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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Die französische Legation.
Yamum Tsin-kun-fu, wo der Gesandte, die Attaches Graf Eulen-
burg
, von Brandt und der Maler Berg abstiegen, während der
Attache von Bunsen und Dr. Lucius in der wenige hundert Schritt
weiter in derselben Strasse gelegenen russischen Gesandtschaft
gastliche Aufnahme fanden. Der Weg dahin führt über den Korn-
canal, der mit dem unter der Südmauer der Tartarenstadt hinlaufenden
Graben und durch diesen mit dem nach Tun-tsau führenden Canal
verbunden, aber ohne Wasser ist. Eine Strecke weiter nördlich
liegt am Korncanal die englische Legation, fast in gleicher Ent-
fernung von der französischen und der russischen.

Die Hauptgebäude der französischen Legation, welche die
Wohnräume des Gesandten und einige Fremdenzimmer enthielten,
umgeben zwei grosse durch einen Querbau getrennte Höfe. Die
Secretäre und Dolmetscher wohnten in abgesonderten Häuschen
und Pavillons, die in dem weiten Garten zerstreut liegen. Herr
und Frau von Bourboulon hatten sich ganz europäisch eingerichtet;
im Salon erinnerten nur einige seltene Erzeugnisse des Kunstfleisses
an China; die zwanglose anregende Geselligkeit verwischte beson-
ders Abends den Eindruck der Fremde. Am Tage unserer Ankunft
kamen Herr Bruce, Herr Wade, und ein der englischen Gesandt-
schaft attachirter geistvoller Arzt, Dr. Rennie, zum späten Mittags-
mahl; zum Thee erschienen auch der russische Minister-Resident,
Herr von Balluzek und seine Gemahlin; so verfloss schon der erste
Abend im unbefangenen, belebenden Austausch der Gedanken,
welcher, die beste Würze des civilisirten Lebens, in der Fremde so
schwer entbehrt wird. Frau von Bourboulon, eine Schottin aus
dem Hochland, hatte lange in Nordamerica, Mexico und Spanien
gelebt; sie verband seltene gesellige Begabung mit musikalischem
Talent. Oberst von Balluzek und seine Gattin liebten deutsche
Musik, und übten sie mit Geschmack und Fertigkeit. Herr Bruce,
Herr Wade und andere Mitglieder der englischen Gesandtschaft
hatten in China ereignissreiche Jahre verlebt; so sprudelten ringsum
ergiebige Quellen der Unterhaltung.

Morgens um sechs waren wir meist im Sattel und machten,
geführt von Herrn und Frau von Bourboulon, Ausflüge durch die
ungeheure Stadt oder ihre nächste Umgebung, denen sich Mitglieder
der anderen Gesandtschaften anzuschliessen pflegten. Gegen zehn
kehrte man hungrig zurück; nach dem gemeinsamen Frühstück ging

XVII. Die französische Legation.
Yamum Tsiṅ-kuṅ-fu, wo der Gesandte, die Attachés Graf Eulen-
burg
, von Brandt und der Maler Berg abstiegen, während der
Attaché von Bunsen und Dr. Lucius in der wenige hundert Schritt
weiter in derselben Strasse gelegenen russischen Gesandtschaft
gastliche Aufnahme fanden. Der Weg dahin führt über den Korn-
canal, der mit dem unter der Südmauer der Tartarenstadt hinlaufenden
Graben und durch diesen mit dem nach Tuṅ-tšau führenden Canal
verbunden, aber ohne Wasser ist. Eine Strecke weiter nördlich
liegt am Korncanal die englische Legation, fast in gleicher Ent-
fernung von der französischen und der russischen.

