der Lebensmittel erlaubten. -- Die Wegnahme ihres Silberschiffes veranlasste die spanische Regierung, Kriegsschiffe vor den Kan-ton- Fluss zu legen, wodurch dem Handel der Engländer in den folgen- den Jahren viel Abbruch geschah. Ein Versuch, mit A-moi in Ver- kehr zu treten, scheiterte abermals an den maasslosen Forderungen der dortigen Beamten.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erneuten die Fremden in Kan-ton ihre Bemühungen, den Unbilden ein Ziel zu setzen. Hauptpunkte ihrer Beschwerde waren damals folgende: Die will- kürlich verzögerte Ausladung der Schiffe; Diebstähle an den auf- gestapelten Waaren; Verunglimpfung der Fremden durch periodisch erneute öffentliche Anschläge, worin sie der schändlichsten Ver- brechen geziehen und der Verachtung des Volkes preisgegeben wurden; Erpressungen der Unterbeamten unter falschen Vorwänden, und die Verweigerung des Zutritts zu den höheren Beamten. Wahrscheinlich hätten die Fremden durch feste Haltung und Ein- müthigkeit Abhülfe erlangt, denn die Chinesen zogen aus dem Handel zu grossen Gewinn, um nicht jede mögliche Forderung zu 1754.gewähren. Das 1754 versuchte Mittel musste, consequent an- gewendet, unfehlbar wirken; die ankommenden Schiffe blieben näm- lich vor der Flussmündung, bis der Vicekönig versprochen hatte, jene Beschwerden in Erwägung zu ziehen. Aber man gab zu schnell nach und es blieb bei dem leeren Versprechen. -- Gewiss war es schwierig, die kleine, aus den verschiedensten Elementen bestehende, durch keine Stammverwandtschaft, Gesetze oder Auto- rität verbundene Gemeinde in Kan-ton zu einmüthigem Handeln zu vermögen. Die niedrige Gesinnung, Eifersucht und Schwäche Ein- zelner musste jedes energische Auftreten der Gemeinschaft hemmen. Die Portugiesen wussten geschickt zu intriguiren, und sobald auch nur ein einziges Supercargo sich unzeitig den Forderungen der Chinesen fügte, so gaben diese sicher nicht nach. Die Vorsteher der Factoreien hatten wohl Autorität über ihre Unterbeamten und die ihnen zugewiesenen Schiffe, nicht aber über die anderen, welche keiner Handelsgesellschaft gehörten. Praktisch scheint auch die im Jahre 1699 den englischen Handelsvorstehern verliehene con- sularische Amtsgewalt niemals ausgeübt worden zu sein; im Gegen- theil geht aus besonderen Fällen deutlich hervor, dass die Vor- steher keine Autorität über die der ostindischen Compagnie nicht gehörenden "country-ships" hatten. Unter sich waren die Handels-
Schwierigkeiten des Handels in Kan-ton.
der Lebensmittel erlaubten. — Die Wegnahme ihres Silberschiffes veranlasste die spanische Regierung, Kriegsschiffe vor den Kan-ton- Fluss zu legen, wodurch dem Handel der Engländer in den folgen- den Jahren viel Abbruch geschah. Ein Versuch, mit A-moi in Ver- kehr zu treten, scheiterte abermals an den maasslosen Forderungen der dortigen Beamten.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erneuten die Fremden in Kan-ton ihre Bemühungen, den Unbilden ein Ziel zu setzen. Hauptpunkte ihrer Beschwerde waren damals folgende: Die will- kürlich verzögerte Ausladung der Schiffe; Diebstähle an den auf- gestapelten Waaren; Verunglimpfung der Fremden durch periodisch erneute öffentliche Anschläge, worin sie der schändlichsten Ver- brechen geziehen und der Verachtung des Volkes preisgegeben wurden; Erpressungen der Unterbeamten unter falschen Vorwänden, und die Verweigerung des Zutritts zu den höheren Beamten. Wahrscheinlich hätten die Fremden durch feste Haltung und Ein- müthigkeit Abhülfe erlangt, denn die Chinesen zogen aus dem Handel zu grossen Gewinn, um nicht jede mögliche Forderung zu 1754.gewähren. Das 1754 versuchte Mittel musste, consequent an- gewendet, unfehlbar wirken; die ankommenden Schiffe blieben näm- lich vor der Flussmündung, bis der Vicekönig versprochen hatte, jene Beschwerden in