Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XXI. Besuche. grossblättrigen Artocarpeen, dichten Ficus und hundert anderenLaubbäumen. Hier und da streckt eine Urania den breiten regel- mässigen Fächer in die Luft. -- Das "Lustschloss" bilden einige Backsteinhäuschen und Holzbuden, die, obwohl noch ganz neu, doch schon baufällig waren, so verderblich wirkt die Feuchtigkeit. Am Hauptgebäude führt eine Treppe zu einer Loggia hinauf, wo der König zu thronen pflegt, während die Prinzen und Grossen auf den Stufen kauern. Daran stösst ein Teich, in dessen Mitte auf künstlichem Hügel ein verfallener Pavillon steht. Von da über- sieht man das flache Reisland, das, zur Regenzeit überschwemmt, beim Blühen des Lotos den reizendsten Anblick gewähren soll. Jenseit des Teiches liegt ein der heiligen Pflanze geweihtes Tempel- chen mit unvollendetem Pratsedi. Der Gesandte tauschte mit den siamesischen Grossen viel- Bei einem Diner, das der Kalahum dem Gesandten und den XXI. Besuche. grossblättrigen Artocarpeen, dichten Ficus und hundert anderenLaubbäumen. Hier und da streckt eine Urania den breiten regel- mässigen Fächer in die Luft. — Das »Lustschloss« bilden einige Backsteinhäuschen und Holzbuden, die, obwohl noch ganz neu, doch schon baufällig waren, so verderblich wirkt die Feuchtigkeit. Am Hauptgebäude führt eine Treppe zu einer Loggia hinauf, wo der König zu thronen pflegt, während die Prinzen und Grossen auf den Stufen kauern. Daran stösst ein Teich, in dessen Mitte auf künstlichem Hügel ein verfallener Pavillon steht. Von da über- sieht man das flache Reisland, das, zur Regenzeit überschwemmt, beim Blühen des Lotos den reizendsten Anblick gewähren soll. Jenseit des Teiches liegt ein der heiligen Pflanze geweihtes Tempel- chen mit unvollendetem Pratšedi. Der Gesandte tauschte mit den siamesischen Grossen viel- Bei einem Diner, das der Kalahum dem Gesandten und den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0301" n="287"/><fw place="top" type="header">XXI. Besuche.</fw><lb/> grossblättrigen Artocarpeen, dichten Ficus und hundert anderen<lb/> Laubbäumen. Hier und da streckt eine Urania den breiten regel-<lb/> mässigen Fächer in die Luft. — Das »Lustschloss« bilden einige<lb/> Backsteinhäuschen und Holzbuden, die, obwohl noch ganz neu,<lb/> doch schon baufällig waren, so verderblich wirkt die Feuchtigkeit.<lb/> Am Hauptgebäude führt eine Treppe zu einer Loggia hinauf, wo<lb/> der König zu thronen pflegt, während die Prinzen und Grossen auf<lb/> den Stufen kauern. Daran stösst ein Teich, in dessen Mitte auf<lb/> künstlichem Hügel ein verfallener Pavillon steht. Von da über-<lb/> sieht man das flache Reisland, das, zur Regenzeit überschwemmt,<lb/> beim Blühen des Lotos den reizendsten Anblick gewähren soll.<lb/> Jenseit des Teiches liegt ein der heiligen Pflanze geweihtes Tempel-<lb/> chen mit unvollendetem <hi rendition="#k">Pratšedi</hi>.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Der Gesandte tauschte mit den siamesischen Grossen viel-<lb/> fach Höflichkeiten aus und besuchte unter Anderen den Bruder des<lb/><hi rendition="#k">Kalahum, <persName ref="nognd">Phaya Muntri Sri Surivoṅ</persName></hi>, der als Chef der Gesandt-<lb/> schaft in <placeName>England</placeName> und <placeName>Frankreich</placeName> gewesen war. Eine Londoner<lb/> Photographie stellte ihn im prächtigen Staatskleide dar; zu Hause<lb/> trug er ausser der eigenen Haut nur einen achtzehn Zoll langen<lb/><hi rendition="#k">Saroṅ</hi>. Auch seine wohlbeleibte Gemahlin, zu der <hi rendition="#k">Surivoṅ</hi> den<lb/> Gesandten führte, war nicht übermässig mit Stoffen beschwert.