[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Earl Macartney. Gepränge; auf der mühseligen Landreise hatte man nur kleinesGepäck mitführen können; die Staats-Processionen zu den Audienzen, welche nach chinesischer Sitte bei Sonnenaufgang stattfanden, werden von den Theilnehmern selbst als lächerlich geschildert. -- Beim Einzuge des Kaisers in Pe-kin stellte Lord Macartney sich nach Landessite am Wege auf und wurde freundlich begrüsst. Die königlichen Geschenke -- nur ein Theil war nach Dzehol mit- genommen worden -- mussten sofort im Sommer-Palast aufgestellt werden; Alles wurde von den Chinesen in grösster Eile betrieben. Der Ko-lao oder erste Minister scheint damals gleich mit dem Vorschlag zu schleuniger Abreise hervorgetreten zu sein, welchen er mit dem baldigen Eintritt des kalten Winters motivirte; aber noch am 2. October gab der Botschafter nach einer Conferenz mit den Ministern den Befehl zu weiteren häuslichen Einrichtungen. Die Ueberführung der reichen Geschenke nach Yuan-min-yuan dauerte mehrere Tage; der Kaiser schien Gefallen daran zu finden und erwiederte sie mit eben so reichen Gaben, die sich sogar auf die Mannschaft der bei Tsu-san ankernden englischen Schiffe er- streckten. -- Die Mandarinen gaben unterdessen immer deutlicher zu verstehen, dass der Botschafter gleich nach Empfang des kaiser- lichen Schreibens um Erlaubniss zur Abreise bitten müsse. Das Object der Gesandtschaft sei lediglich, Geschenke zu bringen und Festen beizuwohnen; nach Empfang der Gegengeschenke und des Antwortschreibens müsse dem chinesischen Ceremoniel gemäss sofort die Rückreise angetreten werden. Auf geschäftliche Unter- redungen liessen sich die Minister nicht mehr ein; der Ko-lao, welcher den Fremden ungünstig gewesen sein muss, erbat sich einen kurzen Auszug der englischen Anträge. Nachdem der Bot- schafter das kaiserliche Schreiben im Palast feierlich in Empfang genommen hatte, scheint ihm der Befehl, Pe-kin binnen zwei Tagen zu verlassen, ohne Förmlichkeiten insinuirt worden zu sein 16). Der Kaiser liess Höflichkeiten sagen, empfing die Gesandtschaft aber nicht mehr. Die eben eingetroffene Nachricht vom Ausbruche des 16) Nach Andersons Bericht wäre Lord Macartney in schmachvoller Weise zur
Abreise getrieben worden, so dass er den grössten Theil seiner kostbaren Einrich- tung dem Diebsgesindel von Pe-kin preisgeben musste. Seine Staatscarosse, erzählt Anderson, hätte Lord Macartney am letzten Tage dem ersten chinesischen Minister geschickt; in Tun-tsau hätte er sie aber beschmutzt und verdorben vor der Thür seiner Wohnung gefunden, die nicht besser als ein Stall gewesen sei. Auf den Booten seien die Engländer wieder anständig behandelt worden. Earl Macartney. Gepränge; auf der mühseligen Landreise hatte man nur kleinesGepäck mitführen können; die Staats-Processionen zu den Audienzen, welche nach chinesischer Sitte bei Sonnenaufgang stattfanden, werden von den Theilnehmern selbst als lächerlich geschildert. — Beim Einzuge des Kaisers in Pe-kiṅ stellte Lord Macartney sich nach Landessite am Wege auf und wurde freundlich begrüsst. Die königlichen Geschenke — nur ein Theil war nach Džehol mit- genommen worden — mussten sofort im Sommer-Palast aufgestellt werden; Alles wurde von den Chinesen in grösster Eile betrieben. Der Ko-lao oder erste Minister scheint damals gleich mit dem Vorschlag zu schleuniger Abreise hervorgetreten zu sein, welchen er mit dem baldigen Eintritt des kalten Winters motivirte; aber noch am 2. October gab der Botschafter nach einer Conferenz mit den Ministern den Befehl zu weiteren häuslichen Einrichtungen. Die Ueberführung der reichen Geschenke nach Yuaṅ-miṅ-yuaṅ dauerte mehrere Tage; der Kaiser schien Gefallen daran zu finden und erwiederte sie mit eben so reichen Gaben, die sich sogar auf die Mannschaft der bei Tšu-san ankernden englischen Schiffe er- streckten. — Die Mandarinen gaben