Erwägung zu ziehen. Aber man gab zu schnell nach und es blieb bei dem leeren Versprechen. — Gewiss war es schwierig, die kleine, aus den verschiedensten Elementen bestehende, durch keine Stammverwandtschaft, Gesetze oder Auto- rität verbundene Gemeinde in Kan-ton zu einmüthigem Handeln zu vermögen. Die niedrige Gesinnung, Eifersucht und Schwäche Ein- zelner musste jedes energische Auftreten der Gemeinschaft hemmen. Die Portugiesen wussten geschickt zu intriguiren, und sobald auch nur ein einziges Supercargo sich unzeitig den Forderungen der Chinesen fügte, so gaben diese sicher nicht nach. Die Vorsteher der Factoreien hatten wohl Autorität über ihre Unterbeamten und die ihnen zugewiesenen Schiffe, nicht aber über die anderen, welche keiner Handelsgesellschaft gehörten. Praktisch scheint auch die im Jahre 1699 den englischen Handelsvorstehern verliehene con- sularische Amtsgewalt niemals ausgeübt worden zu sein; im Gegen- theil geht aus besonderen Fällen deutlich hervor, dass die Vor- steher keine Autorität über die der ostindischen Compagnie nicht gehörenden »country-ships« hatten. Unter sich waren die Handels-
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Schwierigkeiten des Handels in Kan-ton.
der Lebensmittel erlaubten. — Die Wegnahme ihres Silberschiffes
veranlasste die spanische Regierung, Kriegsschiffe vor den Kan-ton-
Fluss zu legen, wodurch dem Handel der Engländer in den folgen-
den Jahren viel Abbruch geschah. Ein Versuch, mit A-moi in Ver-
kehr zu treten, scheiterte abermals an den maasslosen Forderungen
der dortigen Beamten.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erneuten die Fremden
in Kan-ton ihre Bemühungen, den Unbilden ein Ziel zu setzen.
Hauptpunkte ihrer Beschwerde waren damals folgende: Die will-
kürlich verzögerte Ausladung der Schiffe; Diebstähle an den auf-
gestapelten Waaren; Verunglimpfung der Fremden durch periodisch
erneute öffentliche Anschläge, worin sie der schändlichsten Ver-
brechen geziehen und der Verachtung des Volkes preisgegeben
wurden; Erpressungen der Unterbeamten unter falschen Vorwänden,
und die Verweigerung des Zutritts zu den höheren Beamten.
Wahrscheinlich hätten die Fremden durch feste Haltung und Ein-
müthigkeit Abhülfe erlangt, denn die Chinesen zogen aus dem
Handel zu grossen Gewinn, um nicht jede mögliche Forderung zu
gewähren. Das 1754 versuchte Mittel musste, consequent an-
gewendet, unfehlbar wirken; die ankommenden Schiffe blieben näm-
lich vor der Flussmündung, bis der Vicekönig versprochen hatte,
jene Beschwerden in Erwägung zu ziehen. Aber man gab zu
schnell nach und es blieb bei dem leeren Versprechen. — Gewiss
war es schwierig, die kleine, aus den verschiedensten Elementen
bestehende, durch keine Stammverwandtschaft, Gesetze oder Auto-
rität verbundene Gemeinde in Kan-ton zu einmüthigem Handeln zu
vermögen. Die niedrige Gesinnung, Eifersucht und Schwäche Ein-
zelner musste jedes energische Auftreten der Gemeinschaft hemmen.
Die Portugiesen wussten geschickt zu intriguiren, und sobald auch
nur ein einziges Supercargo sich unzeitig den Forderungen der
Chinesen fügte, so gaben diese sicher nicht nach. Die Vorsteher
der Factoreien hatten wohl Autorität über ihre Unterbeamten und
die ihnen zugewiesenen Schiffe, nicht aber über die anderen, welche
keiner Handelsgesellschaft gehörten. Praktisch scheint auch die
im Jahre 1699 den englischen Handelsvorstehern verliehene con-
sularische Amtsgewalt niemals ausgeübt worden zu sein; im Gegen-
theil geht aus besonderen Fällen deutlich hervor, dass die Vor-
steher keine Autorität über die der ostindischen Compagnie nicht
gehörenden »country-ships« hatten. Unter sich waren die Handels-
1754.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/52>, abgerufen am 04.12.2024.
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