übrig, -- die Gesellschaft hatte aber nur achtzehn Damen auf- zuweisen. Die Zahl der Herren war weit über hundert.
Die Stadt Victoria selbst bietet wenig Fesselndes. In den europäischen Strassen liegt ein Palast neben dem andern, lauter massive Steinbauten von grossen Verhältnissen. Das Untergeschoss enthält Waarenlager und die Dienststuben der chinesischen Buch- halter, Kassirer und Aufseher; da wird sortirt, gezählt, gepackt und gehämmert. Oben hausen die Besitzer in bequemen, luftigen Räu- men. -- Kaufläden mit europäischen Erzeugnissen giebt es wenige; sie sind jedoch glänzend mit allen Luxusartikeln der civilisirten Welt ausgestattet; da steht die Gänseleberpastete neben Stiefel- wichse und kostbarem Goldschmuck auf einem allerdings ver- stimmten Clavier; Aufwand und Preise sind noch toller als in an- deren Häfen. -- Die westliche Hälfte der dem Strande parallelen Hauptstrasse bewohnen chinesische Krämer; ihre Häuser sind klein und halb europäisch gebaut. Man findet dort die seit Jahren bei uns bekannten Erzeugnisse der südchinesischen Industrie: Elfenbein-, Perlmutter-, Bambus- und Sandelholz-Schnitzereien, Lackarbeiten und Seidenfabricate. Der Kan-ton-Lack kann sich dem japanischen nicht vergleichen; die feinen Goldmalereien daran sind mit fabrik- mässiger Geschicklichkeit geistlos aufgetragen, lauter einförmige hergebrachte Muster. die sich zum Ueberdruss tausendfach wieder- holen. Die Elfenbein-Schnitzereien sind einzig in ihrer Art, von wundersam künstlicher Arbeit, in den Mustern aber eben so ein- förmig wie die Lacksachen. Man hat jedes Stück schon hundert- mal gesehen. Dieselbe Sterilität spricht aus allen Arbeiten der heutigen Chinesen: sie copiren mit der höchsten technischen Vollen- dung, unendlicher Geduld und Treue, haben aber weder Erfindung noch eigene Auffassung. Den schlagendsten Beweis dafür bieten die vielen Malerläden in Hong-kong, wo zum Entzücken der fremden Seeleute für geringes Geld Bildnisse von Menschen und Schiffen mit einer buchstäblichen Treue gepinselt werden, welche der giftig- sten Kritik spottet.
Viele bunte Schilder und Ladenzeichen geben dem chinesi- schen Theil der breiten Hauptstrasse ein malerisches Aussehn; daneben steigen enge schattige Gassen, von Arbeitern und Tage- löhnern bewohnt, die steilen Hänge hinan. Hielte die englische Polizei nicht auf Reinlichkeit, so röche es dort wohl bald wie in anderen chinesischen Städten. -- Die Colonialregierung
Kaufläden. XIX.
übrig, — die Gesellschaft hatte aber nur achtzehn Damen auf- zuweisen. Die Zahl der Herren war weit über hundert.
Die Stadt Victoria selbst bietet wenig Fesselndes. In den europäischen Strassen liegt ein Palast neben dem andern, lauter massive Steinbauten von grossen Verhältnissen. Das Untergeschoss enthält Waarenlager und die Dienststuben der chinesischen Buch- halter, Kassirer und Aufseher; da wird sortirt, gezählt, gepackt und gehämmert. Oben hausen die Besitzer in bequemen, luftigen Räu- men. — Kaufläden mit europäischen Erzeugnissen giebt es wenige; sie sind jedoch glänzend mit allen Luxusartikeln der civilisirten Welt ausgestattet; da steht die Gänseleberpastete neben Stiefel- wichse und kostbarem Goldschmuck auf einem allerdings ver- stimmten Clavier; Aufwand und Preise sind noch toller als in an- deren Häfen. — Die westliche Hälfte der dem Strande parallelen Hauptstrasse bewohnen chinesische Krämer; ihre Häuser sind klein und halb europäisch gebaut. Man findet dort die seit Jahren bei uns bekannten Erzeugnisse der südchinesischen Industrie: Elfenbein-, Perlmutter-, Bambus- und Sandelholz-Schnitzereien, Lackarbeiten und Seidenfabricate. Der Kan-ton-Lack kann sich dem japanischen nicht vergleichen; die feinen Goldmalereien daran sind mit fabrik- mässiger Geschicklichkeit geistlos aufgetragen, lauter einförmige hergebrachte Muster. die sich zum Ueberdruss tausendfach wieder- holen. Die Elfenbein-Schnitzereien sind einzig in ihrer Art, von wundersam künstlicher Arbeit, in den Mustern aber eben so ein- förmig wie die Lacksachen. Man hat jedes Stück schon hundert- mal gesehen. Dieselbe Sterilität spricht aus allen Arbeiten der heutigen Chinesen: sie copiren mit der höchsten technischen Vollen- dung, unendlicher Geduld und Treue, haben aber weder Erfindung noch eigene Auffassung. Den schlagendsten Beweis dafür bieten die vielen Malerläden in Hong-kong, wo zum Entzücken der fremden Seeleute für geringes Geld Bildnisse von Menschen und Schiffen mit einer buchstäblichen Treue gepinselt werden, welche der giftig- sten Kritik spottet.
