erkauft, da beginnen Sie gleich beim 1. Artikel ganz dasselbe Spiel. Das ist nicht loyal.
Tsun-luen. Die Verträge der vier anderen Staaten ent- halten auch nicht alle Dasselbe.
Der Gesandte. Wörtlich allerdings nicht; aber die Clausel der meistbegünstigten Nation sichert ihnen den Genuss aller Rechte, die in den anderen Verträgen stipulirt sind.
Tsun-luen. Solche Clausel haben wir auch in unseren Ver- tragsentwurf aufgenommen.
Der Gesandte. Das ist unrichtig. Statt einfach meinen Ar- tikel stehen zu lassen, entwarfen Sie einen solchen, der Preussen nur in Bezug auf Handelsbestimmungen das Recht der meistbegün- stigten Nation giebt. Wenn ich Ihr ganzes Betragen während unserer Verhandlungen nach Berlin berichte, so wird man mir nicht glauben, dass es möglich ist, sich so zweideutig zu benehmen, wie Sie bisher thaten.
Tsun-luen. Deine Excellenz sehe unseren Vertragsentwurf doch noch einmal recht gründlich durch.
Der Gesandte. Das ist ganz unnütz, wenn wir nicht von derselben Basis ausgehen.
Tsun-luen. In den anderen Verträgen sind auch die Han- delsbestimmungen gleichlautend. Die politischen Artikel lauten in jedem Vertrage anders.
Der Gesandte. Allerdings; sie lauten aber auch in meinem Ent- wurfe anders. Dem Inhalt nach sind sie überall gleich, und alle diese Bestimmungen verlange ich als mein Recht. Preussen erscheint hier nicht, um sich einzelne Artikel zu erbetteln, sondern um das, was anderen Mächten gleichen Ranges gewährt worden ist, als sein Recht in Anspruch zu nehmen. Gestehen Sie mir das nicht zu, so muss ich mich an den Prinzen von Kun wenden.
Hier unterbrach die Verhandlungen das Frühstück, zu wel- chem Graf Eulenburg die Commissare einlud. Auf des Gesandten Fragen nach seinem Leben und Umgang in Pe-kin äusserte Tsun- luen, er könne nur mit Männern von gleichem Range verkehren, und deren gebe es wenige. In Tien-tsin gehe er garnicht aus und sehe auch Niemand bei sich; man würde ihn nur auszukundschaften suchen, um über sein Thun und Treiben nach Pe-kin zu berichten. Das erwarte die Regierung von den Mandarinen in Tien-tsin, und ebenso, dass er selbst über Jene berichte. -- Vor der Abreise eines
Conferenz. XVI.
erkauft, da beginnen Sie gleich beim 1. Artikel ganz dasselbe Spiel. Das ist nicht loyal.
Tsuṅ-luen. Die Verträge der vier anderen Staaten ent- halten auch nicht alle Dasselbe.
Der Gesandte. Wörtlich allerdings nicht; aber die Clausel der meistbegünstigten Nation sichert ihnen den Genuss aller Rechte, die in den anderen Verträgen stipulirt sind.
Tsuṅ-luen. Solche Clausel haben wir auch in unseren Ver- tragsentwurf aufgenommen.
Der Gesandte. Das ist unrichtig. Statt einfach meinen Ar- tikel stehen zu lassen, entwarfen Sie einen solchen, der Preussen nur in Bezug auf Handelsbestimmungen das Recht der meistbegün- stigten Nation giebt. Wenn ich Ihr ganzes Betragen während unserer Verhandlungen nach Berlin berichte, so wird man mir nicht glauben, dass es möglich ist, sich so zweideutig zu benehmen, wie Sie bisher thaten.
Tsuṅ-luen. Deine Excellenz sehe unseren Vertragsentwurf doch noch einmal recht gründlich durch.
Der Gesandte. Das ist ganz unnütz, wenn wir nicht von derselben Basis ausgehen.
