eben so nichtswürdig, wie der Bruch aller anderen Bestimmungen der Capitulation. Li, der bis dahin allen übergetretenen Tae- pin-Führern Wort gehalten hatte und diese Leute sehr gut brauchen konnte, wurde wahrscheinlich gereizt und gab den Be- fehl im Zorn.
Nach dem Fall von Su-tsau räumten die Tae-pin alle Stel- lungen in dessen unmittelbarer Nähe und behielten in Kian-su nur wenige Städte. 85) Während die kaiserlichen Generale glücklich weiter operirten und die Rebellen südlich nach Ka-sin-fu in Tse- kian warfen, lag Gordon mit den "Siegreichen" unthätig in Kin- san. Ein kaiserliches Geschenk von 10,000 Tael wies derselbe in einem würdigen Schreiben unter Hinweisung auf die Unthat von Su-tsauzurück. Er wünschte die Siegreiche Heerschaar aufzulösen; das wäre aber eine Grausamkeit gegen die Bevölkerung von Kian- su gewesen, welche nur im Vertrauen auf deren Schutz zu ihren Wohnstätten zurückgekehrt war. Ein grosser Theil der "Sieg- reichen" hätte sicher bei den Tae-pin Dienste genommen, mit welchen sich jetzt wieder viele europäische Banditen durch grau- sames Morden dem Landvolk furchtbar machten. Ohne feste Or- ganisation und Kriegsartikel waren die "Siegreichen" nur im Felde zu brauchen, aber nicht zum Garnisondienst; des trägen Lebens in Kin-san müde sollen damals viele gewünscht haben, zu den Re- bellen überzutreten. Mit Gordon's Hülfe konnten diese in zwei Monaten gänzlich aus Kian-su vertrieben werden; ohne ihn hätte der Kampf wohl noch ein Jahr gedauert; dem Handel von Shang- hae musste solche Verzögerung grossen Schaden bringen. Li war nun zwar nicht entlassen oder bestraft, von Pe-kin aus aber ange- wiesen worden, in allen Dingen Major Gordon zu Rathe zu ziehn, den die chinesische Regierung mit Auszeichnung behandelte und durch Verleihung der höchsten Ehren zu versöhnen strebte. So beschloss denn Gordon nach zweimonatlicher Unthätigkeit, sein Commando noch einige Zeit zu behalten und wieder in das Feld zu rücken. Sir Frederick Bruce drückte ihm schriftlich seine Be- friedigung darüber aus und erklärte, dass die englische Regierung in China durchaus keine Gefühlspolitik treibe, die schnelle Unter-
85) Bei Wu-sie fand man die Firefly wieder. -- In Kian-su nahmen die Kaiserlichen Wu-sie und Pin-wan, in Tse-kianPin-hu, Hae-yuen, Kan- su, Hae-nin.
Anh. IV. Die Lage nach dem Fall von Su-tšau.
eben so nichtswürdig, wie der Bruch aller anderen Bestimmungen der Capitulation. Li, der bis dahin allen übergetretenen Tae- piṅ-Führern Wort gehalten hatte und diese Leute sehr gut brauchen konnte, wurde wahrscheinlich gereizt und gab den Be- fehl im Zorn.
Nach dem Fall von Su-tšau räumten die Tae-piṅ alle Stel- lungen in dessen unmittelbarer Nähe und behielten in Kiaṅ-su nur wenige Städte. 85) Während die kaiserlichen Generale glücklich weiter operirten und die Rebellen südlich nach Ka-šiṅ-fu in Tše- kiaṅ warfen, lag Gordon mit den »Siegreichen« unthätig in Kin- san. Ein kaiserliches Geschenk von 10,000 Tael wies derselbe in einem würdigen Schreiben unter Hinweisung auf die Unthat von Su-tšauzurück. Er wünschte die Siegreiche Heerschaar aufzulösen; das wäre aber eine Grausamkeit gegen die Bevölkerung von Kiaṅ- su gewesen, welche nur im Vertrauen auf deren Schutz zu ihren Wohnstätten zurückgekehrt war. Ein grosser Theil der »Sieg- reichen« hätte sicher bei den Tae-piṅ Dienste genommen, mit welchen sich jetzt wieder viele europäische Banditen durch grau- sames Morden dem Landvolk furchtbar machten. Ohne feste Or- ganisation und Kriegsartikel waren die »Siegreichen« nur im Felde zu brauchen, aber nicht zum Garnisondienst; des trägen Lebens in Kin-san müde sollen damals viele gewünscht haben, zu den Re- bellen überzutreten. Mit Gordon’s Hülfe konnten diese in zwei Monaten gänzlich aus