denn die meisten Reviere dieser Waldstadt, wo es mehr Palmen als Häuser geben mag, sind auch in der trockenen Jahreszeit nur zu Wasser zugänglich.
Herr Pieschel besuchte sogleich die Consuln von England und Frankreich, Sir Robert Schomburgk und Comte de Castelnau, und liess sich durch Ersteren am 25. November dem Phra-Klan oder Minister des Auswärtigen,53)Tsau Phya Rawe Mons Kosadhi- puti vorstellen, der ihn freundschaftlich empfing und im voraus die Erfüllung aller Wünsche verhiess. Er stellte sofort eine hinreichende Zahl königlicher Boote zur Verfügung, wollte alle Anordnungen für die Reisen der Naturforscher treffen und das für die preussische Gesandtschaft bestimmte Gebäude sofort in Bereitschaft setzen. Dort wurde schon rüstig gearbeitet. Der Phra-Klan, ein wohlgenährter Herr mit breitem pockennarbigem Antlitz, zeigte Herrn Pieschel die Räumlichkeiten und entschuldigte sich wegen deren Unzulänglichkeit: Siam sei ein armes Land und könne es nicht besser geben. -- Er trug den Saron,54) ein viereckiges Stück gemusterten Baumwollen- zeuges, das um die Hüften gewunden und mit einem zwischen den Lenden rückwärts durch den Gürtel gezogenen Zipfel festgehalten wird, und eine graue Merino-Jacke. Das ist die gewöhnliche Tracht der Siamesen; Schuh, Strümpfe und Wäsche mögen sie nicht; auch die Jacke legen zur heissen Tageszeit selbst die Vornehmsten ab, so dass nur jener Schurz übrig bleibt. Bei Festlichkeiten tragen die Grossen oft kostbare Gewänder, auch wohl europäische Unifor- men; im gewöhnlichen Leben unterscheiden sie sich kaum von ihren Trabanten, die gesenkten Hauptes im Staube kriechen. -- Das Haar wird bei Männern und Frauen rings um den Kopf geschoren; auf dem Scheitel bleibt etwa handgross ein Schopf stehen, der zolllang geschnitten, bürstenartig aufrecht steht.
Prinz Khroma-Luan Wonsa Dirai Snid, ein Halbbruder der beiden Könige, der schon seinen Sohn auf die Rhede hinausschickte, erschien mit zwei Töchtern wenige Stunden nach Herrn Pieschel's Ankunft zu dessen Begrüssung im Hause des Herrn Markwald. Bei Erwiederung des Besuches fand ihn der Legationssecretär in dem schwimmenden Hause vor seinem Palast, das er am liebsten
53)Phra-Klan heisst Grossschatzmeister; Siam's Beziehungen zu fremden Völkern scheinen zu allen Zeiten durch Träger dieser Würde vermittelt worden zu sein.
54) So nennen gewöhnlich die Fremden dieses Kleidungsstück, dessen siamesischer Namen nach PallegoixLanguti lautet.
XXI. Siamesische Grosse.
denn die meisten Reviere dieser Waldstadt, wo es mehr Palmen als Häuser geben mag, sind auch in der trockenen Jahreszeit nur zu Wasser zugänglich.
Herr Pieschel besuchte sogleich die Consuln von England und Frankreich, Sir Robert Schomburgk und Comte de Castelnau, und liess sich durch Ersteren am 25. November dem Phra-Klaṅ oder Minister des Auswärtigen,53)Tšau Phya Rawe Moṅs Kosadhi- puti vorstellen, der ihn freundschaftlich empfing und im voraus die Erfüllung aller Wünsche verhiess. Er stellte sofort eine hinreichende Zahl königlicher Boote zur Verfügung, wollte alle Anordnungen für die Reisen der Naturforscher treffen und das für die preussische Gesandtschaft bestimmte Gebäude sofort in Bereitschaft setzen. Dort wurde schon rüstig gearbeitet. Der Phra-Klaṅ, ein wohlgenährter Herr mit breitem pockennarbigem Antlitz, zeigte Herrn Pieschel die Räumlichkeiten und entschuldigte sich wegen deren Unzulänglichkeit: Siam sei ein armes Land und könne es nicht besser geben. — Er trug den Saroṅ,54) ein viereckiges Stück gemusterten Baumwollen- zeuges, das um die Hüften gewunden und mit einem zwischen den Lenden rückwärts durch den Gürtel gezogenen Zipfel festgehalten wird, und eine graue Merino-Jacke. Das ist die gewöhnliche Tracht der Siamesen; Schuh, Strümpfe und Wäsche mögen sie nicht; auch die Jacke legen zur heissen Tageszeit selbst die Vornehmsten ab, so dass nur jener Schurz übrig bleibt. Bei Festlichkeiten tragen die Grossen oft kostbare Gewänder, auch wohl europäische Unifor- men; im gewöhnlichen Leben unterscheiden sie sich kaum von ihren Trabanten, die gesenkten Hauptes im Staube kriechen. — Das Haar wird bei Männern und Frauen rings um den Kopf geschoren; auf dem Scheitel bleibt etwa handgross ein Schopf stehen, der zolllang geschnitten, bürstenartig aufrecht steht.