Tsuṅ-luen. In den anderen Verträgen sind auch die Han- delsbestimmungen gleichlautend. Die politischen Artikel lauten in jedem Vertrage anders.
Der Gesandte. Allerdings; sie lauten aber auch in meinem Ent- wurfe anders. Dem Inhalt nach sind sie überall gleich, und alle diese Bestimmungen verlange ich als mein Recht. Preussen erscheint hier nicht, um sich einzelne Artikel zu erbetteln, sondern um das, was anderen Mächten gleichen Ranges gewährt worden ist, als sein Recht in Anspruch zu nehmen. Gestehen Sie mir das nicht zu, so muss ich mich an den Prinzen von Kuṅ wenden.
Hier unterbrach die Verhandlungen das Frühstück, zu wel- chem Graf Eulenburg die Commissare einlud. Auf des Gesandten Fragen nach seinem Leben und Umgang in Pe-kiṅ äusserte Tsuṅ- luen, er könne nur mit Männern von gleichem Range verkehren, und deren gebe es wenige. In Tien-tsin gehe er garnicht aus und sehe auch Niemand bei sich; man würde ihn nur auszukundschaften suchen, um über sein Thun und Treiben nach Pe-kiṅ zu berichten. Das erwarte die Regierung von den Mandarinen in Tien-tsin, und ebenso, dass er selbst über Jene berichte. — Vor der Abreise eines
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Das ist nicht loyal.
Tsuṅ-luen. Die Verträge der vier anderen Staaten ent-
halten auch nicht alle Dasselbe.
Der Gesandte. Wörtlich allerdings nicht; aber die Clausel
der meistbegünstigten Nation sichert ihnen den Genuss aller Rechte,
die in den anderen Verträgen stipulirt sind.
Tsuṅ-luen. Solche Clausel haben wir auch in unseren Ver-
tragsentwurf aufgenommen.
Der Gesandte. Das ist unrichtig. Statt einfach meinen Ar-
tikel stehen zu lassen, entwarfen Sie einen solchen, der Preussen
nur in Bezug auf Handelsbestimmungen das Recht der meistbegün-
stigten Nation giebt. Wenn ich Ihr ganzes Betragen während unserer
Verhandlungen nach Berlin berichte, so wird man mir nicht glauben,
dass es möglich ist, sich so zweideutig zu benehmen, wie Sie bisher
thaten.
Tsuṅ-luen. Deine Excellenz sehe unseren Vertragsentwurf
doch noch einmal recht gründlich durch.
Der Gesandte. Das ist ganz unnütz, wenn wir nicht von
derselben Basis ausgehen.
Tsuṅ-luen. In den anderen Verträgen sind auch die Han-
delsbestimmungen gleichlautend. Die politischen Artikel lauten in
jedem Vertrage anders.
Der Gesandte. Allerdings; sie lauten aber auch in meinem Ent-
wurfe anders. Dem Inhalt nach sind sie überall gleich, und alle
diese Bestimmungen verlange ich als mein Recht. Preussen erscheint
hier nicht, um sich einzelne Artikel zu erbetteln, sondern um das,
was anderen Mächten gleichen Ranges gewährt worden ist, als sein
Recht in Anspruch zu nehmen. Gestehen Sie mir das nicht zu, so
muss ich mich an den Prinzen von Kuṅ wenden.
Hier unterbrach die Verhandlungen das Frühstück, zu wel-
chem Graf Eulenburg die Commissare einlud. Auf des Gesandten
Fragen nach seinem Leben und Umgang in Pe-kiṅ äusserte Tsuṅ-
luen, er könne nur mit Männern von gleichem Range verkehren,
und deren gebe es wenige. In Tien-tsin gehe er garnicht aus und
sehe auch Niemand bei sich; man würde ihn nur auszukundschaften
suchen, um über sein Thun und Treiben nach Pe-kiṅ zu berichten.
Das erwarte die Regierung von den Mandarinen in Tien-tsin, und
ebenso, dass er selbst über Jene berichte. — Vor der Abreise eines
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/96>, abgerufen am 15.08.2024.
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