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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Benehmen der Fremden.
Ganzen anständige Verhalten der alliirten Truppen. Die vandalische
Verwüstung des Sommerpalastes,34) die Plünderung und Zerstörung
von Ortschaften am Pei-ho, wo nach der gedruckten Aussage eng-
lischer Officiere viel unschuldiges Blut geflossen ist, und die rück-
sichtslosen Räubereien in der Umgebung von Pe-kin35) waren noch
in frischem Andenken; auch konnten die Consularbehörden nach dem
Friedensschluss keineswegs allem Unfug steuern, den unverständige
Landsleute in rohem Muthwillen oder frevelhafter Laune begehen
mochten.36) Nur zu häufig mussten die Diplomaten in Pe-kin unter
der unreifen Ueberhebung von Schutzbefohlenen leiden, die ohne
Rücksicht auf das Gemeinwohl die Landesgesetze höhnten,37) An-
stand und Sitte verletzten, in der Demüthigung und Misshandlung
wehrloser Chinesen einen wohlfeilen Ruhm suchten; ihre Haltung
bewies den Ministern aber bald, dass solche Excesse nur Aus-
nahmen seien, dass die christliche Gesittung der chinesischen ihrem

34) Bei der Plünderung des Sommerpalastes ahnten die Alliirten noch nicht
das furchtbare Schicksal ihrer gefangenen Parlamentäre; seine Verbrennung be-
schloss Lord Elgin als einen Act der Vergeltung.
35) Nach den gedruckten Angaben des englischen Stabsarztes Dr. Rennie hätten
englische Officiere im Herbst 1860 in der Umgebung von Pe-kin über 300 Karren
mit der Bespannung zum Transport ihrer Beute nach Tien-tsin ohne Entschädigung
weggenommen und dort als "gute Beute" verkauft. Die Besitzer verloren dadurch
ihr einziges Mittel zum Broderwerb.
36) Hier möge eines gleichfalls von Dr. Rennie berichteten Falles gedacht sein.
Zwei englische Kaufleute fanden Ergötzen daran, in einem Dorfe am Pei-ho alle
Haushunde und deren Junge todtzuschiessen. Nun liebt und hegt der Chinese seinen
Haushund zärtlich und die Jungen sind die Freude der Kinder. Die friedlichen
Landleute wussten sich gegen diese Rohheit nicht zu schützen; erst auf Anzeige
eines anderen Engländers schritt der Consul ein. -- Dass Fremde in Tien-tsin
wehrlose Chinesen, ja alte Lasten tragende Männer, welche nicht schnell genug aus-
weichen konnten, niederritten oder zu Boden schlugen, kam nur zu häufig vor.
37) Im Jahre 1861 geschah es, dass der Repräsentant des Hauses Jardine Mathe-
son in Kan-ton die Ladung eines bei Wam-poa ankernden Schiffes statt dem Ge-
setze gemäss in das Zollhaus, ohne Weiteres unverzollt in seine Magazine schaffen
liess. Das Haus widersetzte sich sogar der Verzollung im Magazin, bis der Consul
dieselbe auf Beschwerde des chinesischen Steuer-Amtes verfügte. Obgleich nun die
einheimischen Behörden, welche nach den Bestimmungen des Vertrages ansehnliche
Summen als Strafzahlung fordern konnten, sich dabei beruhigten, so remonstrirte
das Haus Jardine beim Gesandten in Pe-kin gegen die Entscheidung des Consuls,
wurde aber abgewiesen. -- Der gewöhnliche Hergang bei solchen Conflicten ist,
dass die Europäer das erste Unrecht begehen; sie wissen, dass bei weiterer Ent-
wickelung des Rechtsstreites die Chinesen, den europäischen Anschauungen fremd.
Fehler machen werden, welche die Consularbehörden zwingen, auf die Seite ihrer
Schutzbefohlenen zu treten. So ziehen fremde Kaufleute meist auch aus denjenigen
Händeln Gewinn, in welchen sie Unrecht haben.

