theilhafte Entwickelung auf friedlichem Wege anbahnen; die eng- lische Regierung war damals fest entschlossen, in China keinen neuen Krieg zu führen. Auch ist nicht zu leugnen, dass die von ihnen genannten Schwierigkeiten wirklich bestanden und in Shang- hae weit unterschätzt wurden. Doch musste unzweifelhaft der Moment benutzt werden; niemand konnte damals wissen, ob der Prinz von Kun und seine Anhänger sich im Amte balten oder ihren reactionären Gegnern unterliegen würden; dann war jede Verstän- digung unmöglich.
Wie wichtig die Nähe der Hauptstadt war, zeigte schon die Schwierigkeit, das Schreiben des Gesandten an den Prinzen von Kun zu übermitteln. Herr von Brandt wünschte dasselbe in Pe-kin zu überreichen. Dagegen wurde mit Recht eingewendet, dass nur die Legationen der Vertragsmächte zum Eintritt in die Hauptstadt berechtigt seien, dass seine Reise dahin den Chinesen gesetzwidrig erscheinen und das Gelingen des Unternehmens von vornherein gefährden möchte. Zudem hätte Herr von Brandt in Pe-kin niemand gefunden, der ihm Zutritt zu den chinesischen Würdenträgern verschaffte. Die englische und die französische Le- gation wohnten noch in Tien-tsin. Die russische Gesandtschaft hatte Pe-kin im Herbst 1860 verlassen; nur russisch redende Geistliche wohnten in den Missionen. -- Man rieth Herrn von Brandt, das Schreiben dem Ober-Intendanten der freigegebenen Häfen nörd- lich von Cap San-tun, Tsun-hau, einem Mandarinen der zweiten Rangstufe zu übergeben, dem höchsten Beamten, der in Tien-tsin wohnte. Zu ihm verfügte sich der Attache am 17. März mit dem Dolmetscher der englichen Gesandtschaft, Herrn Gibson, welchem die Güte des Herrn Bruce diese Dienstleistung erlaubt hatte.
Nach der ersten Begrüssung und Beantwortung der Fragen nach seinem Namen, seinem Vaterlande und seiner Stellung er- klärte Herr von Brandt, Tsun-hau ein Schreiben des preussischen Gesandten an den Prinzen von Kun einhändigen und um Beför- derung desselben nach Pe-kin ersuchen zu wollen. Der Mandarin erwiederte, dass er dasselbe nur mit Erlaubniss des Prinzen ent- gegennehmen dürfe; könne Herr von Brandt ihm aber den Inhalt mittheilen und erstrecke sich dieser auf nichts ungewöhnliches, -- etwa auf wissenschaftliche Forschungen und Reisen im Innern des Landes, -- so könne das Schreiben ohne weiteres angenommen und befördert werden. Um nutzlose Erörterungen abzuschneiden
Vorbereitungen in Tien-tsin. XIII.
theilhafte Entwickelung auf friedlichem Wege anbahnen; die eng- lische Regierung war damals fest entschlossen, in China keinen neuen Krieg zu führen. Auch ist nicht zu leugnen, dass die von ihnen genannten Schwierigkeiten wirklich bestanden und in Shang- hae weit unterschätzt wurden. Doch musste unzweifelhaft der Moment benutzt werden; niemand konnte damals wissen, ob der Prinz von Kuṅ und seine Anhänger sich im Amte balten oder ihren reactionären Gegnern unterliegen würden; dann war jede Verstän- digung unmöglich.
Wie wichtig die Nähe der Hauptstadt war, zeigte schon die Schwierigkeit, das Schreiben des Gesandten an den Prinzen von Kuṅ zu übermitteln. Herr von Brandt wünschte dasselbe in Pe-kiṅ zu überreichen. Dagegen wurde mit Recht eingewendet, dass nur die Legationen der Vertragsmächte zum Eintritt in die Hauptstadt berechtigt seien, dass seine Reise dahin den Chinesen gesetzwidrig erscheinen und das Gelingen des Unternehmens von vornherein gefährden möchte. Zudem hätte Herr von Brandt in Pe-kiṅ niemand gefunden, der ihm Zutritt zu den chinesischen Würdenträgern verschaffte. Die englische und die französische Le- gation wohnten noch in Tien-tsin. Die russische Gesandtschaft hatte Pe-kiṅ im Herbst 1860 verlassen; nur russisch redende Geistliche wohnten in den Missionen. — Man rieth Herrn von Brandt, das Schreiben dem Ober-Intendanten der freigegebenen Häfen nörd- lich von Cap Šan-tuṅ, Tsuṅ-hau, einem Mandarinen der zweiten Rangstufe zu übergeben, dem höchsten Beamten, der in Tien-tsin wohnte. Zu ihm verfügte sich der Attaché am 17. März mit dem Dolmetscher der englichen Gesandtschaft, Herrn Gibson, welchem die Güte des Herrn Bruce diese Dienstleistung erlaubt hatte.