Prinz Khroma-Luaṅ Woṅsa Dirai Snid, ein Halbbruder der beiden Könige, der schon seinen Sohn auf die Rhede hinausschickte, erschien mit zwei Töchtern wenige Stunden nach Herrn Pieschel’s Ankunft zu dessen Begrüssung im Hause des Herrn Markwald. Bei Erwiederung des Besuches fand ihn der Legationssecretär in dem schwimmenden Hause vor seinem Palast, das er am liebsten
53)Phra-Klaṅ heisst Grossschatzmeister; Siam’s Beziehungen zu fremden Völkern scheinen zu allen Zeiten durch Träger dieser Würde vermittelt worden zu sein.
54) So nennen gewöhnlich die Fremden dieses Kleidungsstück, dessen siamesischer Namen nach PallégoixLanguti lautet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="231"/><fwplace="top"type="header">XXI. Siamesische Grosse.</fw><lb/>
denn die meisten Reviere dieser Waldstadt, wo es mehr Palmen als<lb/>
Häuser geben mag, sind auch in der trockenen Jahreszeit nur zu<lb/>
Wasser zugänglich.</p><lb/><p>Herr <persNameref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel</persName> besuchte sogleich die Consuln von <placeName>England</placeName><lb/>
und <placeName>Frankreich</placeName>, Sir <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118759086">Robert Schomburgk</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/104112166">Comte de Castelnau</persName>,<lb/>
und liess sich durch Ersteren am 25. November dem <hirendition="#k">Phra-Klaṅ</hi><lb/>
oder Minister des Auswärtigen,<noteplace="foot"n="53)"><hirendition="#k">Phra-Klaṅ</hi> heisst Grossschatzmeister; <placeName><hirendition="#k">Siam</hi>’s</placeName> Beziehungen zu fremden Völkern<lb/>
scheinen zu allen Zeiten durch Träger dieser Würde vermittelt worden zu sein.</note><hirendition="#k"><persNameref="nognd">Tšau Phya Rawe Moṅs Kosadhi-<lb/>
puti</persName></hi> vorstellen, der ihn freundschaftlich empfing und im voraus die<lb/>
Erfüllung aller Wünsche verhiess. Er stellte sofort eine hinreichende<lb/>
Zahl königlicher Boote zur Verfügung, wollte alle Anordnungen für<lb/>
die Reisen der Naturforscher treffen und das für die preussische<lb/>
Gesandtschaft bestimmte Gebäude sofort in Bereitschaft setzen. Dort<lb/>
wurde schon rüstig gearbeitet. Der <hirendition="#k">Phra-Klaṅ</hi>, ein wohlgenährter<lb/>
Herr mit breitem pockennarbigem Antlitz, zeigte Herrn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel</persName> die<lb/>
Räumlichkeiten und entschuldigte sich wegen deren Unzulänglichkeit:<lb/><hirendition="#k"><placeName>Siam</placeName></hi> sei ein armes Land und könne es nicht besser geben. — Er<lb/>
trug den <hirendition="#k">Saroṅ</hi>,<noteplace="foot"n="54)">So nennen gewöhnlich die Fremden dieses Kleidungsstück, dessen siamesischer<lb/>
Namen nach <persNameref="http://d-nb.info/gnd/141205164">Pallégoix</persName><hirendition="#k">Languti</hi> lautet.</note> ein viereckiges Stück gemusterten Baumwollen-<lb/>
zeuges, das um die Hüften gewunden und mit einem zwischen den<lb/>
Lenden rückwärts durch den Gürtel gezogenen Zipfel festgehalten<lb/>
wird, und eine graue Merino-Jacke. Das ist die gewöhnliche Tracht<lb/>
der Siamesen; Schuh, Strümpfe und Wäsche mögen sie nicht; auch<lb/>
die Jacke legen zur heissen Tageszeit selbst die Vornehmsten ab,<lb/>
so dass nur jener Schurz übrig bleibt. Bei Festlichkeiten tragen<lb/>
die Grossen oft kostbare Gewänder, auch wohl europäische Unifor-<lb/>
men; im gewöhnlichen Leben unterscheiden sie sich kaum von ihren<lb/>
