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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht.
Minister, Deine Majestät von der Reise abzubringen, aus persönlichen
Motiven und aus dem Wunsche entspringen, ihre eigene Gefahr zu
mindern. Darauf möchten sie erwiedern, dass eine Jagdreise bekannt-
lich niemals der ganzen Körperschaft der Beamten Unbequemlichkeit
verursachte, sondern im Gegentheil, dass, wenn sie ihren eigenen Vor-
theil wünschen, sie das Project begünstigen würden; denn es würde
ihnen selbst die Mittel bieten der Gefahr zu entrinnen.

Diese drei Fragen bieten sich dar: Was geschieht, wenn Deine
Majestät sich an einem ungeschützten Ort befindet? -- Was geschieht,
wenn Deiner Majestät Abreise Unruhen in der Hauptstadt hervorruft?
-- Was geschieht, wenn Deine Majestät irgendwo anders in ernstere
Gefahren geräth, als in denen Du in Pe-kin bist.

Deine Majestät ist mit der Maxime vertraut, dass der Fürst
verbunden ist sich für sein Land zu opfern. Aber ferne sei es von
Deinen Ministern, in einer Zeit wie die gegenwärtige Deiner Majestät
Gefühle verletzen zu wollen durch Anspielung auf solche Gedanken;
und in der That, die Krisis ist durchaus nicht so ernst, um bei den-
selben verweilen zu müssen. Die grosse Gefahr, die jetzt vermieden
werden soll, ist der Ausbruch innerer Unruhen. Auf jede Gefahr hin
legen Deine Minister die erneute Auseinandersetzung ihrer Ansichten
dar, erwarten Deiner Majestät Befehle u. s. w.

7. Mond. 28. Tag." (13. September.)

4. Denkschrift des Censor Ai-dzin, von vierundsiebzig Ande-
ren gezeichnet.

"Dein Minister Ai-dzin und Andere sprechen ehrfurchtsvoll
ihre Ansicht aus, dass die Hauptstadt nicht leichtfertig verlassen wer-
den darf.

Am 24. Tage des gegenwärtigen Mondes empfingen die Prinzen
und die Minister des Inneren Rathes ein Zinober-Decret, dahin lautend,
dass Deine Majestät auf einige Zeit zur Jagd verreisen wolle. Deine
Minister vernahmen das mit der äussersten Unruhe und Bestürzung.
Sie möchten demüthig bemerken, dass, wenn auch die Barbarenschiffe
Tien-tsin erreicht haben mögen, dieser Umstand doch in der Haupt-
stadt nicht viel Furcht erregt hat. Der Thron ist es, in welchem
alle Dinge gipfeln, auf welchen sich die Augen aller Menschen richten.
Ein Schritt von des Kaisers Fuss erschüttert die Erde.

Der fragliche Vorsatz muss also gefasst worden sein ohne ge-
ziemende Erwägung der Gefahren, welche daraus entstehen würden.
Unmöglich können der Hofstaat Deiner Majestät und die Prinzen und
Grossen Deines Gefolges, deren Familien in Pe-kin leben, geneigt
sein einen sicheren Aufenthalt zu verlassen, selbst im Dienst der

XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht.
Minister, Deine Majestät von der Reise abzubringen, aus persönlichen
Motiven und aus dem Wunsche entspringen, ihre eigene Gefahr zu
mindern. Darauf möchten sie erwiedern, dass eine Jagdreise bekannt-
lich niemals der ganzen Körperschaft der Beamten Unbequemlichkeit
verursachte, sondern im Gegentheil, dass, wenn sie ihren eigenen Vor-
theil wünschen, sie das Project begünstigen würden; denn es würde
ihnen selbst die Mittel bieten der Gefahr zu entrinnen.

Diese drei Fragen bieten sich dar: Was geschieht, wenn Deine
Majestät sich an einem ungeschützten Ort befindet? — Was geschieht,
wenn Deiner Majestät Abreise Unruhen in der Hauptstadt hervorruft?
— Was geschieht, wenn Deine Majestät irgendwo anders in ernstere
Gefahren geräth, als in denen Du in Pe-kiṅ bist.

Deine Majestät ist mit der Maxime vertraut, dass der Fürst
verbunden ist sich für sein Land zu opfern. Aber ferne sei es von
Deinen Ministern, in einer Zeit wie die gegenwärtige Deiner Majestät
Gefühle verletzen zu wollen durch Anspielung auf solche Gedanken;
und in der That, die Krisis ist durchaus nicht so ernst, um bei den-
selben verweilen zu müssen. Die grosse Gefahr, die jetzt vermieden
werden soll, ist der Ausbruch innerer Unruhen. Auf jede Gefahr hin
legen Deine Minister die erneute Auseinandersetzung ihrer Ansichten
dar, erwarten Deiner Majestät Befehle u. s. w.

