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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Dr. Lucius' Ausflug nach der Grossen Mauer.
dener Kameele und Maulthiere mit mongolischen Treibern, lange
Züge zweirädriger Karren mit Pferden, Ochsen und Eseln bespannt
zeugten vom lebhaften Verkehr der Hauptstadt mit den Gegenden
jenseit der Mauer, mit den nomadischen Stämmen des Nordens, die,
durch die Grundbedingungen ihres Lebens der chinesischen Cultur
fremd, das Reich Jahrtausende hindurch bedrängt, überfluthet und
periodisch unterjocht haben. -- Tausende von Arbeitern besserten
damals unter Aufsicht von Mandarinen die Strasse für den Einzug
des jungen Kaisers aus. -- Vier Li40) vom Thore passirt man eine
breite, etwa 360 Schritt lange, aus colossalen Quadern gefügte
Brücke, bis zu welcher sich Reihen von Kaufläden, Schenken und
Herbergen erstrecken. Jenseit liegt ein ansehnlicher Flecken; von
da läuft die Strasse durch Durra-, Mais-, Bohnen- und Solanum-Felder,
die auch hier meist mit Ricinus-Stauden gesäumt sind. Die Ernte war
überall im Gange. Etwa 60 Li von Pe-kin führt eine der beschriebenen
ähnliche Brücke in die Stadt Tsa-kau, und kurz hinter derselben setzt
eine eben so gewaltige über ein winziges Flüsschen. Da die
Quadern des Pflasters theils auseinandergewichen, theils von fuss-
tiefen Wagenspuren durchfurcht sind, so reitet oder fährt man
lieber durch den Fluss. -- Der ebene sandige Weg läuft immer
nördlich auf das Gebirge zu und mündet endlich in eine Thalmulde,
wo Mauerreste und alte Thürme stehen; hier wird die Strasse steinig
und beginnt zu steigen.

Etwa 10 Li weiter und 95 Li von Pe-kin liegt das wenige
Häuser zählende Oertchen Nam-kau, wo die Reisenden schliefen.
Sie fanden dort, wie in chinesischen Herbergen gewöhnlich, gute
Stallung, für sich selbst aber nur die Bequemlichkeit, die sie mit-
brachten. Nach einem Ritt von sieben deutschen Meilen fehlt aber
weder Appetit noch Schlaf; die Reisenden waren obenein mit allem
Nothwendigen und Ueberflüssigen versehen und brachten eine be-
hagliche Nacht zu.

Von Nam-kau aus pflegt man der schlechten Wege halber
Maulthiere zu benutzen, welche den über Kiakta nach Irkutsk
gehenden russischen Courieren in vertragsmässig bestimmten Relais
gestellt werden. Sie bezahlen nach Gutdünken, je nachdem sie zu-
frieden sind. Da aber Dr. Lucius und seine russischen Gefährten
nicht in amtlicher Eigenschaft reisten, so suchten die schlauen Chi-
nesen das Mögliche zu erpressen; sie forderten 5 und nahmen nach

40) 14 Li = 1 deutsche Meile.

XVII. Dr. Lucius’ Ausflug nach der Grossen Mauer.
dener Kameele und Maulthiere mit mongolischen Treibern, lange
Züge zweirädriger Karren mit Pferden, Ochsen und Eseln bespannt
zeugten vom lebhaften Verkehr der Hauptstadt mit den Gegenden
jenseit der Mauer, mit den nomadischen Stämmen des Nordens, die,
durch die Grundbedingungen ihres Lebens der chinesischen Cultur
fremd, das Reich Jahrtausende hindurch bedrängt, überfluthet und
periodisch unterjocht haben. — Tausende von Arbeitern besserten
damals unter Aufsicht von Mandarinen die Strasse für den Einzug
des jungen Kaisers aus. — Vier Li40) vom Thore passirt man eine
breite, etwa 360 Schritt lange, aus colossalen Quadern gefügte
Brücke, bis zu welcher sich Reihen von Kaufläden, Schenken und
Herbergen erstrecken. Jenseit liegt ein ansehnlicher Flecken; von
da läuft die Strasse durch Durra-, Mais-, Bohnen- und Solanum-Felder,
die auch hier meist mit Ricinus-Stauden gesäumt sind. Die Ernte war
überall im Gange. Etwa 60 Li von Pe-kiṅ führt eine der beschriebenen
ähnliche Brücke in die Stadt Tša-kau, und kurz hinter derselben setzt
eine eben so gewaltige über ein winziges Flüsschen. Da die
Quadern des Pflasters theils auseinandergewichen, theils von fuss-
tiefen Wagenspuren durchfurcht sind, so reitet oder fährt man
lieber durch den Fluss. — Der ebene sandige Weg läuft immer
nördlich auf das Gebirge zu und mündet endlich in eine Thalmulde,
wo Mauerreste und alte Thürme stehen; hier wird die Strasse steinig
und beginnt zu steigen.