XVII. Benehmen der Fremden.
Ganzen anständige Verhalten der alliirten Truppen. Die vandalische
Verwüstung des Sommerpalastes,34) die Plünderung und Zerstörung
von Ortschaften am Pei-ho, wo nach der gedruckten Aussage eng-
lischer Officiere viel unschuldiges Blut geflossen ist, und die rück-
sichtslosen Räubereien in der Umgebung von Pe-kiṅ35) waren noch
in frischem Andenken; auch konnten die Consularbehörden nach dem
Friedensschluss keineswegs allem Unfug steuern, den unverständige
Landsleute in rohem Muthwillen oder frevelhafter Laune begehen
mochten.36) Nur zu häufig mussten die Diplomaten in Pe-kiṅ unter
der unreifen Ueberhebung von Schutzbefohlenen leiden, die ohne
Rücksicht auf das Gemeinwohl die Landesgesetze höhnten,37) An-
stand und Sitte verletzten, in der Demüthigung und Misshandlung
wehrloser Chinesen einen wohlfeilen Ruhm suchten; ihre Haltung
bewies den Ministern aber bald, dass solche Excesse nur Aus-
nahmen seien, dass die christliche Gesittung der chinesischen ihrem

34) Bei der Plünderung des Sommerpalastes ahnten die Alliirten noch nicht
das furchtbare Schicksal ihrer gefangenen Parlamentäre; seine Verbrennung be-
schloss Lord Elgin als einen Act der Vergeltung.
35) Nach den gedruckten Angaben des englischen Stabsarztes Dr. Rennie hätten
englische Officiere im Herbst 1860 in der Umgebung von Pe-kiṅ über 300 Karren
mit der Bespannung zum Transport ihrer Beute nach Tien-tsin ohne Entschädigung
weggenommen und dort als »gute Beute« verkauft. Die Besitzer verloren dadurch
ihr einziges Mittel zum Broderwerb.
36) Hier möge eines gleichfalls von Dr. Rennie berichteten Falles gedacht sein.
Zwei englische Kaufleute fanden Ergötzen daran, in einem Dorfe am Pei-ho alle
Haushunde und deren Junge todtzuschiessen. Nun liebt und hegt der Chinese seinen
Haushund zärtlich und die Jungen sind die Freude der Kinder. Die friedlichen
Landleute wussten sich gegen diese Rohheit nicht zu schützen; erst auf Anzeige
eines anderen Engländers schritt der Consul ein. — Dass Fremde in Tien-tsin
wehrlose Chinesen, ja alte Lasten tragende Männer, welche nicht schnell genug aus-
weichen konnten, niederritten oder zu Boden schlugen, kam nur zu häufig vor.
37) Im Jahre 1861 geschah es, dass der Repräsentant des Hauses Jardine Mathe-
son in Kan-ton die Ladung eines bei Wam-poa ankernden Schiffes statt dem Ge-
setze gemäss in das Zollhaus, ohne Weiteres unverzollt in seine Magazine schaffen
liess. Das Haus widersetzte sich sogar der Verzollung im Magazin, bis der Consul
dieselbe auf Beschwerde des chinesischen Steuer-Amtes verfügte. Obgleich nun die
einheimischen Behörden, welche nach den Bestimmungen des Vertrages ansehnliche
Summen als Strafzahlung fordern konnten, sich dabei beruhigten, so remonstrirte
das Haus Jardine beim Gesandten in Pe-kiṅ gegen die Entscheidung des Consuls,
wurde aber abgewiesen. — Der gewöhnliche Hergang bei solchen Conflicten ist,
dass die Europäer das erste Unrecht begehen; sie wissen, dass bei weiterer Ent-
wickelung des Rechtsstreites die Chinesen, den europäischen Anschauungen fremd.
Fehler machen werden, welche die Consularbehörden zwingen, auf die Seite ihrer
Schutzbefohlenen zu treten. So ziehen fremde Kaufleute meist auch aus denjenigen
Händeln Gewinn, in welchen sie Unrecht haben.