7. Mond. 28. Tag.« (13. September.)

4. Denkschrift des Censor Ai-džin, von vierundsiebzig Ande-
ren gezeichnet.

»Dein Minister Ai-džin und Andere sprechen ehrfurchtsvoll
ihre Ansicht aus, dass die Hauptstadt nicht leichtfertig verlassen wer-
den darf.

Am 24. Tage des gegenwärtigen Mondes empfingen die Prinzen
und die Minister des Inneren Rathes ein Zinober-Decret, dahin lautend,
dass Deine Majestät auf einige Zeit zur Jagd verreisen wolle. Deine
Minister vernahmen das mit der äussersten Unruhe und Bestürzung.
Sie möchten demüthig bemerken, dass, wenn auch die Barbarenschiffe
Tien-tsin erreicht haben mögen, dieser Umstand doch in der Haupt-
stadt nicht viel Furcht erregt hat. Der Thron ist es, in welchem
alle Dinge gipfeln, auf welchen sich die Augen aller Menschen richten.
Ein Schritt von des Kaisers Fuss erschüttert die Erde.

Der fragliche Vorsatz muss also gefasst worden sein ohne ge-
ziemende Erwägung der Gefahren, welche daraus entstehen würden.
Unmöglich können der Hofstaat Deiner Majestät und die Prinzen und
Grossen Deines Gefolges, deren Familien in Pe-kiṅ leben, geneigt
sein einen sicheren Aufenthalt zu verlassen, selbst im Dienst der

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[221/0235] XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht. Minister, Deine Majestät von der Reise abzubringen, aus persönlichen Motiven und aus dem Wunsche entspringen, ihre eigene Gefahr zu mindern. Darauf möchten sie erwiedern, dass eine Jagdreise bekannt- lich niemals der ganzen Körperschaft der Beamten Unbequemlichkeit verursachte, sondern im Gegentheil, dass, wenn sie ihren eigenen Vor- theil wünschen, sie das Project begünstigen würden; denn es würde ihnen selbst die Mittel bieten der Gefahr zu entrinnen. Diese drei Fragen bieten sich dar: Was geschieht, wenn Deine Majestät sich an einem ungeschützten Ort befindet? — Was geschieht, wenn Deiner Majestät Abreise Unruhen in der Hauptstadt hervorruft? — Was geschieht, wenn Deine Majestät irgendwo anders in ernstere Gefahren geräth, als in denen Du in Pe-kiṅ bist. Deine Majestät ist mit der Maxime vertraut, dass der Fürst verbunden ist sich für sein Land zu opfern. Aber ferne sei es von Deinen Ministern, in einer Zeit wie die gegenwärtige Deiner Majestät Gefühle verletzen zu wollen durch Anspielung auf solche Gedanken; und in der That, die Krisis ist durchaus nicht so ernst, um bei den- selben verweilen zu müssen. Die grosse Gefahr, die jetzt vermieden werden soll, ist der Ausbruch innerer Unruhen. Auf jede Gefahr hin legen Deine Minister die erneute Auseinandersetzung ihrer Ansichten dar, erwarten Deiner Majestät Befehle u. s. w. 7. Mond. 28. Tag.« (13. September.) 4. Denkschrift des Censor Ai-džin, von vierundsiebzig Ande- ren gezeichnet. »Dein Minister Ai-džin und Andere sprechen ehrfurchtsvoll ihre Ansicht aus, dass die Hauptstadt nicht leichtfertig verlassen wer- den darf. Am 24. Tage des gegenwärtigen Mondes empfingen die Prinzen und die Minister des Inneren Rathes ein Zinober-Decret, dahin lautend, dass Deine Majestät auf einige Zeit zur Jagd verreisen wolle. Deine Minister vernahmen das mit der äussersten Unruhe und Bestürzung. Sie möchten demüthig bemerken, dass, wenn auch die Barbarenschiffe Tien-tsin erreicht haben mögen, dieser Umstand doch in der Haupt- stadt nicht viel Furcht erregt hat. Der Thron ist es, in welchem alle Dinge gipfeln, auf welchen sich die Augen aller Menschen richten. Ein Schritt von des Kaisers Fuss erschüttert die Erde. Der fragliche Vorsatz muss also gefasst worden sein ohne ge- ziemende Erwägung der Gefahren, welche daraus entstehen würden. Unmöglich können der Hofstaat Deiner Majestät und die Prinzen und Grossen Deines Gefolges, deren Familien in Pe-kiṅ leben, geneigt sein einen sicheren Aufenthalt zu verlassen, selbst im Dienst der

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/235>, abgerufen am 27.11.2024.