Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XV. Trödelbuden. Vasen aus der Min-Zeit, mit schönem Blumen-Ornament aufdunkelrothem Grunde und figuristischen Darstellungen von reicher Composition, höchster Anmuth in Ausdruck und Gebehrde, und zar- tester Ausführung; andere mit tiefglühender unter der Glasur ein- gebrannter Malerei, deren technisches Geheimniss jetzt auch in China verloren zu sein scheint. Es giebt jedoch solcher farben- prächtiger Gefässe noch aus Kien-lon's grosser Zeit, die, ihr eige- nes Gepräge tragend, sich in Darstellung reichen Blumenschmuckes auf hellem Grunde gefiel. Besonders merkwürdig sind viele Emails dieser Periode, die, nach französischen Zeichnungen gefertigt, Land- schaften mit Schäferscenen im Geschmack von Watteau und Lancret darstellen; man könnte an ihrem chinesischen Ursprung zweifeln, wenn kein Fabrikzeichen vorhanden wäre. Von dieser Art glatter Emaille strotzten alle Trödelbuden in Tien-tsin, ebenso von der- jenigen, welche nur stellenweise auf Goldbronce angebracht, sich vorzüglich an Tempelgeräth, Leuchtern und Rauchgefässen findet. Die seltenste und theuerste ist die "Cloisonne" genannte Gattung, die, vor 1860 in Europa wahrscheinlich nur durch wenige Stücke vertreten, selbst vielen Sammlern kaum bekannt war. Erst die Plünderung von Yuan-min-yuan förderte Schätze davon zu Tage, die sich seitdem rasch über Europa verbreiteten. Beim Cloisonne bilden Linien von Goldbronce die Umrisse der Zeichnung; die Zwischenräume sind mit Glasfluss von grosser Härte und den herr- lichsten Farben ausgefüllt; es ist, im Gegensatze zur Malerei des glatten Email, eine Art Mosaik. In China muss die Technik durch viele Jahrhunderte geübt worden sein, denn auch in dieser Gattung lässt sich sowohl in der Form der Gefässe, als in Zeichnung und Charakter des Ornamentes, Consistenz und Farbe des Glasflusses das Gepräge weit auseinanderliegender Blütheperioden nachweisen. Einen solchen Reichthum an Producten des chinesischen Kunst- fleisses aller Zeiten, wie damals in Folge der Plünderung von Yuan- min-yuan die Läden von Tien-tsin und Pe-kin, hatten vielleicht niemals chinesische Städte aufzuweisen. Man brachte dort, eine Tasse Thee nach der anderen schlürfend, manche angenehme Stunde zu, und wiederholte gern den Besuch, neue Erwerbungen zu sehen. Die Concurrenz der Engländer schraubte die Preise weit über ihr landesübliches Niveau, doch liessen sich, im Vergleich des Werthes in Europa, noch vortheilhafte Ankäufe machen. Das Beste besassen freilich die englischen Officiere, die es theils von franzö- XV. Trödelbuden. Vasen aus der Miṅ-Zeit, mit schönem Blumen-Ornament aufdunkelrothem Grunde und figuristischen Darstellungen von reicher Composition, höchster Anmuth in Ausdruck und Gebehrde, und zar- tester Ausführung; andere mit tiefglühender unter der Glasur ein- gebrannter Malerei, deren technisches Geheimniss jetzt auch in China verloren zu sein scheint. Es giebt jedoch solcher farben- prächtiger Gefässe noch aus Kien-loṅ’s grosser Zeit, die, ihr eige- nes Gepräge tragend, sich in Darstellung reichen Blumenschmuckes auf hellem Grunde gefiel. Besonders merkwürdig sind viele Emails dieser Periode, die, nach französischen Zeichnungen gefertigt, Land- schaften mit Schäferscenen im Geschmack von Watteau und Lancret darstellen; man könnte an ihrem chinesischen Ursprung zweifeln, wenn kein Fabrikzeichen vorhanden wäre. Von dieser Art glatter Emaille strotzten alle Trödelbuden in Tien-tsin, ebenso von der- jenigen, welche nur stellenweise auf Goldbronce angebracht, sich vorzüglich an Tempelgeräth, Leuchtern und Rauchgefässen findet. Die seltenste und theuerste ist die »Cloisonné« genannte Gattung, die, vor 1860 in Europa wahrscheinlich nur durch wenige Stücke vertreten, selbst vielen Sammlern kaum bekannt war. Erst die Plünderung von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ förderte Schätze davon zu Tage, die sich seitdem rasch über Europa verbreiteten. Beim Cloisonné bilden Linien von Goldbronce die Umrisse der Zeichnung; die Zwischenräume sind mit Glasfluss von grosser Härte und den herr- lichsten Farben ausgefüllt; es ist, im Gegensatze zur Malerei des glatten Email, eine Art Mosaik. In China muss die Technik durch viele Jahrhunderte geübt worden sein, denn auch in dieser Gattung lässt sich sowohl in