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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Falken und Eulen.
Mehl zerriebene getrocknete Fische sind. Mein anstelliger japanischer
Diener lernte es bald selbst zurecht machen, es musste aber zweimal
täglich frisch bereitet werden, sonst kamen manche Vögel um. Auch
kleinere Raubvögel werden daselbst lebend gehalten, so ein Thurm-
falke
, Falco tinnunculus Japonicus T. Schl., der Zwergfalke, F.
aesalon L., und ein ziemlich kleiner Kauz, Strix (Scops) semitorques
Tem. und Schleg., dessen komische Bewegungen uns noch auf dem
Schiffe viele Freude machten. Einigen meiner Vögel kam aber ihre
Nachbarschaft theuer zu stehen: als einst ein ganzer Transport
Vögel in meiner Wohnung ankam, wurde der Käfig des Zwergfalken
unvorsichtiger Weise neben die anderen gestellt, und wenige Minuten
nachher lag im nächsten Käfig, an der dem Raubvogel zugewandten
Seite, der Bewohner todt. Der Raubvogel musste mit seinen Krallen
zwischen den Stäben beider Käfige durchgedrungen sein, konnte
aber seine Beute nicht hindurchziehen. Den kleinen Kauz hatte
ich in der Kabine auf See bei Tage manchmal freigelassen, und er
benahm sich in meiner Gegenwart ganz Vertrauen erweckend; als
ich aber einmal plötzlich hinausgerufen worden war, sah ich ihn
bei meiner Rückkehr in verdächtiger Weise von der Seite des Käfigs
eines meiner letzten kleinen Singvögel wegfliegen, und richtig lag
darin die bereits zerrissene Leiche des Bewohners. Dass die Raub-
vögel solche Streiche versuchen, wunderte mich nicht, wohl aber,
dass ihre Opfer nicht verständig genug waren, sich stets an der
entgegengesetzten Seite zu halten, wo sie sicher gewesen wären;
wahrscheinlich flogen sie in ihrer Angst im ganzen Käfig herum und
kamen so selbst zwischen die Krallen des Räubers. Ein derartiges
kopfloses Benehmen erklärt vielleicht auch Einiges von der sogenann-
ten Bezauberung der Vögel durch die Klapperschlange.

Sowohl in jenen Vogelhandlungen und durch meinen ein-
geborenen Diener, welcher selbst kitsi (geschrieben kisi), Fasan,
sich nannte, als aus den Bilderbüchern, lernte ich eine nicht un-
beträchtliche Anzahl japanischer Namen für Vögel kennen, und da
in der Fauna Japonica nur sehr wenige genannt werden, dürfte es
nicht unangemessen sein, ein "raisonnirendes" Verzeichniss derselben
hier zu geben.

Raubvögel.

Die edleren Stossvögel, Falken und Habichte, heissen im
Allgemeinen taka. In der Encyclopädie, Heft 44., eröffnet ein

Falken und Eulen.
Mehl zerriebene getrocknete Fische sind. Mein anstelliger japanischer
Diener lernte es bald selbst zurecht machen, es musste aber zweimal
täglich frisch bereitet werden, sonst kamen manche Vögel um. Auch
kleinere Raubvögel werden daselbst lebend gehalten, so ein Thurm-
falke
, Falco tinnunculus Japonicus T. Schl., der Zwergfalke, F.
aesalon L., und ein ziemlich kleiner Kauz, Strix (Scops) semitorques
Tem. und Schleg., dessen komische Bewegungen uns noch auf dem
Schiffe viele Freude machten. Einigen meiner Vögel kam aber ihre
Nachbarschaft theuer zu stehen: als einst ein ganzer Transport
Vögel in meiner Wohnung ankam, wurde der Käfig des Zwergfalken
unvorsichtiger Weise neben die anderen gestellt, und wenige Minuten
nachher lag im nächsten Käfig, an der dem Raubvogel zugewandten
Seite, der Bewohner todt. Der Raubvogel musste mit seinen Krallen
zwischen den Stäben beider Käfige durchgedrungen sein, konnte
aber seine Beute nicht hindurchziehen. Den kleinen Kauz hatte
ich in der Kabine auf See bei Tage manchmal freigelassen, und er
benahm sich in meiner Gegenwart ganz Vertrauen erweckend; als
ich aber einmal plötzlich hinausgerufen worden war, sah ich ihn
bei meiner Rückkehr in verdächtiger Weise von der Seite des Käfigs
eines meiner letzten kleinen Singvögel wegfliegen, und richtig lag
darin die bereits zerrissene Leiche des Bewohners. Dass die Raub-
vögel solche Streiche versuchen, wunderte mich nicht, wohl aber,
dass ihre Opfer nicht verständig genug waren, sich stets an der
entgegengesetzten Seite zu halten, wo sie sicher gewesen wären;
wahrscheinlich flogen sie in ihrer Angst im ganzen Käfig herum und
kamen so selbst zwischen die Krallen des Räubers. Ein derartiges
kopfloses Benehmen erklärt vielleicht auch Einiges von der sogenann-
ten Bezauberung der Vögel durch die Klapperschlange.