Trabanten, die gesenkten Hauptes im Staube kriechen. — Das Haar<lb/>
wird bei Männern und Frauen rings um den Kopf geschoren; auf<lb/>
dem Scheitel bleibt etwa handgross ein Schopf stehen, der zolllang<lb/>
geschnitten, bürstenartig aufrecht steht.</p><lb/><p><persNameref="nognd">Prinz <hirendition="#k">Khroma-Luaṅ Woṅsa Dirai Snid</hi></persName>, ein Halbbruder der<lb/>
beiden Könige, der schon seinen Sohn auf die Rhede hinausschickte,<lb/>
erschien mit zwei Töchtern wenige Stunden nach Herrn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel’s</persName><lb/>
Ankunft zu dessen Begrüssung im Hause des Herrn <persNameref="nognd">Markwald</persName>.<lb/>
Bei Erwiederung des Besuches fand ihn der Legationssecretär in<lb/>
dem schwimmenden Hause vor seinem Palast, das er am liebsten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[231/0245]
XXI. Siamesische Grosse.
denn die meisten Reviere dieser Waldstadt, wo es mehr Palmen als
Häuser geben mag, sind auch in der trockenen Jahreszeit nur zu
Wasser zugänglich.
Herr Pieschel besuchte sogleich die Consuln von England
und Frankreich, Sir Robert Schomburgk und Comte de Castelnau,
und liess sich durch Ersteren am 25. November dem Phra-Klaṅ
oder Minister des Auswärtigen, 53) Tšau Phya Rawe Moṅs Kosadhi-
puti vorstellen, der ihn freundschaftlich empfing und im voraus die
Erfüllung aller Wünsche verhiess. Er stellte sofort eine hinreichende
Zahl königlicher Boote zur Verfügung, wollte alle Anordnungen für
die Reisen der Naturforscher treffen und das für die preussische
Gesandtschaft bestimmte Gebäude sofort in Bereitschaft setzen. Dort
wurde schon rüstig gearbeitet. Der Phra-Klaṅ, ein wohlgenährter
Herr mit breitem pockennarbigem Antlitz, zeigte Herrn Pieschel die
Räumlichkeiten und entschuldigte sich wegen deren Unzulänglichkeit:
Siam sei ein armes Land und könne es nicht besser geben. — Er
trug den Saroṅ, 54) ein viereckiges Stück gemusterten Baumwollen-
zeuges, das um die Hüften gewunden und mit einem zwischen den
Lenden rückwärts durch den Gürtel gezogenen Zipfel festgehalten
wird, und eine graue Merino-Jacke. Das ist die gewöhnliche Tracht
der Siamesen; Schuh, Strümpfe und Wäsche mögen sie nicht; auch
die Jacke legen zur heissen Tageszeit selbst die Vornehmsten ab,
so dass nur jener Schurz übrig bleibt. Bei Festlichkeiten tragen
die Grossen oft kostbare Gewänder, auch wohl europäische Unifor-
men; im gewöhnlichen Leben unterscheiden sie sich kaum von ihren
Trabanten, die gesenkten Hauptes im Staube kriechen. — Das Haar
wird bei Männern und Frauen rings um den Kopf geschoren; auf
dem Scheitel bleibt etwa handgross ein Schopf stehen, der zolllang
geschnitten, bürstenartig aufrecht steht.
Prinz Khroma-Luaṅ Woṅsa Dirai Snid, ein Halbbruder der
beiden Könige, der schon seinen Sohn auf die Rhede hinausschickte,
erschien mit zwei Töchtern wenige Stunden nach Herrn Pieschel’s
Ankunft zu dessen Begrüssung im Hause des Herrn Markwald.
Bei Erwiederung des Besuches fand ihn der Legationssecretär in
dem schwimmenden Hause vor seinem Palast, das er am liebsten
53) Phra-Klaṅ heisst Grossschatzmeister; Siam’s Beziehungen zu fremden Völkern
scheinen zu allen Zeiten durch Träger dieser Würde vermittelt worden zu sein.
54) So nennen gewöhnlich die Fremden dieses Kleidungsstück, dessen siamesischer
Namen nach Pallégoix Languti lautet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/245>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.