Das für die Gesandtschaft gemiethete Haus gehörte einem chinesischen Kaufmann, den nur energisches Zureden der obersten Behörde zur Abtretung vermochte. Die Gebäude gruppirten sich um zwei hintereinanderliegende Höfe: das vordere hatte nach der Strasse gar keine Fenster und enthielt nur untergeordnete Räume mit Eingängen vom ersten Hofe, wo der chinesische Thürhüter und die Ordonnanzen hausten. Ein Seitengebäude mit zwei hüb- schen Zimmern, welche Herr Marques bezog, verband es mit dem gegenüberliegenden Hauptgebäude, der Wohnung des Gesandten, deren Rückseite auf den zweiten Hof blickte. Diesen begrenzten rechts und links niedrige Gebäude mit Küchen- und Wirthschafts- räumen; gegenüber stand ein geräumiges Haus, welches die drei Attaches, Dr. Lucius und Maler Berg bezogen. Die Strassenfront war in Sandstein, alles Uebrige in feinem Backstein gebaut, mit Friesen in fein behauenem Sandstein, Blätterschmuck und grotesken Thiergestalten, und schweren grauen Ziegeldächern. -- Die Ein- gangsthür führte in einen Corridor, dessen Fortsetzung als be- dachter Gang die vierte Seite des ersten Hofes, der Wohnung des Herrn Marques gegenüber, bildete, dann rechts um das Mittelgebäude nach dem zweiten Hofe einbog. Der Estrich aller Wohngebäude lag einige Stufen erhöht. Zur Wohnung des Gesandten führte vom ersten Hofe eine Hauptthür; gradeaus gelangte man durch das Vorgemach in den Salon und weiter in grader Linie nach dem zweiten Hof; rechts vom Salon lag das Esszimmer, links das Schlaf- zimmer des Gesandten, deren Fenster auf den zweiten Hof gingen. Diese Räume waren anständig eingerichtet, die Wände und Decken hell tapeziert, hier und da mit geschnitztem Laubwerk aus dunkelem Holze von reicher durchbrochener Arbeit verziert, die Räume des Hintergebäudes aber nackt und kahl. Ein Theil des Fussbodens war hier in jedem Zimmer etwa sechs Fuss breit um anderthalb Fuss erhöht, eine Art Pritsche, die den Chinesen zugleich als Bett und als Ofen dient, denn es sind Feuerstellen mit Luftzügen darin; ihre Oberfläche besteht, wie der Estrich, aus festgestampftem und geglättetem Lehm. Alle Fenster haben ein reiches Rahmenwerk aus schmalen Leisten, das mit dünnem Papier beklebt ist. -- Im Ganzen war die Wohnung weder so geräumig noch so sauber, als unsere japanische; als Versammlungsraum musste Abends der zweite Hof dienen, doch hätten wir uns darüber nicht be- klagen mögen. Zum Glück ahnte beim Einzug niemand, dass
XV. Das Gesandtschaftshaus.
Das für die Gesandtschaft gemiethete Haus gehörte einem chinesischen Kaufmann, den nur energisches Zureden der obersten Behörde zur Abtretung vermochte. Die Gebäude gruppirten sich um zwei hintereinanderliegende Höfe: das vordere hatte nach der Strasse gar keine Fenster und enthielt nur untergeordnete Räume mit Eingängen vom ersten Hofe, wo der chinesische Thürhüter und die Ordonnanzen hausten. Ein Seitengebäude mit zwei hüb- schen Zimmern, welche Herr Marques bezog, verband es mit dem gegenüberliegenden Hauptgebäude, der Wohnung des Gesandten, deren Rückseite auf den zweiten Hof blickte. Diesen begrenzten rechts und links niedrige Gebäude mit Küchen- und Wirthschafts- räumen; gegenüber stand ein geräumiges Haus, welches die drei Attachés, Dr. Lucius und Maler Berg bezogen. Die Strassenfront war in Sandstein, alles Uebrige in feinem Backstein gebaut, mit Friesen in fein behauenem Sandstein, Blätterschmuck und grotesken Thiergestalten, und schweren grauen Ziegeldächern. — Die Ein- gangsthür führte in einen Corridor, dessen Fortsetzung als be- dachter Gang die vierte Seite des ersten Hofes, der Wohnung des Herrn Marques gegenüber, bildete, dann rechts um das Mittelgebäude nach dem zweiten Hofe einbog. Der Estrich aller Wohngebäude lag einige Stufen erhöht. Zur Wohnung des Gesandten führte