Wenn sie die Dinge vom practischen Standpunct betrachten, so können sie nicht begreifen, dass jetzt irgend eine Nothwendigkeit vor- liegt zu dem fraglichen Unternehmen. Gesteht man zu, dass die ganze Streitmacht der Barbaren kaum 10,000 Mann übersteigt und dass San- ko-lin-sin mehr als 30,000 commandirt, so haben sie keinen Zweifel, dass die Vielen die Wenigen schlagen werden. Aber sie möchten an die Thatsache erinnern, dass die Barbaren, welche fernher über den Ocean kamen, bis jetzt gezeigt haben, dass sie nur bedacht sind Han- del zu treiben. Sie schlichen sich in Kuan-tun, Fu-kian, Shang-hae und anderen Orten nur ein, um sich der Häfen zu bemächtigen, nicht um das Land in Besitz zu nehmen; auch haben sie keine Eroberung in China irgend versucht. Selbst der Punct ihrer Zulassung in Pe- kin möchte befriedigend zu erledigen sein. So ist denn in Allem was vorgeht nichts, das ein grosses Unheil fürchten liesse. Wird aber vor dem Erscheinen der Barbaren die Flucht ausgeführt, so ist es unmög- lich zu sagen, welche Umwälzung die unmittelbare Folge sein könnte. Der Geist sträubt sich, über diesen Gegenstand nachzudenken. Weit besser wäre geziemende Ueberlegung der Sache, als spätere unfrucht- bare Reue.
Noch eine Erwägung ist, dass es für Deine Majestät in ihrem jetzigen glücklichen Wohlbefinden nicht rathsam wäre, sich den Stra- pazen einer Reise während des noch heissen Herbstwetters aus- zusetzen.
Das sind die beschränkten Ansichten Deiner Minister u. s. w.
7. Mond. 27. Tag" (12. September).
3. Denkschrift von Tsi-nen-kin, Präsidenten der Civil-Ver- waltung, gezeichnet von dreiundzwanzig Anderen.
"Dein Minister Tsi-nen-kin und Andere überreichen knieend eine Denkschrift. Sie sprechen abermals ausführlich ihre Ansicht aus, um zu zeigen, dass die Abreise Deiner Majestät nach einem nördlich von Pe-kin gelegenen Orte in der Hauptstadt grosse Aufregung verur- sachen muss, und dass das beste Mittel, die Ruhe herzustellen und den Geist der Armee zu stärken, sein würde, wenn Deine Majestät in Pe-kin bliebe.
In einer Zeit der öffentlichen Trübsal ist der Mann von he- roischer Gesinnung bereit, auf seinem Posten zu sterben; und in einer solchen Zeit schickt sich für das Benehmen der Vornehmen und Ge- ringen nur die vollkommenste Reinheit und Wahrhaftigkeit. Deiner Majestät Diener haben heute ehrfurchtsvoll das Zinober-Decret gelesen, welches erklärt, dass die Anstalten für den Jagdzug Deiner Majestät als Vorbereitungen dazu dienen sollen, persönlich in das Feld zu
XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht.
Wenn sie die Dinge vom practischen Standpunct betrachten, so können sie nicht begreifen, dass jetzt irgend eine Nothwendigkeit vor- liegt zu dem fraglichen Unternehmen. Gesteht man zu, dass die ganze Streitmacht der Barbaren kaum 10,000 Mann übersteigt und dass Saṅ- ko-lin-sin mehr als 30,000 commandirt, so haben sie keinen Zweifel, dass die Vielen die Wenigen schlagen werden. Aber sie möchten an die Thatsache erinnern, dass die Barbaren, welche fernher über den Ocean kamen, bis jetzt gezeigt haben, dass sie nur bedacht sind Han- del zu treiben. Sie schlichen sich in Kuaṅ-tuṅ, Fu-kian, Shang-hae und anderen Orten nur ein, um sich der Häfen zu bemächtigen, nicht um das Land in Besitz zu nehmen; auch haben sie keine Eroberung in China irgend versucht. Selbst der Punct ihrer Zulassung in Pe- kiṅ möchte befriedigend zu erledigen sein. So ist denn in Allem was vorgeht nichts, das ein grosses Unheil fürchten liesse. Wird aber vor dem Erscheinen der Barbaren die Flucht ausgeführt, so ist es unmög- lich zu sagen, welche Umwälzung die unmittelbare Folge sein könnte. Der Geist sträubt sich, über diesen Gegenstand nachzudenken. Weit besser wäre geziemende Ueberlegung der Sache, als spätere unfrucht- bare Reue.
Noch eine Erwägung ist, dass es für Deine Majestät in ihrem jetzigen glücklichen Wohlbefinden nicht rathsam wäre, sich den Stra- pazen einer Reise während des noch heissen Herbstwetters aus- zusetzen.