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[149/0163] XVII. Benehmen der Fremden. Ganzen anständige Verhalten der alliirten Truppen. Die vandalische Verwüstung des Sommerpalastes, 34) die Plünderung und Zerstörung von Ortschaften am Pei-ho, wo nach der gedruckten Aussage eng- lischer Officiere viel unschuldiges Blut geflossen ist, und die rück- sichtslosen Räubereien in der Umgebung von Pe-kiṅ 35) waren noch in frischem Andenken; auch konnten die Consularbehörden nach dem Friedensschluss keineswegs allem Unfug steuern, den unverständige Landsleute in rohem Muthwillen oder frevelhafter Laune begehen mochten. 36) Nur zu häufig mussten die Diplomaten in Pe-kiṅ unter der unreifen Ueberhebung von Schutzbefohlenen leiden, die ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl die Landesgesetze höhnten, 37) An- stand und Sitte verletzten, in der Demüthigung und Misshandlung wehrloser Chinesen einen wohlfeilen Ruhm suchten; ihre Haltung bewies den Ministern aber bald, dass solche Excesse nur Aus- nahmen seien, dass die christliche Gesittung der chinesischen ihrem 34) Bei der Plünderung des Sommerpalastes ahnten die Alliirten noch nicht das furchtbare Schicksal ihrer gefangenen Parlamentäre; seine Verbrennung be- schloss Lord Elgin als einen Act der Vergeltung. 35) Nach den gedruckten Angaben des englischen Stabsarztes Dr. Rennie hätten englische Officiere im Herbst 1860 in der Umgebung von Pe-kiṅ über 300 Karren mit der Bespannung zum Transport ihrer Beute nach Tien-tsin ohne Entschädigung weggenommen und dort als »gute Beute« verkauft. Die Besitzer verloren dadurch ihr einziges Mittel zum Broderwerb. 36) Hier möge eines gleichfalls von Dr. Rennie berichteten Falles gedacht sein. Zwei englische Kaufleute fanden Ergötzen daran, in einem Dorfe am Pei-ho alle Haushunde und deren Junge todtzuschiessen. Nun liebt und hegt der Chinese seinen Haushund zärtlich und die Jungen sind die Freude der Kinder. Die friedlichen Landleute wussten sich gegen diese Rohheit nicht zu schützen; erst auf Anzeige eines anderen Engländers schritt der Consul ein. — Dass Fremde in Tien-tsin wehrlose Chinesen, ja alte Lasten tragende Männer, welche nicht schnell genug aus- weichen konnten, niederritten oder zu Boden schlugen, kam nur zu häufig vor. 37) Im Jahre 1861 geschah es, dass der Repräsentant des Hauses Jardine Mathe- son in Kan-ton die Ladung eines bei Wam-poa ankernden Schiffes statt dem Ge- setze gemäss in das Zollhaus, ohne Weiteres unverzollt in seine Magazine schaffen liess. Das Haus widersetzte sich sogar der Verzollung im Magazin, bis der Consul dieselbe auf Beschwerde des chinesischen Steuer-Amtes verfügte. Obgleich nun die einheimischen Behörden, welche nach den Bestimmungen des Vertrages ansehnliche Summen als Strafzahlung fordern konnten, sich dabei beruhigten, so remonstrirte das Haus Jardine beim Gesandten in Pe-kiṅ gegen die Entscheidung des Consuls, wurde aber abgewiesen. — Der gewöhnliche Hergang bei solchen Conflicten ist, dass die Europäer das erste Unrecht begehen; sie wissen, dass bei weiterer Ent- wickelung des Rechtsstreites die Chinesen, den europäischen Anschauungen fremd. Fehler machen werden, welche die Consularbehörden zwingen, auf die Seite ihrer Schutzbefohlenen zu treten. So ziehen fremde Kaufleute meist auch aus denjenigen Händeln Gewinn, in welchen sie Unrecht haben.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/163>, abgerufen am 24.11.2024.