landes. Dessen Contrast mit der üppig grünen zwischen den beiden Armen der Mauer liegenden Ebene an seinem Fusse soll wunderbar sein.
Die Sonne ging den Reisenden in einem Gluthmeer hinter zackigen Gipfeln unter; sie übernachteten im nahgelegenen Tsa-tau jenseit der Mauer, bestiegen dieselbe nochmals am folgenden Mor- gen und verfolgten sie eine Strecke in östlicher Richtung. Dann kehrten sie auf dem beschriebenen Wege nach Pe-kin zurück.
Die Zeit war in Pe-kin allzuschnell verstrichen. Am 3. Oc- tober Mittags nahmen Graf Eulenburg und seine Begleiter von ihren gütigen Wirthen Abschied und ritten nach Tun-tsau. Das Gepäck war vorausgeschickt und schon in die Boote gestaut; es bedurfte nur noch eines kräftigen Griffes in die Dollars, um welche sich die Bonzen, welche unsere zurückgelassenen Sachen verwahrten, Karren- führer, Packträger und dienstfertige Mandarinen mit löblichem Wetteifer bewarben. Gegen fünf Uhr wurden wir flott; es war ein köstlicher Herbsttag; die anmuthigen Ufer des Pei-ho glänzten in mildem Sonnenschein. Gegen Dunkelwerden versammelte man sich im Speise-Boot; um elf Uhr Abends wurde angelegt und die Nacht über gerastet. Ebenso die folgenden Tage. Die behagliche Ruhe der Flussfahrt mundete köstlich nach dem bewegten vollen Leben in Pe-kin, an dessen Eindrücken wir lange zehrten. Den Fluss belebten viele grosse Dschunken, die Reis und Getreide nach der Hauptstadt brachten. Der Anblick des Landes war sehr verändert; die üppigen Ernten fielen in der Zwischenzeit unter der Sichel des Schnitters, und der Blick schweifte nun unbeschränkt über die flachen Ufer. So wurden viele Dörfer, Tempel und ländliche An- siedlungen sichtbar, welche die funfzehn Fuss hoch wachsende Durra früher versteckte.
Wir glitten langsam den Fluss hinab und gelangten am Abend des 4. October nach Ho-si-wu. Den 5. Morgens konnte man bei günstigem Winde Segel spannen und schoss nun pfeil- schnell vorwärts. Mittags erreichten die Boote Yan-tsun; Abends legten sie bei den Vorstädten von Tien-tsin an. Bei Tagesgrauen benutzten die Schiffer die einsetzende Ebbe zur schnelleren Thal- fahrt, und bald nach sieben grüssten wir heiter und erfrischt die Räume, wo besonders der Gesandte so qualvolle Tage verlebte.
11*
XVII. Rückkehr nach Tieṅ-tsin.
landes. Dessen Contrast mit der üppig grünen zwischen den beiden Armen der Mauer liegenden Ebene an seinem Fusse soll wunderbar sein.
Die Sonne ging den Reisenden in einem Gluthmeer hinter zackigen Gipfeln unter; sie übernachteten im nahgelegenen Tša-tau jenseit der Mauer, bestiegen dieselbe nochmals am folgenden Mor- gen und verfolgten sie eine Strecke in östlicher Richtung. Dann kehrten sie auf dem beschriebenen Wege nach Pe-kiṅ zurück.
Die Zeit war in Pe-kiṅ allzuschnell verstrichen. Am 3. Oc- tober Mittags nahmen Graf Eulenburg und seine Begleiter von ihren gütigen Wirthen Abschied und ritten nach Tuṅ-tšau. Das Gepäck war vorausgeschickt und schon in die Boote gestaut; es bedurfte nur noch eines kräftigen Griffes in die Dollars, um welche sich die Bonzen, welche unsere zurückgelassenen Sachen verwahrten, Karren- führer, Packträger und dienstfertige Mandarinen mit löblichem Wetteifer bewarben. Gegen fünf Uhr wurden wir flott; es war ein köstlicher Herbsttag; die anmuthigen Ufer des Pei-ho glänzten in mildem Sonnenschein. Gegen Dunkelwerden versammelte man sich im Speise-Boot; um elf Uhr Abends wurde angelegt und die Nacht über gerastet. Ebenso die folgenden Tage. Die behagliche Ruhe der Flussfahrt mundete köstlich nach dem bewegten vollen Leben in Pe-kiṅ, an dessen Eindrücken wir lange zehrten. Den Fluss belebten viele grosse Dschunken, die Reis und Getreide nach der Hauptstadt brachten. Der Anblick des Landes war sehr verändert; die üppigen Ernten fielen in der Zwischenzeit unter der Sichel des Schnitters, und der Blick schweifte nun unbeschränkt über die flachen Ufer. So wurden viele Dörfer, Tempel und ländliche An- siedlungen sichtbar, welche die funfzehn Fuss hoch wachsende Durra früher versteckte.