Das sind die beschränkten Ansichten Deiner Minister u. s. w.
7. Mond. 27. Tag« (12. September).
3. Denkschrift von Tsi-nen-kiṅ, Präsidenten der Civil-Ver- waltung, gezeichnet von dreiundzwanzig Anderen.
»Dein Minister Tsi-nen-kiṅ und Andere überreichen knieend eine Denkschrift. Sie sprechen abermals ausführlich ihre Ansicht aus, um zu zeigen, dass die Abreise Deiner Majestät nach einem nördlich von Pe-kiṅ gelegenen Orte in der Hauptstadt grosse Aufregung verur- sachen muss, und dass das beste Mittel, die Ruhe herzustellen und den Geist der Armee zu stärken, sein würde, wenn Deine Majestät in Pe-kiṅ bliebe.
In einer Zeit der öffentlichen Trübsal ist der Mann von he- roischer Gesinnung bereit, auf seinem Posten zu sterben; und in einer solchen Zeit schickt sich für das Benehmen der Vornehmen und Ge- ringen nur die vollkommenste Reinheit und Wahrhaftigkeit. Deiner Majestät Diener haben heute ehrfurchtsvoll das Zinober-Decret gelesen, welches erklärt, dass die Anstalten für den Jagdzug Deiner Majestät als Vorbereitungen dazu dienen sollen, persönlich in das Feld zu
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Wenn sie die Dinge vom practischen Standpunct betrachten, so
können sie nicht begreifen, dass jetzt irgend eine Nothwendigkeit vor-
liegt zu dem fraglichen Unternehmen. Gesteht man zu, dass die ganze
Streitmacht der Barbaren kaum 10,000 Mann übersteigt und dass Saṅ-
ko-lin-sin mehr als 30,000 commandirt, so haben sie keinen Zweifel,
dass die Vielen die Wenigen schlagen werden. Aber sie möchten an
die Thatsache erinnern, dass die Barbaren, welche fernher über den
Ocean kamen, bis jetzt gezeigt haben, dass sie nur bedacht sind Han-
del zu treiben. Sie schlichen sich in Kuaṅ-tuṅ, Fu-kian, Shang-hae
und anderen Orten nur ein, um sich der Häfen zu bemächtigen, nicht
um das Land in Besitz zu nehmen; auch haben sie keine Eroberung
in China irgend versucht. Selbst der Punct ihrer Zulassung in Pe-
kiṅ möchte befriedigend zu erledigen sein. So ist denn in Allem was
vorgeht nichts, das ein grosses Unheil fürchten liesse. Wird aber vor
dem Erscheinen der Barbaren die Flucht ausgeführt, so ist es unmög-
lich zu sagen, welche Umwälzung die unmittelbare Folge sein könnte.
Der Geist sträubt sich, über diesen Gegenstand nachzudenken. Weit
besser wäre geziemende Ueberlegung der Sache, als spätere unfrucht-
bare Reue.
Noch eine Erwägung ist, dass es für Deine Majestät in ihrem
jetzigen glücklichen Wohlbefinden nicht rathsam wäre, sich den Stra-
pazen einer Reise während des noch heissen Herbstwetters aus-
zusetzen.
Das sind die beschränkten Ansichten Deiner Minister u. s. w.
7. Mond. 27. Tag« (12. September).
3. Denkschrift von Tsi-nen-kiṅ, Präsidenten der Civil-Ver-
waltung, gezeichnet von dreiundzwanzig Anderen.
»Dein Minister Tsi-nen-kiṅ und Andere überreichen knieend
eine Denkschrift. Sie sprechen abermals ausführlich ihre Ansicht aus,
um zu zeigen, dass die Abreise Deiner Majestät nach einem nördlich
von Pe-kiṅ gelegenen Orte in der Hauptstadt grosse Aufregung verur-
sachen muss, und dass das beste Mittel, die Ruhe herzustellen und
den Geist der Armee zu stärken, sein würde, wenn Deine Majestät in
Pe-kiṅ bliebe.
In einer Zeit der öffentlichen Trübsal ist der Mann von he-
roischer Gesinnung bereit, auf seinem Posten zu sterben; und in einer
solchen Zeit schickt sich für das Benehmen der Vornehmen und Ge-
ringen nur die vollkommenste Reinheit und Wahrhaftigkeit. Deiner
Majestät Diener haben heute ehrfurchtsvoll das Zinober-Decret gelesen,
welches erklärt, dass die Anstalten für den Jagdzug Deiner Majestät
als Vorbereitungen dazu dienen sollen, persönlich in das Feld zu
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/233>, abgerufen am 27.11.2024.
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