volles Dutzend Hühner kauft. Erst gegen ein Uhr Nachts wurde das Essen fertig; dann waren aber alle Leiden vergessen.
Am nächsten Morgen stürmte es heftig, die Luft war herbst- lich kühl. Auch der Wald sah herbstlich aus, denn in der trocke- nen Zeit verlieren viele Bäume ihr Laub wie bei uns im Winter; fahle Blätter deckten den Boden. Wir verbrachten den Tag mit Spaziergängen und Besichtigung der Tempel, die sich malerisch auf schroffen Marmorklippen erheben. Der vornehmste steht über dem Fusstapfen Buddas, ein kleines quadratisches von einer Pfei- lerstellung umgebenes Gebäude, dessen vergoldetes Dach in eine spitze Spindel ausläuft. Die Wände und Pfeiler sind mit Goldstuck und Glasmosaik bekleidet, das Innere mag kaum funfzehn Fuss Seite haben; der Fusstapfen, eine fast vier Fuss lange Vertiefung im Felsboden, deren Umriss ungefähr einer Fussohle gleicht, ist ganz mit Goldblech ausgekleidet; den Boden decken Matten aus Silberstreifen, die Thürschwellen sind von massivem Silber, die Thürflügel mit glänzenden Metallen und Perlmutter eingelegt. Ueber dem Fusstapfen steht ein Baldachin aus Goldblech mit Edelsteinen und Flitterzierrath. Bei aller der Pracht ist das Tempelchen schmutzig und elend gehalten. Als der heilige Fusstapfen 1602 gefunden oder ausgehöhlt wurde, machte man zugleich die merk- würdige Entdeckung, dass Budda beim Scheiden von der Erde hier aufgetreten sei, um sich mit dem nächsten Schritt auf den Adamspic, dann in den Himmel zu schwingen.
Hinter und neben diesem Gebäude liegen andere Tempel über den Felssporn ausgestreut; jede Klippe trägt ein zierliches Pratsedi. Am Fusse des Vorgebirges stehen wie in einem Palmengarten die Klostergebäude, viele Rasthallen für Pilger und die Häuser der Grossen. Von oben gesehen gruppiren sich die goldenen Tempel- dächer und schimmernden Pratsedi auf den bläulichen Klippen zu malerischen Vordergründen; aus den Felsritzen spriessen bunt- blühende Sträucher und Bambusgestrüpp. Höher hinauf deckt lichtes Gehölz die Hänge. Unten streckt sich unabsehbar der Bambuswald, den die Phantasie mit wilden Elephanten, Tigern, Rhinoceros und Crocodilen bevölkert. Angebaute Landstriche giebt es nur längs der Wasserläufe.
Ein einsamer Pfad führt am südlichen Fuss des Bergsporns hin zum höheren Gebirgsstock. Auch hier bildet die Hauptmasse des Waldes der bündelartig wachsende Bambus, vermischt mit blü-
XXII. Phrabat.
volles Dutzend Hühner kauft. Erst gegen ein Uhr Nachts wurde das Essen fertig; dann waren aber alle Leiden vergessen.
Am nächsten Morgen stürmte es heftig, die Luft war herbst- lich kühl. Auch der Wald sah herbstlich aus, denn in der trocke- nen Zeit verlieren viele Bäume ihr Laub wie bei uns im Winter; fahle Blätter deckten den Boden. Wir verbrachten den Tag mit Spaziergängen und Besichtigung der Tempel, die sich malerisch auf schroffen Marmorklippen erheben. Der vornehmste steht über dem Fusstapfen Buddas, ein kleines quadratisches von einer Pfei- lerstellung umgebenes Gebäude, dessen vergoldetes Dach in eine spitze Spindel ausläuft. Die Wände und Pfeiler sind mit Goldstuck und Glasmosaik bekleidet, das Innere mag kaum funfzehn Fuss Seite haben; der Fusstapfen, eine fast vier Fuss lange Vertiefung im Felsboden, deren Umriss ungefähr einer Fussohle gleicht, ist ganz mit Goldblech ausgekleidet; den Boden decken Matten aus Silberstreifen, die Thürschwellen sind von massivem Silber, die Thürflügel mit glänzenden Metallen und Perlmutter eingelegt. Ueber dem Fusstapfen steht ein Baldachin aus Goldblech mit Edelsteinen und Flitterzierrath. Bei aller der Pracht ist das Tempelchen schmutzig und elend gehalten. Als der heilige Fusstapfen 1602 gefunden oder ausgehöhlt wurde, machte man zugleich die merk- würdige Entdeckung, dass Budda beim Scheiden von der Erde hier aufgetreten sei, um sich mit dem nächsten Schritt auf den Adamspic, dann in den Himmel zu schwingen.
