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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Hülfsquellen von Siam. XXII.
Damals war Kon-mut mit Aufstellung einer Münze beschäftigt, die
der König aus England bezog. Dass sein Streben aus edeler Ge-
sinnung quoll, bewies am deutlichsten folgende Thatsache: Kon-
mut
druckte einst in seinem Hause das siamesische Gesetzbuch, in
der Hoffnung, dessen Verbreitung im Lande zu bewirken; der König
soll jedoch so heftig darüber gezürnt haben, dass er ihn zum Tode
verurtheilte und nur widerstrebend begnadigte. Die gedruckten
Exemplare mussten verbrannt werden.

Reife Früchte könnte unsere Gesittung den Siamesen wohl
nur tragen, wenn sie darin erzogen würden. Damals hatten sie
sich bloss angeeignet, was mit Geld zu bezahlen ist: Uniformen,
Silberzeug, Bier und Champagner, Maschinen und Dampfer. Letztere,
etwa dreissig, welche die Könige und die Grossen besassen, waren
meist in kläglichem Zustande. Tüchtige europäische Maschinisten
sind den Siamesen zu theuer: die untergeordneten Leute, welche
sie in Dienst nahmen, ergaben sich, da die Schiffe selten benutzt
wurden, aus Mangel an Beschäftigung meist dem Trunke. Die ein-
heimischen Maschinisten hatten wohl dunkele Begriffe vom Wasser-
kochen und lernten die Hähne drehen; lockerte sich jedoch eine
Schraube, so standen die Räder bis auf ferne Zeiten still. Den
Schiffsbau haben die Siamesen gelernt; sie sind treffliche Zimmer-
leute und besitzen im kieselhaltigen Holz der Tectona grandis wohl
das beste Material der Erde. Die grossen Teka-Waldungen gehören
meist dem König und müssten, gut verwaltet, unerschöpfliche
Quellen des Reichthums sein. In ihnen und dem Reisbau liegt die
Zukunft des Landes; denn Siam ist die grosse Kornkammer von
Hinter-Asien, besonders von China, dessen Bevölkerung grössten-
theils von Reisnahrung lebt. Während nur die südlichsten Striche
des grossen Reiches in die Tropen hineinreichen und die Ernten
dort häufig missrathen, ist in dem gleichmässigen Klima von Siam
Misswachs viel seltener; die weiten Ebenen erzeugen, obgleich nur
zum kleinsten Theil angebaut, weit über das Bedürfniss der Be-
wohner und könnten halb Asien versorgen. Dazu müsste freilich
auch die Bevölkerung wachsen, wozu bei der jetzigen Verfassung
wenig Aussicht ist. Vielleicht wird einmal durch Einwanderung
geholfen. Für Europäer ist das Klima ungeeignet; nicht nur würden
ihre Nachkommen degeneriren, sondern auch die eingewanderten
Arbeiter verlören in der weichen erschlaffenden Luft, beim geringen
Wechsel der Jahreszeiten alle Spannkraft. Müssen doch selbst

Hülfsquellen von Siam. XXII.
Damals war Kon-mut mit Aufstellung einer Münze beschäftigt, die
der König aus England bezog. Dass sein Streben aus edeler Ge-
sinnung quoll, bewies am deutlichsten folgende Thatsache: Kon-
mut
druckte einst in seinem Hause das siamesische Gesetzbuch, in
der Hoffnung, dessen Verbreitung im Lande zu bewirken; der König
soll jedoch so heftig darüber gezürnt haben, dass er ihn zum Tode
verurtheilte und nur widerstrebend begnadigte. Die gedruckten
Exemplare mussten verbrannt werden.