Viele bunte Schilder und Ladenzeichen geben dem chinesi- schen Theil der breiten Hauptstrasse ein malerisches Aussehn; daneben steigen enge schattige Gassen, von Arbeitern und Tage- löhnern bewohnt, die steilen Hänge hinan. Hielte die englische Polizei nicht auf Reinlichkeit, so röche es dort wohl bald wie in anderen chinesischen Städten. — Die Colonialregierung
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Kaufläden. XIX.
übrig, — die Gesellschaft hatte aber nur achtzehn Damen auf-
zuweisen. Die Zahl der Herren war weit über hundert.
Die Stadt Victoria selbst bietet wenig Fesselndes. In den
europäischen Strassen liegt ein Palast neben dem andern, lauter
massive Steinbauten von grossen Verhältnissen. Das Untergeschoss
enthält Waarenlager und die Dienststuben der chinesischen Buch-
halter, Kassirer und Aufseher; da wird sortirt, gezählt, gepackt und
gehämmert. Oben hausen die Besitzer in bequemen, luftigen Räu-
men. — Kaufläden mit europäischen Erzeugnissen giebt es wenige;
sie sind jedoch glänzend mit allen Luxusartikeln der civilisirten
Welt ausgestattet; da steht die Gänseleberpastete neben Stiefel-
wichse und kostbarem Goldschmuck auf einem allerdings ver-
stimmten Clavier; Aufwand und Preise sind noch toller als in an-
deren Häfen. — Die westliche Hälfte der dem Strande parallelen
Hauptstrasse bewohnen chinesische Krämer; ihre Häuser sind klein
und halb europäisch gebaut. Man findet dort die seit Jahren bei
uns bekannten Erzeugnisse der südchinesischen Industrie: Elfenbein-,
Perlmutter-, Bambus- und Sandelholz-Schnitzereien, Lackarbeiten
und Seidenfabricate. Der Kan-ton-Lack kann sich dem japanischen
nicht vergleichen; die feinen Goldmalereien daran sind mit fabrik-
mässiger Geschicklichkeit geistlos aufgetragen, lauter einförmige
hergebrachte Muster. die sich zum Ueberdruss tausendfach wieder-
holen. Die Elfenbein-Schnitzereien sind einzig in ihrer Art, von
wundersam künstlicher Arbeit, in den Mustern aber eben so ein-
förmig wie die Lacksachen. Man hat jedes Stück schon hundert-
mal gesehen. Dieselbe Sterilität spricht aus allen Arbeiten der
heutigen Chinesen: sie copiren mit der höchsten technischen Vollen-
dung, unendlicher Geduld und Treue, haben aber weder Erfindung
noch eigene Auffassung. Den schlagendsten Beweis dafür bieten
die vielen Malerläden in Hong-kong, wo zum Entzücken der fremden
Seeleute für geringes Geld Bildnisse von Menschen und Schiffen
mit einer buchstäblichen Treue gepinselt werden, welche der giftig-
sten Kritik spottet.
Viele bunte Schilder und Ladenzeichen geben dem chinesi-
schen Theil der breiten Hauptstrasse ein malerisches Aussehn;
daneben steigen enge schattige Gassen, von Arbeitern und Tage-
löhnern bewohnt, die steilen Hänge hinan. Hielte die englische
Polizei nicht auf Reinlichkeit, so röche es dort wohl bald
wie in anderen chinesischen Städten. — Die Colonialregierung
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/202>, abgerufen am 23.11.2024.
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