Die Hauptgebäude der französischen Legation, welche die
Wohnräume des Gesandten und einige Fremdenzimmer enthielten,
umgeben zwei grosse durch einen Querbau getrennte Höfe. Die
Secretäre und Dolmetscher wohnten in abgesonderten Häuschen
und Pavillons, die in dem weiten Garten zerstreut liegen. Herr
und Frau von Bourboulon hatten sich ganz europäisch eingerichtet;
im Salon erinnerten nur einige seltene Erzeugnisse des Kunstfleisses
an China; die zwanglose anregende Geselligkeit verwischte beson-
ders Abends den Eindruck der Fremde. Am Tage unserer Ankunft
kamen Herr Bruce, Herr Wade, und ein der englischen Gesandt-
schaft attachirter geistvoller Arzt, Dr. Rennie, zum späten Mittags-
mahl; zum Thee erschienen auch der russische Minister-Resident,
Herr von Balluzek und seine Gemahlin; so verfloss schon der erste
Abend im unbefangenen, belebenden Austausch der Gedanken,
welcher, die beste Würze des civilisirten Lebens, in der Fremde so
schwer entbehrt wird. Frau von Bourboulon, eine Schottin aus
dem Hochland, hatte lange in Nordamerica, Mexico und Spanien
gelebt; sie verband seltene gesellige Begabung mit musikalischem
Talent. Oberst von Balluzek und seine Gattin liebten deutsche
Musik, und übten sie mit Geschmack und Fertigkeit. Herr Bruce,
Herr Wade und andere Mitglieder der englischen Gesandtschaft
hatten in China ereignissreiche Jahre verlebt; so sprudelten ringsum
ergiebige Quellen der Unterhaltung.

Morgens um sechs waren wir meist im Sattel und machten,
geführt von Herrn und Frau von Bourboulon, Ausflüge durch die
ungeheure Stadt oder ihre nächste Umgebung, denen sich Mitglieder
der anderen Gesandtschaften anzuschliessen pflegten. Gegen zehn
kehrte man hungrig zurück; nach dem gemeinsamen Frühstück ging

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[103/0117] XVII. Die französische Legation. Yamum Tsiṅ-kuṅ-fu, wo der Gesandte, die Attachés Graf Eulen- burg, von Brandt und der Maler Berg abstiegen, während der Attaché von Bunsen und Dr. Lucius in der wenige hundert Schritt weiter in derselben Strasse gelegenen russischen Gesandtschaft gastliche Aufnahme fanden. Der Weg dahin führt über den Korn- canal, der mit dem unter der Südmauer der Tartarenstadt hinlaufenden Graben und durch diesen mit dem nach Tuṅ-tšau führenden Canal verbunden, aber ohne Wasser ist. Eine Strecke weiter nördlich liegt am Korncanal die englische Legation, fast in gleicher Ent- fernung von der französischen und der russischen. Die Hauptgebäude der französischen Legation, welche die Wohnräume des Gesandten und einige Fremdenzimmer enthielten, umgeben zwei grosse durch einen Querbau getrennte Höfe. Die Secretäre und Dolmetscher wohnten in abgesonderten Häuschen und Pavillons, die in dem weiten Garten zerstreut liegen. Herr und Frau von Bourboulon hatten sich ganz europäisch eingerichtet; im Salon erinnerten nur einige seltene Erzeugnisse des Kunstfleisses an China; die zwanglose anregende Geselligkeit verwischte beson- ders Abends den Eindruck der Fremde. Am Tage unserer Ankunft kamen Herr Bruce, Herr Wade, und ein der englischen Gesandt- schaft attachirter geistvoller Arzt, Dr. Rennie, zum späten Mittags- mahl; zum Thee erschienen auch der russische Minister-Resident, Herr von Balluzek und seine Gemahlin; so verfloss schon der erste Abend im unbefangenen, belebenden Austausch der Gedanken, welcher, die beste Würze des civilisirten Lebens, in der Fremde so schwer entbehrt wird. Frau von Bourboulon, eine Schottin aus dem Hochland, hatte lange in Nordamerica, Mexico und Spanien gelebt; sie verband seltene gesellige Begabung mit musikalischem Talent. Oberst von Balluzek und seine Gattin liebten deutsche Musik, und übten sie mit Geschmack und Fertigkeit. Herr Bruce, Herr Wade und andere Mitglieder der englischen Gesandtschaft hatten in China ereignissreiche Jahre verlebt; so sprudelten ringsum ergiebige Quellen der Unterhaltung. Morgens um sechs waren wir meist im Sattel und machten, geführt von Herrn und Frau von Bourboulon, Ausflüge durch die ungeheure Stadt oder ihre nächste Umgebung, denen sich Mitglieder der anderen Gesandtschaften anzuschliessen pflegten. Gegen zehn kehrte man hungrig zurück; nach dem gemeinsamen Frühstück ging

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/117>, abgerufen am 21.11.2024.