nadelfeinen Hakenzähne können kaum beissen und höchstens kleine Vierfüssler festhalten, die sie unversehens packt.
Eines Tages kaufte Dr. Friedel von Seiner Majestät Schiff Arkona, der in Bankok eifrig Naturalien sammelte und schon mehrere Pythons in Spiritus eingemacht hatte, eine elf Fuss lange Riesenschlange, die er lebend mitnehmen wollte. Der Deckel ihres Behältnisses war aus starken Latten gefügt, die etwa einen Zoll auseinanderstanden. Bei Tage lag sie träge zusammengeringelt und verschmähte sogar ein zu ihr eingesperrtes lebendes Huhn. Während der Nacht stand der Kasten auf unserer Veranda. Vor Tages- grauen wurden die dort schlafenden Matrosen durch etwas Kaltes, Schuppiges geweckt, das sich über ihre Gesichter wälzte. Herr Python, dessen Taille im gewöhnlichen Zustande reichlich fünf Zoll im Durchmesser stark war, hatte sich durch die Latten gezwängt und wollte ausrücken, wurde von den Matrosen und dem vom Lärm geweckten Besitzer am Schwanze gepackt, als der Vorder- körper schon in den Hof hinabhing, klammerte sich aber mit den Bauchschuppen so fest an das Geländer, dass alles Zerren umsonst war. Nicht kaltblütig genug, um den Flüchtling auf andere Art dingfest zu machen, sprangen einige Matrosen in den Hof hinab und schlugen ihn mit Knüppeln todt.
Kämpfe von Elephanten gegen einander und gegen Büffel oder Tiger, deren die Franzosen des 17. Jahrhunderts an den Höfen von Lophaburi und Ayutia so häufig erwähnen, scheinen jetzt selten zu sein. Der Kraal bei Ayutia, in welchem die Elephanten gefan- gen werden, wird noch heute benutzt, eine Verzäunung von starken Tekastämmen und einer sechs Fuss dicken Mauer, in welche die wilden Bestien durch zahme Weibchen, die man in die Wälder schickt, halb gelockt, halb getrieben werden. Die Zähmung ge- schieht durch Hunger und gutes Futter, namentlich Zuckerrohr, das die Elephanten sehr lieben.
Am 18. Februar nahm Graf Eulenburg Abschied von Sir Robert Schomburgk, dem Prinzen Khroma-luan und dem Phra-klan. Den letzten Abend in Bankok gab uns noch ein bei Wat Po aus- brechendes Feuer, das alle die bunten Tempel und den grossen Phra-pran von Wat Dzen glühend erhellte, ein wunderbares Schau-
Thierwelt. XXII.
nadelfeinen Hakenzähne können kaum beissen und höchstens kleine Vierfüssler festhalten, die sie unversehens packt.
Eines Tages kaufte Dr. Friedel von Seiner Majestät Schiff Arkona, der in Baṅkok eifrig Naturalien sammelte und schon mehrere Pythons in Spiritus eingemacht hatte, eine elf Fuss lange Riesenschlange, die er lebend mitnehmen wollte. Der Deckel ihres Behältnisses war aus starken Latten gefügt, die etwa einen Zoll auseinanderstanden. Bei Tage lag sie träge zusammengeringelt und verschmähte sogar ein zu ihr eingesperrtes lebendes Huhn. Während der Nacht stand der Kasten auf unserer Veranda. Vor Tages- grauen wurden die dort schlafenden Matrosen durch etwas Kaltes, Schuppiges geweckt, das sich über ihre Gesichter wälzte. Herr Python, dessen Taille im gewöhnlichen Zustande reichlich fünf Zoll im Durchmesser stark war, hatte sich durch die Latten gezwängt und wollte ausrücken, wurde von den Matrosen und dem vom Lärm geweckten Besitzer am Schwanze gepackt, als der Vorder- körper schon in den Hof hinabhing, klammerte sich aber mit den Bauchschuppen so fest an das Geländer, dass alles Zerren umsonst war. Nicht kaltblütig genug, um den Flüchtling auf andere Art dingfest zu machen, sprangen einige Matrosen in den Hof hinab und schlugen ihn mit Knüppeln todt.