<lb/> Seine Wohnung hatte er nach englischem Muster bequem und ge-<lb/> schmackvoll eingerichtet; die Wände zierten gute Stiche und Photo-<lb/> graphieen. Die siamesischen Kostbarkeiten — ausser den gewöhn-<lb/> lichen Betelschalen, Kasten, Dosen und Spucknäpfen von rothem<lb/> und gelbem Gold eine schöne Sammlung hinterindischer Dolche<lb/> mit reichgearbeiteten Heften und Scheiden — füllten einen grossen<lb/> Glasschrank. Unter den Insignien seiner Würde zeigte er besonders<lb/> einen ihm vor kurzem als Zeichen des höchsten Ranges vom König<lb/> verliehenen goldenen Theetopf. — Vor dem Hause lag ein hübscher<lb/> Dampfer, den <hi rendition="#k">Surivoṅ</hi> dem Gesandten für Ausflüge zur Verfügung<lb/> stellte.</p><lb/> <p>Bei einem Diner, das der <hi rendition="#k">Kalahum</hi> dem Gesandten und den<lb/> Commandeuren der Kriegsschiffe gab, trugen die Grossen am Ober-<lb/> körper europäische Uniform. Der Wirth erschien in grünem gold-<lb/> gesticktem eng anschliessendem Waffenrock; der <hi rendition="#k">Saroṅ</hi> war diesmal<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [287/0301]
XXI. Besuche.
grossblättrigen Artocarpeen, dichten Ficus und hundert anderen
Laubbäumen. Hier und da streckt eine Urania den breiten regel-
mässigen Fächer in die Luft. — Das »Lustschloss« bilden einige
Backsteinhäuschen und Holzbuden, die, obwohl noch ganz neu,
doch schon baufällig waren, so verderblich wirkt die Feuchtigkeit.
Am Hauptgebäude führt eine Treppe zu einer Loggia hinauf, wo
der König zu thronen pflegt, während die Prinzen und Grossen auf
den Stufen kauern. Daran stösst ein Teich, in dessen Mitte auf
künstlichem Hügel ein verfallener Pavillon steht. Von da über-
sieht man das flache Reisland, das, zur Regenzeit überschwemmt,
beim Blühen des Lotos den reizendsten Anblick gewähren soll.
Jenseit des Teiches liegt ein der heiligen Pflanze geweihtes Tempel-
chen mit unvollendetem Pratšedi.
Der Gesandte tauschte mit den siamesischen Grossen viel-
fach Höflichkeiten aus und besuchte unter Anderen den Bruder des
Kalahum, Phaya Muntri Sri Surivoṅ, der als Chef der Gesandt-
schaft in England und Frankreich gewesen war. Eine Londoner
Photographie stellte ihn im prächtigen Staatskleide dar; zu Hause
trug er ausser der eigenen Haut nur einen achtzehn Zoll langen
Saroṅ. Auch seine wohlbeleibte Gemahlin, zu der Surivoṅ den
Gesandten führte, war nicht übermässig mit Stoffen beschwert.
Seine Wohnung hatte er nach englischem Muster bequem und ge-
schmackvoll eingerichtet; die Wände zierten gute Stiche und Photo-
graphieen. Die siamesischen Kostbarkeiten — ausser den gewöhn-
lichen Betelschalen, Kasten, Dosen und Spucknäpfen von rothem
und gelbem Gold eine schöne Sammlung hinterindischer Dolche
mit reichgearbeiteten Heften und Scheiden — füllten einen grossen
Glasschrank. Unter den Insignien seiner Würde zeigte er besonders
einen ihm vor kurzem als Zeichen des höchsten Ranges vom König
verliehenen goldenen Theetopf. — Vor dem Hause lag ein hübscher
Dampfer, den Surivoṅ dem Gesandten für Ausflüge zur Verfügung
stellte.
Bei einem Diner, das der Kalahum dem Gesandten und den
Commandeuren der Kriegsschiffe gab, trugen die Grossen am Ober-
körper europäische Uniform. Der Wirth erschien in grünem gold-
gesticktem eng anschliessendem Waffenrock; der Saroṅ war diesmal
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