Kiaṅ-su vertrieben werden; ohne ihn hätte der Kampf wohl noch ein Jahr gedauert; dem Handel von Shang- hae musste solche Verzögerung grossen Schaden bringen. Li war nun zwar nicht entlassen oder bestraft, von Pe-kiṅ aus aber ange- wiesen worden, in allen Dingen Major Gordon zu Rathe zu ziehn, den die chinesische Regierung mit Auszeichnung behandelte und durch Verleihung der höchsten Ehren zu versöhnen strebte. So beschloss denn Gordon nach zweimonatlicher Unthätigkeit, sein Commando noch einige Zeit zu behalten und wieder in das Feld zu rücken. Sir Frederick Bruce drückte ihm schriftlich seine Be- friedigung darüber aus und erklärte, dass die englische Regierung in China durchaus keine Gefühlspolitik treibe, die schnelle Unter-
85) Bei Wu-sie fand man die Firefly wieder. — In Kiaṅ-su nahmen die Kaiserlichen Wu-sie und Piṅ-waṅ, in Tše-kiaṅPiṅ-hu, Hae-yuen, Kan- šu, Hae-niṅ.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0437"n="423"/><fwplace="top"type="header">Anh. IV. Die Lage nach dem Fall von <hirendition="#k"><placeName>Su-tšau</placeName></hi>.</fw><lb/>
eben so nichtswürdig, wie der Bruch aller anderen Bestimmungen<lb/>
der Capitulation. <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li</persName></hi>, der bis dahin allen übergetretenen <hirendition="#k">Tae-<lb/>
piṅ</hi>-Führern Wort gehalten hatte und diese Leute sehr gut<lb/>
brauchen konnte, wurde wahrscheinlich gereizt und gab den Be-<lb/>
fehl im Zorn.</p><lb/><p>Nach dem Fall von <hirendition="#k"><placeName>Su-tšau</placeName></hi> räumten die <hirendition="#k">Tae-piṅ</hi> alle Stel-<lb/>
lungen in dessen unmittelbarer Nähe und behielten in <hirendition="#k"><placeName>Kiaṅ-su</placeName></hi> nur<lb/>
wenige Städte. <noteplace="foot"n="85)">Bei <hirendition="#k"><placeName>Wu-sie</placeName></hi> fand man die Firefly wieder. — In <hirendition="#k"><placeName>Kiaṅ-su</placeName></hi> nahmen die<lb/>
Kaiserlichen <hirendition="#k"><placeName>Wu-sie</placeName></hi> und <hirendition="#k"><placeName>Piṅ-waṅ</placeName></hi>, in <hirendition="#k"><placeName>Tše-kiaṅ</placeName><placeName>Piṅ-hu</placeName>, <placeName>Hae-yuen</placeName>, <placeName>Kan-<lb/>šu</placeName>, <placeName>Hae-niṅ</placeName></hi>.</note> Während die kaiserlichen Generale glücklich<lb/>
weiter operirten und die Rebellen südlich nach <hirendition="#k"><placeName>Ka-šiṅ-fu</placeName></hi> in <hirendition="#k"><placeName>Tše-<lb/>
kiaṅ</placeName></hi> warfen, lag <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> mit den »Siegreichen« unthätig in <hirendition="#k"><placeName>Kin-<lb/>
san</placeName></hi>. Ein kaiserliches Geschenk von 10,000 <hirendition="#k">Tael</hi> wies derselbe in<lb/>
einem würdigen Schreiben unter Hinweisung auf die Unthat von<lb/><hirendition="#k"><placeName>Su-tšau</placeName></hi><choice><sic>zurük</sic><corr>zurück</corr></choice>. Er wünschte die Siegreiche Heerschaar aufzulösen;<lb/>
das wäre aber eine Grausamkeit gegen die Bevölkerung von <hirendition="#k"><placeName>Kiaṅ-<lb/>
su</placeName></hi> gewesen, welche nur im Vertrauen auf deren Schutz zu ihren<lb/>
Wohnstätten zurückgekehrt war. Ein grosser Theil der »Sieg-<lb/>
reichen« hätte sicher bei den <hirendition="#k">Tae-piṅ</hi> Dienste genommen, mit<lb/>
welchen sich jetzt wieder viele europäische Banditen durch grau-<lb/>
sames Morden dem Landvolk furchtbar machten. Ohne feste Or-<lb/>
ganisation und Kriegsartikel waren die »Siegreichen« nur im Felde<lb/>
zu brauchen, aber nicht zum Garnisondienst; des trägen Lebens in<lb/><hirendition="#k"><placeName>Kin-san</placeName></hi> müde sollen damals viele gewünscht haben, zu den Re-<lb/>
bellen überzutreten. Mit <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon’s</persName> Hülfe konnten diese in zwei<lb/>