Kämpfe von Elephanten gegen einander und gegen Büffel oder Tiger, deren die Franzosen des 17. Jahrhunderts an den Höfen von Lophaburi und Ayutia so häufig erwähnen, scheinen jetzt selten zu sein. Der Kraal bei Ayutia, in welchem die Elephanten gefan- gen werden, wird noch heute benutzt, eine Verzäunung von starken Tekastämmen und einer sechs Fuss dicken Mauer, in welche die wilden Bestien durch zahme Weibchen, die man in die Wälder schickt, halb gelockt, halb getrieben werden. Die Zähmung ge- schieht durch Hunger und gutes Futter, namentlich Zuckerrohr, das die Elephanten sehr lieben.
Am 18. Februar nahm Graf Eulenburg Abschied von Sir Robert Schomburgk, dem Prinzen Khroma-luaṅ und dem Phra-klaṅ. Den letzten Abend in Baṅkok gab uns noch ein bei Wat Po aus- brechendes Feuer, das alle die bunten Tempel und den grossen Phra-praṅ von Wat Džeṅ glühend erhellte, ein wunderbares Schau-
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Thierwelt. XXII.
nadelfeinen Hakenzähne können kaum beissen und höchstens kleine
Vierfüssler festhalten, die sie unversehens packt.
Eines Tages kaufte Dr. Friedel von Seiner Majestät Schiff
Arkona, der in Baṅkok eifrig Naturalien sammelte und schon
mehrere Pythons in Spiritus eingemacht hatte, eine elf Fuss lange
Riesenschlange, die er lebend mitnehmen wollte. Der Deckel ihres
Behältnisses war aus starken Latten gefügt, die etwa einen Zoll
auseinanderstanden. Bei Tage lag sie träge zusammengeringelt und
verschmähte sogar ein zu ihr eingesperrtes lebendes Huhn. Während
der Nacht stand der Kasten auf unserer Veranda. Vor Tages-
grauen wurden die dort schlafenden Matrosen durch etwas Kaltes,
Schuppiges geweckt, das sich über ihre Gesichter wälzte. Herr
Python, dessen Taille im gewöhnlichen Zustande reichlich fünf Zoll
im Durchmesser stark war, hatte sich durch die Latten gezwängt
und wollte ausrücken, wurde von den Matrosen und dem vom
Lärm geweckten Besitzer am Schwanze gepackt, als der Vorder-
körper schon in den Hof hinabhing, klammerte sich aber mit den
Bauchschuppen so fest an das Geländer, dass alles Zerren umsonst
war. Nicht kaltblütig genug, um den Flüchtling auf andere Art
dingfest zu machen, sprangen einige Matrosen in den Hof hinab
und schlugen ihn mit Knüppeln todt.
Kämpfe von Elephanten gegen einander und gegen Büffel
oder Tiger, deren die Franzosen des 17. Jahrhunderts an den Höfen
von Lophaburi und Ayutia so häufig erwähnen, scheinen jetzt selten
zu sein. Der Kraal bei Ayutia, in welchem die Elephanten gefan-
gen werden, wird noch heute benutzt, eine Verzäunung von starken
Tekastämmen und einer sechs Fuss dicken Mauer, in welche die
wilden Bestien durch zahme Weibchen, die man in die Wälder
schickt, halb gelockt, halb getrieben werden. Die Zähmung ge-
schieht durch Hunger und gutes Futter, namentlich Zuckerrohr,
das die Elephanten sehr lieben.
Am 18. Februar nahm Graf Eulenburg Abschied von Sir
Robert Schomburgk, dem Prinzen Khroma-luaṅ und dem Phra-klaṅ.
Den letzten Abend in Baṅkok gab uns noch ein bei Wat Po aus-
brechendes Feuer, das alle die bunten Tempel und den grossen
Phra-praṅ von Wat Džeṅ glühend erhellte, ein wunderbares Schau-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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