Wir glitten langsam den Fluss hinab und gelangten am Abend des 4. October nach Ho-si-wu. Den 5. Morgens konnte man bei günstigem Winde Segel spannen und schoss nun pfeil- schnell vorwärts. Mittags erreichten die Boote Yaṅ-tsun; Abends legten sie bei den Vorstädten von Tien-tsin an. Bei Tagesgrauen benutzten die Schiffer die einsetzende Ebbe zur schnelleren Thal- fahrt, und bald nach sieben grüssten wir heiter und erfrischt die Räume, wo besonders der Gesandte so qualvolle Tage verlebte.
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XVII. Rückkehr nach Tieṅ-tsin.
landes. Dessen Contrast mit der üppig grünen zwischen den beiden
Armen der Mauer liegenden Ebene an seinem Fusse soll wunderbar sein.
Die Sonne ging den Reisenden in einem Gluthmeer hinter
zackigen Gipfeln unter; sie übernachteten im nahgelegenen Tša-tau
jenseit der Mauer, bestiegen dieselbe nochmals am folgenden Mor-
gen und verfolgten sie eine Strecke in östlicher Richtung. Dann
kehrten sie auf dem beschriebenen Wege nach Pe-kiṅ zurück.
Die Zeit war in Pe-kiṅ allzuschnell verstrichen. Am 3. Oc-
tober Mittags nahmen Graf Eulenburg und seine Begleiter von ihren
gütigen Wirthen Abschied und ritten nach Tuṅ-tšau. Das Gepäck
war vorausgeschickt und schon in die Boote gestaut; es bedurfte
nur noch eines kräftigen Griffes in die Dollars, um welche sich die
Bonzen, welche unsere zurückgelassenen Sachen verwahrten, Karren-
führer, Packträger und dienstfertige Mandarinen mit löblichem
Wetteifer bewarben. Gegen fünf Uhr wurden wir flott; es war ein
köstlicher Herbsttag; die anmuthigen Ufer des Pei-ho glänzten in
mildem Sonnenschein. Gegen Dunkelwerden versammelte man sich
im Speise-Boot; um elf Uhr Abends wurde angelegt und die Nacht
über gerastet. Ebenso die folgenden Tage. Die behagliche Ruhe
der Flussfahrt mundete köstlich nach dem bewegten vollen Leben
in Pe-kiṅ, an dessen Eindrücken wir lange zehrten. Den Fluss
belebten viele grosse Dschunken, die Reis und Getreide nach der
Hauptstadt brachten. Der Anblick des Landes war sehr verändert;
die üppigen Ernten fielen in der Zwischenzeit unter der Sichel des
Schnitters, und der Blick schweifte nun unbeschränkt über die
flachen Ufer. So wurden viele Dörfer, Tempel und ländliche An-
siedlungen sichtbar, welche die funfzehn Fuss hoch wachsende
Durra früher versteckte.
Wir glitten langsam den Fluss hinab und gelangten am
Abend des 4. October nach Ho-si-wu. Den 5. Morgens konnte
man bei günstigem Winde Segel spannen und schoss nun pfeil-
schnell vorwärts. Mittags erreichten die Boote Yaṅ-tsun; Abends
legten sie bei den Vorstädten von Tien-tsin an. Bei Tagesgrauen
benutzten die Schiffer die einsetzende Ebbe zur schnelleren Thal-
fahrt, und bald nach sieben grüssten wir heiter und erfrischt die
Räume, wo besonders der Gesandte so qualvolle Tage verlebte.
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/177>, abgerufen am 25.11.2024.
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