der Form der Gefässe, als in Zeichnung und Charakter des Ornamentes, Consistenz und Farbe des Glasflusses das Gepräge weit auseinanderliegender Blütheperioden nachweisen. Einen solchen Reichthum an Producten des chinesischen Kunst- fleisses aller Zeiten, wie damals in Folge der Plünderung von Yuaṅ- miṅ-yuaṅ die Läden von Tien-tsin und Pe-kiṅ, hatten vielleicht niemals chinesische Städte aufzuweisen. Man brachte dort, eine Tasse Thee nach der anderen schlürfend, manche angenehme Stunde zu, und wiederholte gern den Besuch, neue Erwerbungen zu sehen. Die Concurrenz der Engländer schraubte die Preise weit über ihr landesübliches Niveau, doch liessen sich, im Vergleich des Werthes in Europa, noch vortheilhafte Ankäufe machen. Das Beste besassen freilich die englischen Officiere, die es theils von franzö- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="27"/><fw place="top" type="header">XV. Trödelbuden.</fw><lb/> Vasen aus der <hi rendition="#k">Miṅ</hi>-Zeit, mit schönem Blumen-Ornament auf<lb/> dunkelrothem Grunde und figuristischen Darstellungen von reicher<lb/> Composition, höchster Anmuth in Ausdruck und Gebehrde, und zar-<lb/> tester Ausführung; andere mit tiefglühender unter der Glasur ein-<lb/> gebrannter Malerei, deren technisches Geheimniss jetzt auch in<lb/><placeName>China</placeName> verloren zu sein scheint. Es giebt jedoch solcher farben-<lb/> prächtiger Gefässe noch aus <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119080648"><hi rendition="#k">Kien-loṅ</hi>’s</persName> grosser Zeit, die, ihr eige-<lb/> nes Gepräge tragend, sich in Darstellung reichen Blumenschmuckes<lb/> auf hellem Grunde gefiel. 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XV. Trödelbuden.
Vasen aus der Miṅ-Zeit, mit schönem Blumen-Ornament auf
dunkelrothem Grunde und figuristischen Darstellungen von reicher
Composition, höchster Anmuth in Ausdruck und Gebehrde, und zar-
tester Ausführung; andere mit tiefglühender unter der Glasur ein-
gebrannter Malerei, deren technisches Geheimniss jetzt auch in
China verloren zu sein scheint. Es giebt jedoch solcher farben-
prächtiger Gefässe noch aus Kien-loṅ’s grosser Zeit, die, ihr eige-
nes Gepräge tragend, sich in Darstellung reichen Blumenschmuckes
auf hellem Grunde gefiel. Besonders merkwürdig sind viele Emails
dieser Periode, die, nach französischen Zeichnungen gefertigt, Land-
schaften mit Schäferscenen im Geschmack von Watteau und Lancret
darstellen; man könnte an ihrem chinesischen Ursprung zweifeln,
wenn kein Fabrikzeichen vorhanden wäre. Von dieser Art glatter
Emaille strotzten alle Trödelbuden in Tien-tsin, ebenso von der-
jenigen, welche nur stellenweise auf Goldbronce angebracht, sich
vorzüglich an Tempelgeräth, Leuchtern und Rauchgefässen findet.
Die seltenste und theuerste ist die »Cloisonné« genannte Gattung,
die, vor 1860 in Europa wahrscheinlich nur durch wenige Stücke
vertreten, selbst vielen Sammlern kaum bekannt war. Erst die
Plünderung von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ förderte Schätze davon zu Tage,
die sich seitdem rasch über Europa verbreiteten. Beim Cloisonné
bilden Linien von Goldbronce die Umrisse der Zeichnung; die
Zwischenräume sind mit Glasfluss von grosser Härte und den herr-
lichsten Farben ausgefüllt; es ist, im Gegensatze zur Malerei des
glatten Email, eine Art Mosaik. In China muss die Technik durch
viele Jahrhunderte geübt worden sein, denn auch in dieser Gattung
lässt sich sowohl in der Form der Gefässe, als in Zeichnung und
Charakter des Ornamentes, Consistenz und Farbe des Glasflusses
das Gepräge weit auseinanderliegender Blütheperioden nachweisen.
Einen solchen Reichthum an Producten des chinesischen Kunst-
fleisses aller Zeiten, wie damals in Folge der Plünderung von Yuaṅ-
miṅ-yuaṅ die Läden von Tien-tsin und Pe-kiṅ, hatten vielleicht
niemals chinesische Städte aufzuweisen. Man brachte dort, eine
Tasse Thee nach der anderen schlürfend, manche angenehme
Stunde zu, und wiederholte gern den Besuch, neue Erwerbungen
zu sehen. Die Concurrenz der Engländer schraubte die Preise weit
über ihr landesübliches Niveau, doch liessen sich, im Vergleich des
Werthes in Europa, noch vortheilhafte Ankäufe machen. Das Beste
besassen freilich die englischen Officiere, die es theils von franzö-
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