unterdessen immer deutlicher zu verstehen, dass der Botschafter gleich nach Empfang des kaiser- lichen Schreibens um Erlaubniss zur Abreise bitten müsse. Das Object der Gesandtschaft sei lediglich, Geschenke zu bringen und Festen beizuwohnen; nach Empfang der Gegengeschenke und des Antwortschreibens müsse dem chinesischen Ceremoniel gemäss sofort die Rückreise angetreten werden. Auf geschäftliche Unter- redungen liessen sich die Minister nicht mehr ein; der Ko-lao, welcher den Fremden ungünstig gewesen sein muss, erbat sich einen kurzen Auszug der englischen Anträge. Nachdem der Bot- schafter das kaiserliche Schreiben im Palast feierlich in Empfang genommen hatte, scheint ihm der Befehl, Pe-kiṅ binnen zwei Tagen zu verlassen, ohne Förmlichkeiten insinuirt worden zu sein 16). Der Kaiser liess Höflichkeiten sagen, empfing die Gesandtschaft aber nicht mehr. Die eben eingetroffene Nachricht vom Ausbruche des 16) Nach Andersons Bericht wäre Lord Macartney in schmachvoller Weise zur
Abreise getrieben worden, so dass er den grössten Theil seiner kostbaren Einrich- tung dem Diebsgesindel von Pe-kiṅ preisgeben musste. Seine Staatscarosse, erzählt Anderson, hätte Lord Macartney am letzten Tage dem ersten chinesischen Minister geschickt; in Tuṅ-tšau hätte er sie aber beschmutzt und verdorben vor der Thür seiner Wohnung gefunden, die nicht besser als ein Stall gewesen sei. Auf den Booten seien die Engländer wieder anständig behandelt worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="38"/><fw place="top" type="header">Earl <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11899591X">Macartney</persName>.</fw><lb/> Gepränge; auf der mühseligen Landreise hatte man nur kleines<lb/> Gepäck mitführen können; die Staats-Processionen zu den Audienzen,<lb/> welche nach chinesischer Sitte bei Sonnenaufgang stattfanden,<lb/> werden von den Theilnehmern selbst als lächerlich geschildert. —<lb/> Beim Einzuge des Kaisers in <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> stellte Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11899591X">Macartney</persName> sich<lb/> nach Landessite am Wege auf und wurde freundlich begrüsst. Die<lb/> königlichen Geschenke — nur ein Theil war nach <hi rendition="#k">Džehol</hi> mit-<lb/> genommen worden — mussten sofort im Sommer-Palast aufgestellt<lb/> werden; Alles wurde von den Chinesen in grösster Eile betrieben.<lb/> Der <hi rendition="#k">Ko-lao</hi> oder erste Minister scheint damals gleich mit dem<lb/> Vorschlag zu schleuniger Abreise hervorgetreten zu sein, welchen<lb/> er mit dem baldigen Eintritt des kalten Winters motivirte; aber<lb/> noch am 2. October gab der Botschafter nach einer Conferenz mit<lb/> den Ministern den Befehl zu weiteren häuslichen Einrichtungen.<lb/> Die Ueberführung der reichen Geschenke nach <hi rendition="#k">Yuaṅ-miṅ-yuaṅ</hi><lb/> dauerte mehrere Tage; der Kaiser schien Gefallen daran zu finden<lb/> und erwiederte sie mit eben so reichen Gaben, die sich sogar auf<lb/> die Mannschaft der bei <hi rendition="#k"><placeName>Tšu-san</placeName></hi> ankernden englischen Schiffe er-<lb/> streckten. — Die Mandarinen gaben unterdessen immer deutlicher<lb/> zu verstehen, dass der Botschafter gleich nach Empfang des kaiser-<lb/> lichen Schreibens um Erlaubniss zur Abreise bitten müsse. Das<lb/> Object der Gesandtschaft sei lediglich, Geschenke zu bringen und<lb/> Festen beizuwohnen; nach Empfang der Gegengeschenke und des<lb/> Antwortschreibens müsse dem chinesischen Ceremoniel gemäss<lb/> sofort die Rückreise angetreten werden. Auf geschäftliche Unter-<lb/> redungen liessen sich die Minister nicht mehr ein; der <hi rendition="#k">Ko-lao</hi>,<lb/> welcher den Fremden ungünstig gewesen sein muss, erbat sich<lb/> einen kurzen Auszug der englischen Anträge. Nachdem der Bot-<lb/> schafter das kaiserliche Schreiben im Palast feierlich in Empfang<lb/> genommen hatte, scheint