Etwa 10 Li weiter und 95 Li von Pe-kiṅ liegt das wenige
Häuser zählende Oertchen Nam-kau, wo die Reisenden schliefen.
Sie fanden dort, wie in chinesischen Herbergen gewöhnlich, gute
Stallung, für sich selbst aber nur die Bequemlichkeit, die sie mit-
brachten. Nach einem Ritt von sieben deutschen Meilen fehlt aber
weder Appetit noch Schlaf; die Reisenden waren obenein mit allem
Nothwendigen und Ueberflüssigen versehen und brachten eine be-
hagliche Nacht zu.

Von Nam-kau aus pflegt man der schlechten Wege halber
Maulthiere zu benutzen, welche den über Kiakta nach Irkutsk
gehenden russischen Courieren in vertragsmässig bestimmten Relais
gestellt werden. Sie bezahlen nach Gutdünken, je nachdem sie zu-
frieden sind. Da aber Dr. Lucius und seine russischen Gefährten
nicht in amtlicher Eigenschaft reisten, so suchten die schlauen Chi-
nesen das Mögliche zu erpressen; sie forderten 5 und nahmen nach

40) 14 Li = 1 deutsche Meile.
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[159/0173] XVII. Dr. Lucius’ Ausflug nach der Grossen Mauer. dener Kameele und Maulthiere mit mongolischen Treibern, lange Züge zweirädriger Karren mit Pferden, Ochsen und Eseln bespannt zeugten vom lebhaften Verkehr der Hauptstadt mit den Gegenden jenseit der Mauer, mit den nomadischen Stämmen des Nordens, die, durch die Grundbedingungen ihres Lebens der chinesischen Cultur fremd, das Reich Jahrtausende hindurch bedrängt, überfluthet und periodisch unterjocht haben. — Tausende von Arbeitern besserten damals unter Aufsicht von Mandarinen die Strasse für den Einzug des jungen Kaisers aus. — Vier Li 40) vom Thore passirt man eine breite, etwa 360 Schritt lange, aus colossalen Quadern gefügte Brücke, bis zu welcher sich Reihen von Kaufläden, Schenken und Herbergen erstrecken. Jenseit liegt ein ansehnlicher Flecken; von da läuft die Strasse durch Durra-, Mais-, Bohnen- und Solanum-Felder, die auch hier meist mit Ricinus-Stauden gesäumt sind. Die Ernte war überall im Gange. Etwa 60 Li von Pe-kiṅ führt eine der beschriebenen ähnliche Brücke in die Stadt Tša-kau, und kurz hinter derselben setzt eine eben so gewaltige über ein winziges Flüsschen. Da die Quadern des Pflasters theils auseinandergewichen, theils von fuss- tiefen Wagenspuren durchfurcht sind, so reitet oder fährt man lieber durch den Fluss. — Der ebene sandige Weg läuft immer nördlich auf das Gebirge zu und mündet endlich in eine Thalmulde, wo Mauerreste und alte Thürme stehen; hier wird die Strasse steinig und beginnt zu steigen. Etwa 10 Li weiter und 95 Li von Pe-kiṅ liegt das wenige Häuser zählende Oertchen Nam-kau, wo die Reisenden schliefen. Sie fanden dort, wie in chinesischen Herbergen gewöhnlich, gute Stallung, für sich selbst aber nur die Bequemlichkeit, die sie mit- brachten. Nach einem Ritt von sieben deutschen Meilen fehlt aber weder Appetit noch Schlaf; die Reisenden waren obenein mit allem Nothwendigen und Ueberflüssigen versehen und brachten eine be- hagliche Nacht zu. Von Nam-kau aus pflegt man der schlechten Wege halber Maulthiere zu benutzen, welche den über Kiakta nach Irkutsk gehenden russischen Courieren in vertragsmässig bestimmten Relais gestellt werden. Sie bezahlen nach Gutdünken, je nachdem sie zu- frieden sind. Da aber Dr. Lucius und seine russischen Gefährten nicht in amtlicher Eigenschaft reisten, so suchten die schlauen Chi- nesen das Mögliche zu erpressen; sie forderten 5 und nahmen nach 40) 14 Li = 1 deutsche Meile.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/173>, abgerufen am 24.11.2024.