Sowohl in jenen Vogelhandlungen und durch meinen ein-
geborenen Diener, welcher selbst kitsi (geschrieben kisi), Fasan,
sich nannte, als aus den Bilderbüchern, lernte ich eine nicht un-
beträchtliche Anzahl japanischer Namen für Vögel kennen, und da
in der Fauna Japonica nur sehr wenige genannt werden, dürfte es
nicht unangemessen sein, ein »raisonnirendes« Verzeichniss derselben
hier zu geben.

Raubvögel.

Die edleren Stossvögel, Falken und Habichte, heissen im
Allgemeinen taka. In der Encyclopädie, Heft 44., eröffnet ein

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[91/0109] Falken und Eulen. Mehl zerriebene getrocknete Fische sind. Mein anstelliger japanischer Diener lernte es bald selbst zurecht machen, es musste aber zweimal täglich frisch bereitet werden, sonst kamen manche Vögel um. Auch kleinere Raubvögel werden daselbst lebend gehalten, so ein Thurm- falke, Falco tinnunculus Japonicus T. Schl., der Zwergfalke, F. aesalon L., und ein ziemlich kleiner Kauz, Strix (Scops) semitorques Tem. und Schleg., dessen komische Bewegungen uns noch auf dem Schiffe viele Freude machten. Einigen meiner Vögel kam aber ihre Nachbarschaft theuer zu stehen: als einst ein ganzer Transport Vögel in meiner Wohnung ankam, wurde der Käfig des Zwergfalken unvorsichtiger Weise neben die anderen gestellt, und wenige Minuten nachher lag im nächsten Käfig, an der dem Raubvogel zugewandten Seite, der Bewohner todt. Der Raubvogel musste mit seinen Krallen zwischen den Stäben beider Käfige durchgedrungen sein, konnte aber seine Beute nicht hindurchziehen. Den kleinen Kauz hatte ich in der Kabine auf See bei Tage manchmal freigelassen, und er benahm sich in meiner Gegenwart ganz Vertrauen erweckend; als ich aber einmal plötzlich hinausgerufen worden war, sah ich ihn bei meiner Rückkehr in verdächtiger Weise von der Seite des Käfigs eines meiner letzten kleinen Singvögel wegfliegen, und richtig lag darin die bereits zerrissene Leiche des Bewohners. Dass die Raub- vögel solche Streiche versuchen, wunderte mich nicht, wohl aber, dass ihre Opfer nicht verständig genug waren, sich stets an der entgegengesetzten Seite zu halten, wo sie sicher gewesen wären; wahrscheinlich flogen sie in ihrer Angst im ganzen Käfig herum und kamen so selbst zwischen die Krallen des Räubers. Ein derartiges kopfloses Benehmen erklärt vielleicht auch Einiges von der sogenann- ten Bezauberung der Vögel durch die Klapperschlange. Sowohl in jenen Vogelhandlungen und durch meinen ein- geborenen Diener, welcher selbst kitsi (geschrieben kisi), Fasan, sich nannte, als aus den Bilderbüchern, lernte ich eine nicht un- beträchtliche Anzahl japanischer Namen für Vögel kennen, und da in der Fauna Japonica nur sehr wenige genannt werden, dürfte es nicht unangemessen sein, ein »raisonnirendes« Verzeichniss derselben hier zu geben. Raubvögel. Die edleren Stossvögel, Falken und Habichte, heissen im Allgemeinen taka. In der Encyclopädie, Heft 44., eröffnet ein

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/109>, abgerufen am 24.11.2024.