Monaten gänzlich aus <hirendition="#k"><placeName>Kiaṅ-su</placeName></hi> vertrieben werden; ohne ihn hätte<lb/>
der Kampf wohl noch ein Jahr gedauert; dem Handel von <hirendition="#k"><placeName>Shang-<lb/>
hae</placeName></hi> musste solche Verzögerung grossen Schaden bringen. <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li</persName></hi> war<lb/>
nun zwar nicht entlassen oder bestraft, von <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> aus aber ange-<lb/>
wiesen worden, in allen Dingen Major <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> zu Rathe zu ziehn,<lb/>
den die chinesische Regierung mit Auszeichnung behandelte und<lb/>
durch Verleihung der höchsten Ehren zu versöhnen strebte. So<lb/>
beschloss denn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> nach zweimonatlicher Unthätigkeit, sein<lb/>
Commando noch einige Zeit zu behalten und wieder in das Feld<lb/>
zu rücken. Sir <persNameref="vocab.getty.edu/ulan/500247635">Frederick Bruce</persName> drückte ihm schriftlich seine Be-<lb/>
friedigung darüber aus und erklärte, dass die englische Regierung<lb/>
in <placeName>China</placeName> durchaus keine Gefühlspolitik treibe, die schnelle Unter-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[423/0437]
Anh. IV. Die Lage nach dem Fall von Su-tšau.
eben so nichtswürdig, wie der Bruch aller anderen Bestimmungen
der Capitulation. Li, der bis dahin allen übergetretenen Tae-
piṅ-Führern Wort gehalten hatte und diese Leute sehr gut
brauchen konnte, wurde wahrscheinlich gereizt und gab den Be-
fehl im Zorn.
Nach dem Fall von Su-tšau räumten die Tae-piṅ alle Stel-
lungen in dessen unmittelbarer Nähe und behielten in Kiaṅ-su nur
wenige Städte. 85) Während die kaiserlichen Generale glücklich
weiter operirten und die Rebellen südlich nach Ka-šiṅ-fu in Tše-
kiaṅ warfen, lag Gordon mit den »Siegreichen« unthätig in Kin-
san. Ein kaiserliches Geschenk von 10,000 Tael wies derselbe in
einem würdigen Schreiben unter Hinweisung auf die Unthat von
Su-tšau zurück. Er wünschte die Siegreiche Heerschaar aufzulösen;
das wäre aber eine Grausamkeit gegen die Bevölkerung von Kiaṅ-
su gewesen, welche nur im Vertrauen auf deren Schutz zu ihren
Wohnstätten zurückgekehrt war. Ein grosser Theil der »Sieg-
reichen« hätte sicher bei den Tae-piṅ Dienste genommen, mit
welchen sich jetzt wieder viele europäische Banditen durch grau-
sames Morden dem Landvolk furchtbar machten. Ohne feste Or-
ganisation und Kriegsartikel waren die »Siegreichen« nur im Felde
zu brauchen, aber nicht zum Garnisondienst; des trägen Lebens in
Kin-san müde sollen damals viele gewünscht haben, zu den Re-
bellen überzutreten. Mit Gordon’s Hülfe konnten diese in zwei
Monaten gänzlich aus Kiaṅ-su vertrieben werden; ohne ihn hätte
der Kampf wohl noch ein Jahr gedauert; dem Handel von Shang-
hae musste solche Verzögerung grossen Schaden bringen. Li war
nun zwar nicht entlassen oder bestraft, von Pe-kiṅ aus aber ange-
wiesen worden, in allen Dingen Major Gordon zu Rathe zu ziehn,
den die chinesische Regierung mit Auszeichnung behandelte und
durch Verleihung der höchsten Ehren zu versöhnen strebte. So
beschloss denn Gordon nach zweimonatlicher Unthätigkeit, sein
Commando noch einige Zeit zu behalten und wieder in das Feld
zu rücken. Sir Frederick Bruce drückte ihm schriftlich seine Be-
friedigung darüber aus und erklärte, dass die englische Regierung
in China durchaus keine Gefühlspolitik treibe, die schnelle Unter-
85) Bei Wu-sie fand man die Firefly wieder. — In Kiaṅ-su nahmen die
Kaiserlichen Wu-sie und Piṅ-waṅ, in Tše-kiaṅ Piṅ-hu, Hae-yuen, Kan-
šu, Hae-niṅ.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/437>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.