Hinter und neben diesem Gebäude liegen andere Tempel über den Felssporn ausgestreut; jede Klippe trägt ein zierliches Pratšedi. Am Fusse des Vorgebirges stehen wie in einem Palmengarten die Klostergebäude, viele Rasthallen für Pilger und die Häuser der Grossen. Von oben gesehen gruppiren sich die goldenen Tempel- dächer und schimmernden Pratšedi auf den bläulichen Klippen zu malerischen Vordergründen; aus den Felsritzen spriessen bunt- blühende Sträucher und Bambusgestrüpp. Höher hinauf deckt lichtes Gehölz die Hänge. Unten streckt sich unabsehbar der Bambuswald, den die Phantasie mit wilden Elephanten, Tigern, Rhinoceros und Crocodilen bevölkert. Angebaute Landstriche giebt es nur längs der Wasserläufe.
Ein einsamer Pfad führt am südlichen Fuss des Bergsporns hin zum höheren Gebirgsstock. Auch hier bildet die Hauptmasse des Waldes der bündelartig wachsende Bambus, vermischt mit blü-
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XXII. Phrabat.
volles Dutzend Hühner kauft. Erst gegen ein Uhr Nachts wurde
das Essen fertig; dann waren aber alle Leiden vergessen.
Am nächsten Morgen stürmte es heftig, die Luft war herbst-
lich kühl. Auch der Wald sah herbstlich aus, denn in der trocke-
nen Zeit verlieren viele Bäume ihr Laub wie bei uns im Winter;
fahle Blätter deckten den Boden. Wir verbrachten den Tag mit
Spaziergängen und Besichtigung der Tempel, die sich malerisch
auf schroffen Marmorklippen erheben. Der vornehmste steht über
dem Fusstapfen Buddas, ein kleines quadratisches von einer Pfei-
lerstellung umgebenes Gebäude, dessen vergoldetes Dach in eine
spitze Spindel ausläuft. Die Wände und Pfeiler sind mit Goldstuck
und Glasmosaik bekleidet, das Innere mag kaum funfzehn Fuss
Seite haben; der Fusstapfen, eine fast vier Fuss lange Vertiefung
im Felsboden, deren Umriss ungefähr einer Fussohle gleicht, ist
ganz mit Goldblech ausgekleidet; den Boden decken Matten aus
Silberstreifen, die Thürschwellen sind von massivem Silber, die
Thürflügel mit glänzenden Metallen und Perlmutter eingelegt. Ueber
dem Fusstapfen steht ein Baldachin aus Goldblech mit Edelsteinen
und Flitterzierrath. Bei aller der Pracht ist das Tempelchen
schmutzig und elend gehalten. Als der heilige Fusstapfen 1602
gefunden oder ausgehöhlt wurde, machte man zugleich die merk-
würdige Entdeckung, dass Budda beim Scheiden von der Erde hier
aufgetreten sei, um sich mit dem nächsten Schritt auf den Adamspic,
dann in den Himmel zu schwingen.
Hinter und neben diesem Gebäude liegen andere Tempel über
den Felssporn ausgestreut; jede Klippe trägt ein zierliches Pratšedi.
Am Fusse des Vorgebirges stehen wie in einem Palmengarten die
Klostergebäude, viele Rasthallen für Pilger und die Häuser der
Grossen. Von oben gesehen gruppiren sich die goldenen Tempel-
dächer und schimmernden Pratšedi auf den bläulichen Klippen zu
malerischen Vordergründen; aus den Felsritzen spriessen bunt-
blühende Sträucher und Bambusgestrüpp. Höher hinauf deckt lichtes
Gehölz die Hänge. Unten streckt sich unabsehbar der Bambuswald,
den die Phantasie mit wilden Elephanten, Tigern, Rhinoceros und
Crocodilen bevölkert. Angebaute Landstriche giebt es nur längs der
Wasserläufe.
Ein einsamer Pfad führt am südlichen Fuss des Bergsporns
hin zum höheren Gebirgsstock. Auch hier bildet die Hauptmasse
des Waldes der bündelartig wachsende Bambus, vermischt mit blü-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/323>, abgerufen am 28.11.2024.
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