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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der Yin-wan, der, im Frühjahr 1861 mit den drei anderen
gegen Han-kau marschirenden Heerkörpern zusammenstossen sollte,
besetzte am 18. März Wan-tsau, blieb aber ohne Unterstützung
und konnte den Entsatz von Gan-kin nicht bewirken. Er litt, da
die kaiserliche Flotte den Strom beherrschte, bald Mangel an Le-
bensmitteln, wurde dann geschlagen und bis Nan-kin gedrängt.
Alle auf diesem Heerzuge genommenen Städte gingen den Tae-
pin
in wenig Wochen wieder verloren. -- Die Besatzung von Gan-
kin
hielt, in den letzten Wochen nur noch vom Fleisch der Ver-
hungerten lebend, den ganzen Sommer durch aus, ergab sich end-
lich am 5. September und wurde niedergemetzelt. An den im Fluss
geankerten englischen Schiffen trieben Tausende abgezehrter Leichen
vorüber.

Mit dem Fall von Gan-kin war die Herrschaft der Tae-
pin
über den Yan-tse und das Land westlich von Nan-kin ge-
brochen. Der Ei-Wan Si-ta-kae stand noch, auf eigene Hand
operirend, mit einem Heerhaufen in Se-tsuen, scheint aber keine
Verbindung mit Nan-kin gesucht zu haben. Im ganzen Strom-
gebiet kehrten die vertriebenen Bewohner zum heimathlichen Herd
zurück; Handel und Gewerbe blühten wieder auf. Die Streifzüge der
Tae-pin erstreckten sich kaum zehn Meilen westlich von Nan-kin.

Bei Shang-hae warb der Americaner Ward, dessen in einem
früheren Abschnitt gedacht wurde, im Frühjahr 1861 wieder Trup-
pen gegen die Tae-pin; damals waren die Fremden aber noch sehr
besorgt um Erhaltung der guten Beziehungen zu denselben. Ward
wurde auf Veranlassung des americanischen Consuls verhaftet und
entging der Bestrafung für ungesetzliche Betheiligung an kriege-
rischen Operationen nur dadurch, dass er seinem americanischen
Bürgerrecht entsagte und chinesische Nationalität in Anspruch
nahm. Er musste sich verbinden, einstweilen keine Europäer und
Americaner anzuwerben.

IV. 26

Der Yiṅ-waṅ, der, im Frühjahr 1861 mit den drei anderen
gegen Han-kau marschirenden Heerkörpern zusammenstossen sollte,
besetzte am 18. März Waṅ-tšau, blieb aber ohne Unterstützung
und konnte den Entsatz von Gan-kiṅ nicht bewirken. Er litt, da
die kaiserliche Flotte den Strom beherrschte, bald Mangel an Le-
bensmitteln, wurde dann geschlagen und bis Nan-kiṅ gedrängt.
Alle auf diesem Heerzuge genommenen Städte gingen den Tae-
piṅ
in wenig Wochen wieder verloren. — Die Besatzung von Gan-
kiṅ
hielt, in den letzten Wochen nur noch vom Fleisch der Ver-
hungerten lebend, den ganzen Sommer durch aus, ergab sich end-
lich am 5. September und wurde niedergemetzelt. An den im Fluss
geankerten englischen Schiffen trieben Tausende abgezehrter Leichen
vorüber.

Mit dem Fall von Gan-kiṅ war die Herrschaft der Tae-
piṅ
über den Yaṅ-tse und das Land westlich von Nan-kiṅ ge-
brochen. Der Ei-Waṅ Ši-ta-kae stand noch, auf eigene Hand
operirend, mit einem Heerhaufen in Se-tšuen, scheint aber keine
Verbindung mit Nan-kiṅ gesucht zu haben. Im ganzen Strom-
gebiet kehrten die vertriebenen Bewohner zum heimathlichen Herd
zurück; Handel und Gewerbe blühten wieder auf. Die Streifzüge der
Tae-piṅ erstreckten sich kaum zehn Meilen westlich von Nan-kiṅ.

Bei Shang-hae warb der Americaner Ward, dessen in einem
früheren Abschnitt gedacht wurde, im Frühjahr 1861 wieder Trup-
pen gegen die Tae-piṅ; damals waren die Fremden aber noch sehr
besorgt um Erhaltung der guten Beziehungen zu denselben. Ward
wurde auf Veranlassung des americanischen Consuls verhaftet und
entging der Bestrafung für ungesetzliche Betheiligung an kriege-
rischen Operationen nur dadurch, dass er seinem americanischen
Bürgerrecht entsagte und chinesische Nationalität in Anspruch
nahm. Er musste sich verbinden, einstweilen keine Europäer und
Americaner anzuwerben.

IV. 26
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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. [401]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/415>, abgerufen am 22.11.2024.