vom ersten Hofe eine Hauptthür; gradeaus gelangte man durch das Vorgemach in den Salon und weiter in grader Linie nach dem zweiten Hof; rechts vom Salon lag das Esszimmer, links das Schlaf- zimmer des Gesandten, deren Fenster auf den zweiten Hof gingen. Diese Räume waren anständig eingerichtet, die Wände und Decken hell tapeziert, hier und da mit geschnitztem Laubwerk aus dunkelem Holze von reicher durchbrochener Arbeit verziert, die Räume des Hintergebäudes aber nackt und kahl. Ein Theil des Fussbodens war hier in jedem Zimmer etwa sechs Fuss breit um anderthalb Fuss erhöht, eine Art Pritsche, die den Chinesen zugleich als Bett und als Ofen dient, denn es sind Feuerstellen mit Luftzügen darin; ihre Oberfläche besteht, wie der Estrich, aus festgestampftem und geglättetem Lehm. Alle Fenster haben ein reiches Rahmenwerk aus schmalen Leisten, das mit dünnem Papier beklebt ist. — Im Ganzen war die Wohnung weder so geräumig noch so sauber, als unsere japanische; als Versammlungsraum musste Abends der zweite Hof dienen, doch hätten wir uns darüber nicht be- klagen mögen. Zum Glück ahnte beim Einzug niemand, dass
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XV. Das Gesandtschaftshaus.
Das für die Gesandtschaft gemiethete Haus gehörte einem
chinesischen Kaufmann, den nur energisches Zureden der obersten
Behörde zur Abtretung vermochte. Die Gebäude gruppirten sich
um zwei hintereinanderliegende Höfe: das vordere hatte nach der
Strasse gar keine Fenster und enthielt nur untergeordnete Räume
mit Eingängen vom ersten Hofe, wo der chinesische Thürhüter
und die Ordonnanzen hausten. Ein Seitengebäude mit zwei hüb-
schen Zimmern, welche Herr Marques bezog, verband es mit dem
gegenüberliegenden Hauptgebäude, der Wohnung des Gesandten,
deren Rückseite auf den zweiten Hof blickte. Diesen begrenzten
rechts und links niedrige Gebäude mit Küchen- und Wirthschafts-
räumen; gegenüber stand ein geräumiges Haus, welches die drei
Attachés, Dr. Lucius und Maler Berg bezogen. Die Strassenfront
war in Sandstein, alles Uebrige in feinem Backstein gebaut, mit
Friesen in fein behauenem Sandstein, Blätterschmuck und grotesken
Thiergestalten, und schweren grauen Ziegeldächern. — Die Ein-
gangsthür führte in einen Corridor, dessen Fortsetzung als be-
dachter Gang die vierte Seite des ersten Hofes, der Wohnung des
Herrn Marques gegenüber, bildete, dann rechts um das Mittelgebäude
nach dem zweiten Hofe einbog. Der Estrich aller Wohngebäude
lag einige Stufen erhöht. Zur Wohnung des Gesandten führte vom
ersten Hofe eine Hauptthür; gradeaus gelangte man durch das
Vorgemach in den Salon und weiter in grader Linie nach dem
zweiten Hof; rechts vom Salon lag das Esszimmer, links das Schlaf-
zimmer des Gesandten, deren Fenster auf den zweiten Hof gingen.
Diese Räume waren anständig eingerichtet, die Wände und Decken
hell tapeziert, hier und da mit geschnitztem Laubwerk aus dunkelem
Holze von reicher durchbrochener Arbeit verziert, die Räume des
Hintergebäudes aber nackt und kahl. Ein Theil des Fussbodens
war hier in jedem Zimmer etwa sechs Fuss breit um anderthalb
Fuss erhöht, eine Art Pritsche, die den Chinesen zugleich als Bett
und als Ofen dient, denn es sind Feuerstellen mit Luftzügen darin;
ihre Oberfläche besteht, wie der Estrich, aus festgestampftem und
geglättetem Lehm. Alle Fenster haben ein reiches Rahmenwerk
aus schmalen Leisten, das mit dünnem Papier beklebt ist. — Im
Ganzen war die Wohnung weder so geräumig noch so sauber, als
unsere japanische; als Versammlungsraum musste Abends der
zweite Hof dienen, doch hätten wir uns darüber nicht be-
klagen mögen. Zum Glück ahnte beim Einzug niemand, dass
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/25>, abgerufen am 23.11.2024.
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