Nach der ersten Begrüssung und Beantwortung der Fragen nach seinem Namen, seinem Vaterlande und seiner Stellung er- klärte Herr von Brandt, Tsuṅ-hau ein Schreiben des preussischen Gesandten an den Prinzen von Kuṅ einhändigen und um Beför- derung desselben nach Pe-kiṅ ersuchen zu wollen. Der Mandarin erwiederte, dass er dasselbe nur mit Erlaubniss des Prinzen ent- gegennehmen dürfe; könne Herr von Brandt ihm aber den Inhalt mittheilen und erstrecke sich dieser auf nichts ungewöhnliches, — etwa auf wissenschaftliche Forschungen und Reisen im Innern des Landes, — so könne das Schreiben ohne weiteres angenommen und befördert werden. Um nutzlose Erörterungen abzuschneiden
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Vorbereitungen in Tien-tsin. XIII.
theilhafte Entwickelung auf friedlichem Wege anbahnen; die eng-
lische Regierung war damals fest entschlossen, in China keinen
neuen Krieg zu führen. Auch ist nicht zu leugnen, dass die von
ihnen genannten Schwierigkeiten wirklich bestanden und in Shang-
hae weit unterschätzt wurden. Doch musste unzweifelhaft der
Moment benutzt werden; niemand konnte damals wissen, ob der
Prinz von Kuṅ und seine Anhänger sich im Amte balten oder ihren
reactionären Gegnern unterliegen würden; dann war jede Verstän-
digung unmöglich.
Wie wichtig die Nähe der Hauptstadt war, zeigte schon
die Schwierigkeit, das Schreiben des Gesandten an den Prinzen
von Kuṅ zu übermitteln. Herr von Brandt wünschte dasselbe in
Pe-kiṅ zu überreichen. Dagegen wurde mit Recht eingewendet,
dass nur die Legationen der Vertragsmächte zum Eintritt in die
Hauptstadt berechtigt seien, dass seine Reise dahin den Chinesen
gesetzwidrig erscheinen und das Gelingen des Unternehmens von
vornherein gefährden möchte. Zudem hätte Herr von Brandt in
Pe-kiṅ niemand gefunden, der ihm Zutritt zu den chinesischen
Würdenträgern verschaffte. Die englische und die französische Le-
gation wohnten noch in Tien-tsin. Die russische Gesandtschaft
hatte Pe-kiṅ im Herbst 1860 verlassen; nur russisch redende
Geistliche wohnten in den Missionen. — Man rieth Herrn von Brandt,
das Schreiben dem Ober-Intendanten der freigegebenen Häfen nörd-
lich von Cap Šan-tuṅ, Tsuṅ-hau, einem Mandarinen der zweiten
Rangstufe zu übergeben, dem höchsten Beamten, der in Tien-tsin
wohnte. Zu ihm verfügte sich der Attaché am 17. März mit dem
Dolmetscher der englichen Gesandtschaft, Herrn Gibson, welchem
die Güte des Herrn Bruce diese Dienstleistung erlaubt hatte.
Nach der ersten Begrüssung und Beantwortung der Fragen
nach seinem Namen, seinem Vaterlande und seiner Stellung er-
klärte Herr von Brandt, Tsuṅ-hau ein Schreiben des preussischen
Gesandten an den Prinzen von Kuṅ einhändigen und um Beför-
derung desselben nach Pe-kiṅ ersuchen zu wollen. Der Mandarin
erwiederte, dass er dasselbe nur mit Erlaubniss des Prinzen ent-
gegennehmen dürfe; könne Herr von Brandt ihm aber den Inhalt
mittheilen und erstrecke sich dieser auf nichts ungewöhnliches,
— etwa auf wissenschaftliche Forschungen und Reisen im Innern
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/446>, abgerufen am 16.07.2024.
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