hi rendition="#k"><placeName>Nan-kin&#x0307;</placeName></hi><lb/>
berufen, wo sich im October die Hauptführer der <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> zu Fest-<lb/>
stellung der Pläne für den Winter versammelten. Alle Kräfte<lb/>
sollten auf den Entsatz von <hi rendition="#k"><placeName>Gan-kin&#x0307;</placeName></hi>, dem Schlüssel der Stellung<lb/>
am <hi rendition="#k"><placeName>Yan&#x0307;-tse</placeName></hi> gerichtet werden. Eine Armee unter dem <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n82109890">Yin&#x0307;-wan&#x0307;</persName></hi><lb/>
musste auf dem nördlichen Stromufer von <hi rendition="#k"><placeName>Ton&#x0307;-t&#x0161;in&#x0307;</placeName></hi> nach <hi rendition="#k"><placeName>Wan&#x0307;-<lb/>
t&#x0161;au</placeName></hi>, von da auf <hi rendition="#k"><placeName>Han-kau</placeName></hi> marschiren; eine zweite unter dem <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Tu-<lb/>
wan&#x0307;</persName></hi> sollte <hi rendition="#k"><placeName>Ho-kin</placeName></hi> am Eingang des <placeName><hi rendition="#k">Po-yan&#x0307;</hi>-Sees</placeName> angreifen und<lb/>
von da auf dem Südufer stromaufwärts rücken; eine dritte Heer-<lb/>
säule unter dem <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">&#x0160;i-wan&#x0307;</persName></hi> marschirte vom <placeName><hi rendition="#k">Po-yan&#x0307;</hi>-See</placeName> über <hi rendition="#k"><placeName>Nan-<lb/>
t&#x0161;an&#x0307;</placeName></hi>, die Hauptstadt von <hi rendition="#k"><placeName>Kian&#x0307;-si</placeName></hi>, nach dem <hi rendition="#k"><placeName>Han-kau</placeName></hi> gegenüber<lb/>
auf dem Südufer des Stromes liegenden <hi rendition="#k"><placeName>Wu-t&#x0161;an&#x0307;</placeName></hi>. Die vierte Ar-<lb/>
mee unter dem <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119035375">T&#x0161;un-wan&#x0307;</persName></hi> hatte die Aufgabe, vom Süden des <placeName><hi rendition="#k">Po-<lb/>
yan&#x0307;</hi>-Sees</placeName> nach dem <placeName><hi rendition="#k">Tun&#x0307;-tin&#x0307;</hi>-See</placeName> und von da stromabwärts nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Han-yan&#x0307;</placeName></hi> zu ziehen, das nur der <placeName><hi rendition="#k">Han</hi>-Fluss</placeName> von <hi rendition="#k"><placeName>Han-kau</placeName></hi> trennt.<lb/>
Im April oder März 1861 sollten die vier Armeen in der berühmten<lb/><placeName>Dreistadt</placeName> zusammenstossen und von da gemeinschaftlich gegen die<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Gan-kin&#x0307;</placeName></hi> belagernden Kaiserlichen operiren. &#x2014; Die in <hi rendition="#k"><placeName>Su-t&#x0161;au</placeName></hi><lb/>
stehenden Truppen wurden angewiesen, im Laufe des Winters <hi rendition="#k"><placeName>T&#x0161;a-<lb/>
pu</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Hai-yuen</placeName></hi> zu nehmen, während die <hi rendition="#k">Nien-fei</hi>, eine Rebellen-<lb/>
macht, die sich nicht zu den Lehren der <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> bekannte, unter<lb/>
Umständen aber mit ihnen gemeinsam operirte, &#x2014; einen Raubzug<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0421] XIII. Operationen der Tae-piṅ. aufs Korn und hielt die brennende Lunte auf die Pfanne, was dem Gemeinten Zeit gab, sich zu ducken. Ebenso thaten die Tae-piṅ. Lautes Schimpfen und höhnende Grimassen bildeten nach dem Be- richt von Augenzeugen den wesentlichsten Theil dieser Gefechte. Fragte man die Mandarinen, warum sie nicht kräftiger eingriffen, so gaben sie zu verstehen, dass bei der herrschenden Ueber- völkerung ein Aderlass ganz zweckmässig sei; dahinter versteckte sich der gemeinste Stumpfsinn. Auch das Landvolk wäre, in Masse aufstehend, der Rebellen Meister geworden, und die gewöhnliche Ausrede, dass es die Heimsuchung als himmlische Strafe betrachte, mochte kaum gelten. Ihm fehlte die Leitung. Ueberall, wo die Tae-piṅ niedergeworfen wurden, erschlug sie das rachedürstende Landvolk ohne Gnade. Einige Wochen nach dem Feldzug gegen Shang-hae wurde dessen Leiter, der Tšun-waṅ oder »Treue König«, nach Nan-kiṅ berufen, wo sich im October die Hauptführer der Tae-piṅ zu Fest- stellung der Pläne für den Winter versammelten. Alle Kräfte sollten auf den Entsatz von Gan-kiṅ, dem Schlüssel der Stellung am Yaṅ-tse gerichtet werden. Eine Armee unter dem Yiṅ-waṅ musste auf dem nördlichen Stromufer von Toṅ-tšiṅ nach Waṅ- tšau, von da auf Han-kau marschiren; eine zweite unter dem Tu- waṅ sollte Ho-kin am Eingang des Po-yaṅ-Sees angreifen und von da auf dem Südufer stromaufwärts rücken; eine dritte Heer- säule unter dem Ši-waṅ marschirte vom Po-yaṅ-See über Nan- tšaṅ, die Hauptstadt von Kiaṅ-si, nach dem Han-kau gegenüber auf dem Südufer des Stromes liegenden Wu-tšaṅ. Die vierte Ar- mee unter dem Tšun-waṅ hatte die Aufgabe, vom Süden des Po- yaṅ-Sees nach dem Tuṅ-tiṅ-See und von da stromabwärts nach Han-yaṅ zu ziehen, das nur der Han-Fluss von Han-kau trennt. Im April oder März 1861 sollten die vier Armeen in der berühmten Dreistadt zusammenstossen und von da gemeinschaftlich gegen die Gan-kiṅ belagernden Kaiserlichen operiren. — Die in Su-tšau stehenden Truppen wurden angewiesen, im Laufe des Winters Tša- pu und Hai-yuen zu nehmen, während die Nien-fei, eine Rebellen- macht, die sich nicht zu den Lehren der Tae-piṅ bekannte, unter Umständen aber mit ihnen gemeinsam operirte, — einen Raubzug

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/421
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/421>, abgerufen am 21.11.2024.