ihm der Befehl, <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> binnen zwei Tagen<lb/> zu verlassen, ohne Förmlichkeiten insinuirt worden zu sein <note place="foot" n="16)">Nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100011004">Andersons</persName> Bericht wäre Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11899591X">Macartney</persName> in schmachvoller Weise zur<lb/> Abreise getrieben worden, so dass er den grössten Theil seiner kostbaren Einrich-<lb/> tung dem Diebsgesindel von <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> preisgeben musste. Seine Staatscarosse, erzählt<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/100011004">Anderson</persName>, hätte Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11899591X">Macartney</persName> am letzten Tage dem ersten chinesischen Minister<lb/> geschickt; in <hi rendition="#k"><placeName>Tuṅ-tšau</placeName></hi> hätte er sie aber beschmutzt und verdorben vor der Thür<lb/> seiner Wohnung gefunden, die nicht besser als ein Stall gewesen sei. Auf den<lb/> Booten seien die Engländer wieder anständig behandelt worden.</note>. Der<lb/> Kaiser liess Höflichkeiten sagen, empfing die Gesandtschaft aber<lb/> nicht mehr. Die eben eingetroffene Nachricht vom Ausbruche des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0060]
Earl Macartney.
Gepränge; auf der mühseligen Landreise hatte man nur kleines
Gepäck mitführen können; die Staats-Processionen zu den Audienzen,
welche nach chinesischer Sitte bei Sonnenaufgang stattfanden,
werden von den Theilnehmern selbst als lächerlich geschildert. —
Beim Einzuge des Kaisers in Pe-kiṅ stellte Lord Macartney sich
nach Landessite am Wege auf und wurde freundlich begrüsst. Die
königlichen Geschenke — nur ein Theil war nach Džehol mit-
genommen worden — mussten sofort im Sommer-Palast aufgestellt
werden; Alles wurde von den Chinesen in grösster Eile betrieben.
Der Ko-lao oder erste Minister scheint damals gleich mit dem
Vorschlag zu schleuniger Abreise hervorgetreten zu sein, welchen
er mit dem baldigen Eintritt des kalten Winters motivirte; aber
noch am 2. October gab der Botschafter nach einer Conferenz mit
den Ministern den Befehl zu weiteren häuslichen Einrichtungen.
Die Ueberführung der reichen Geschenke nach Yuaṅ-miṅ-yuaṅ
dauerte mehrere Tage; der Kaiser schien Gefallen daran zu finden
und erwiederte sie mit eben so reichen Gaben, die sich sogar auf
die Mannschaft der bei Tšu-san ankernden englischen Schiffe er-
streckten. — Die Mandarinen gaben unterdessen immer deutlicher
zu verstehen, dass der Botschafter gleich nach Empfang des kaiser-
lichen Schreibens um Erlaubniss zur Abreise bitten müsse. Das
Object der Gesandtschaft sei lediglich, Geschenke zu bringen und
Festen beizuwohnen; nach Empfang der Gegengeschenke und des
Antwortschreibens müsse dem chinesischen Ceremoniel gemäss
sofort die Rückreise angetreten werden. Auf geschäftliche Unter-
redungen liessen sich die Minister nicht mehr ein; der Ko-lao,
welcher den Fremden ungünstig gewesen sein muss, erbat sich
einen kurzen Auszug der englischen Anträge. Nachdem der Bot-
schafter das kaiserliche Schreiben im Palast feierlich in Empfang
genommen hatte, scheint ihm der Befehl, Pe-kiṅ binnen zwei Tagen
zu verlassen, ohne Förmlichkeiten insinuirt worden zu sein 16). Der
Kaiser liess Höflichkeiten sagen, empfing die Gesandtschaft aber
nicht mehr. Die eben eingetroffene Nachricht vom Ausbruche des
16) Nach Andersons Bericht wäre Lord Macartney in schmachvoller Weise zur
Abreise getrieben worden, so dass er den grössten Theil seiner kostbaren Einrich-
tung dem Diebsgesindel von Pe-kiṅ preisgeben musste. Seine Staatscarosse, erzählt
Anderson, hätte Lord Macartney am letzten Tage dem ersten chinesischen Minister
geschickt; in Tuṅ-tšau hätte er sie aber beschmutzt und verdorben vor der Thür
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