Reife Früchte könnte unsere Gesittung den Siamesen wohl
nur tragen, wenn sie darin erzogen würden. Damals hatten sie
sich bloss angeeignet, was mit Geld zu bezahlen ist: Uniformen,
Silberzeug, Bier und Champagner, Maschinen und Dampfer. Letztere,
etwa dreissig, welche die Könige und die Grossen besassen, waren
meist in kläglichem Zustande. Tüchtige europäische Maschinisten
sind den Siamesen zu theuer: die untergeordneten Leute, welche
sie in Dienst nahmen, ergaben sich, da die Schiffe selten benutzt
wurden, aus Mangel an Beschäftigung meist dem Trunke. Die ein-
heimischen Maschinisten hatten wohl dunkele Begriffe vom Wasser-
kochen und lernten die Hähne drehen; lockerte sich jedoch eine
Schraube, so standen die Räder bis auf ferne Zeiten still. Den
Schiffsbau haben die Siamesen gelernt; sie sind treffliche Zimmer-
leute und besitzen im kieselhaltigen Holz der Tectona grandis wohl
das beste Material der Erde. Die grossen Teka-Waldungen gehören
meist dem König und müssten, gut verwaltet, unerschöpfliche
Quellen des Reichthums sein. In ihnen und dem Reisbau liegt die
Zukunft des Landes; denn Siam ist die grosse Kornkammer von
Hinter-Asien, besonders von China, dessen Bevölkerung grössten-
theils von Reisnahrung lebt. Während nur die südlichsten Striche
des grossen Reiches in die Tropen hineinreichen und die Ernten
dort häufig missrathen, ist in dem gleichmässigen Klima von Siam
Misswachs viel seltener; die weiten Ebenen erzeugen, obgleich nur
zum kleinsten Theil angebaut, weit über das Bedürfniss der Be-
wohner und könnten halb Asien versorgen. Dazu müsste freilich
auch die Bevölkerung wachsen, wozu bei der jetzigen Verfassung
wenig Aussicht ist. Vielleicht wird einmal durch Einwanderung
geholfen. Für Europäer ist das Klima ungeeignet; nicht nur würden
ihre Nachkommen degeneriren, sondern auch die eingewanderten
Arbeiter verlören in der weichen erschlaffenden Luft, beim geringen
Wechsel der Jahreszeiten alle Spannkraft. Müssen doch selbst

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[342/0356] Hülfsquellen von Siam. XXII. Damals war Kon-mut mit Aufstellung einer Münze beschäftigt, die der König aus England bezog. Dass sein Streben aus edeler Ge- sinnung quoll, bewies am deutlichsten folgende Thatsache: Kon- mut druckte einst in seinem Hause das siamesische Gesetzbuch, in der Hoffnung, dessen Verbreitung im Lande zu bewirken; der König soll jedoch so heftig darüber gezürnt haben, dass er ihn zum Tode verurtheilte und nur widerstrebend begnadigte. Die gedruckten Exemplare mussten verbrannt werden. Reife Früchte könnte unsere Gesittung den Siamesen wohl nur tragen, wenn sie darin erzogen würden. Damals hatten sie sich bloss angeeignet, was mit Geld zu bezahlen ist: Uniformen, Silberzeug, Bier und Champagner, Maschinen und Dampfer. Letztere, etwa dreissig, welche die Könige und die Grossen besassen, waren meist in kläglichem Zustande. Tüchtige europäische Maschinisten sind den Siamesen zu theuer: die untergeordneten Leute, welche sie in Dienst nahmen, ergaben sich, da die Schiffe selten benutzt wurden, aus Mangel an Beschäftigung meist dem Trunke. Die ein- heimischen Maschinisten hatten wohl dunkele Begriffe vom Wasser- kochen und lernten die Hähne drehen; lockerte sich jedoch eine Schraube, so standen die Räder bis auf ferne Zeiten still. Den Schiffsbau haben die Siamesen gelernt; sie sind treffliche Zimmer- leute und besitzen im kieselhaltigen Holz der Tectona grandis wohl das beste Material der Erde. Die grossen Teka-Waldungen gehören meist dem König und müssten, gut verwaltet, unerschöpfliche Quellen des Reichthums sein. In ihnen und dem Reisbau liegt die Zukunft des Landes; denn Siam ist die grosse Kornkammer von Hinter-Asien, besonders von China, dessen Bevölkerung grössten- theils von Reisnahrung lebt. Während nur die südlichsten Striche des grossen Reiches in die Tropen hineinreichen und die Ernten dort häufig missrathen, ist in dem gleichmässigen Klima von Siam Misswachs viel seltener; die weiten Ebenen erzeugen, obgleich nur zum kleinsten Theil angebaut, weit über das Bedürfniss der Be- wohner und könnten halb Asien versorgen. Dazu müsste freilich auch die Bevölkerung wachsen, wozu bei der jetzigen Verfassung wenig Aussicht ist. Vielleicht wird einmal durch Einwanderung geholfen. Für Europäer ist das Klima ungeeignet; nicht nur würden ihre Nachkommen degeneriren, sondern auch die eingewanderten Arbeiter verlören in der weichen erschlaffenden Luft, beim geringen Wechsel der Jahreszeiten alle Spannkraft. Müssen doch selbst

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/356>, abgerufen am 25.11.2024.