bei Thieren und Pflanzen nur durch Zusammensetzung mit dem Wort yama, Berg, bezeichnet, so ist yama-ino der wilde Hund oder Wolf, yama-buta das wilde Schwein, und yama-ma heisst in der japanischen Encyclopädie das vermuthlich aus der chinesischen Litteratur entlehnte wilde Pferd (Dschigetai oder Kiang?).
So erhielt ich im December in Yeddo in Folge meiner Auf- träge den frisch abgezogenen Balg nebst Schädel des japanischen Bären, kuma, welcher in den einheimischen Bilderbüchern meist eine Schneelandschaft als Hintergrund hat und nach denselben in grossen hölzernen Fallen, wie der Tiger in Java, gefangen wird. Es war ein stattliches Thier, zwischen dem malayischen und nord- amerikanischen Bären die Mitte haltend, grösser und langhaariger als ersterer, mit nur schmalem weissem Halbmond zwischen den Vorderbeinen und ganz schwarzer Färbung der Schnauze, daher jetzt als eigene Art betrachtet, Ursus Japonicus (Schlegel hand- leiding der dierkunde, I. 1857, pag. 42. -- Sclater Proceedings of the zoological society, 1862, pag. 261, Taf. 32.), während man ihn früher mit dem im Himalaya lebenden U. Tibetanus Fr. Cuv. = torquatus Wagn. vereinigte. Von den beiden Wölfen oder wilden Hunden Japan's habe ich nichts zu sehen bekommen, kann aber nach den Aussagen meines japanischen Dieners und den durch ihn mir er- klärten Bilderbüchern bestätigen, dass die Eingeborenen in der That zwei solche Thiere unterscheiden, den einen yama-ino (wilden Hund), den andern mit eigenem Namen okame (oo-kami) bezeich- nen, und diesen als schrecklicher und grausamer, in Schnitzereien mit entsetzlich weitgespaltenem Rachen und einem Menschenschädel in der Nähe, darstellen. Dass der yama-ino sich durch kürzere Beine und daher niedrigere Gestalt auszeichne und die in der Fauna Japonica abgebildete Art sei, steht mit jenen Bildern wenigstens nicht im Widerspruch, wenn aber dort ihm der lateinische Name hodophylax, Wegwächter, gegeben wird, so finde ich dazu weder in jenem Werke selbst, noch in den Erzählungen der Japaner eine Erklärung und möchte fast vermuthen, dass jene Bezeichnung ein Missverständniss sei, ursprünglich für den Strassenhund (chien de rue, pag. 37 der Fn. jap.) beabsichtigt.
In neuster Zeit ist auf Grund einer nach Europa gekommenen gegerbten Haut mit japanischer Aufschrift eine eigene japanische Art des Leoparden (Leopardus Japonensis Gray, Proceed. zool. soc., 1862, pag. 262, Taf. 33.) aufgestellt worden. Die von Gray
Japanischer Bär. Wölfe.
bei Thieren und Pflanzen nur durch Zusammensetzung mit dem Wort yama, Berg, bezeichnet, so ist yama-ino der wilde Hund oder Wolf, yama-buta das wilde Schwein, und yama-ma heisst in der japanischen Encyclopädie das vermuthlich aus der chinesischen Litteratur entlehnte wilde Pferd (Dschigetai oder Kiang?).
So erhielt ich im December in Yeddo in Folge meiner Auf- träge den frisch abgezogenen Balg nebst Schädel des japanischen Bären, kuma, welcher in den einheimischen Bilderbüchern meist eine Schneelandschaft als Hintergrund hat und nach denselben in grossen hölzernen Fallen, wie der Tiger in Java, gefangen wird. Es war ein stattliches Thier, zwischen dem malayischen und nord- amerikanischen Bären die Mitte haltend, grösser und langhaariger als ersterer, mit nur schmalem weissem Halbmond zwischen den Vorderbeinen und ganz schwarzer Färbung der Schnauze, daher jetzt als eigene Art betrachtet, Ursus Japonicus (Schlegel hand- leiding der dierkunde, I. 1857, pag. 42. — Sclater Proceedings of the zoological society, 1862, pag. 261, Taf. 32.), während man ihn früher mit dem im Himalaya lebenden U. Tibetanus Fr. Cuv. = torquatus Wagn. vereinigte. Von den beiden Wölfen oder wilden Hunden Japan’s habe ich nichts zu sehen bekommen, kann aber nach den Aussagen meines japanischen Dieners und den durch ihn mir er- klärten Bilderbüchern bestätigen, dass die Eingeborenen in der That zwei solche Thiere unterscheiden, den einen yama-ino (wilden Hund), den andern mit eigenem Namen ókame (oo-kami) bezeich- nen, und diesen als schrecklicher und grausamer, in Schnitzereien mit entsetzlich weitgespaltenem Rachen und einem Menschenschädel in der Nähe, darstellen. Dass der yama-ino sich durch kürzere Beine und daher niedrigere Gestalt auszeichne und die in der Fauna Japonica abgebildete Art sei, steht mit jenen Bildern wenigstens nicht im Widerspruch, wenn aber dort ihm der lateinische Name hodophylax, Wegwächter, gegeben wird, so finde ich dazu weder in jenem Werke selbst, noch in den Erzählungen der Japaner eine Erklärung und möchte fast vermuthen, dass jene Bezeichnung ein Missverständniss sei, ursprünglich für den Strassenhund (chien de rue, pag. 37 der Fn. jap.) beabsichtigt.
In neuster Zeit ist auf Grund einer nach Europa gekommenen gegerbten Haut mit japanischer Aufschrift eine eigene japanische Art des Leoparden (Leopardus Japonensis Gray, Proceed. zool. soc., 1862, pag. 262, Taf. 33.) aufgestellt worden. Die von Gray
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Japanischer Bär. Wölfe.
bei Thieren und Pflanzen nur durch Zusammensetzung mit dem
Wort yama, Berg, bezeichnet, so ist yama-ino der wilde Hund
oder Wolf, yama-buta das wilde Schwein, und yama-ma heisst
in der japanischen Encyclopädie das vermuthlich aus der chinesischen
Litteratur entlehnte wilde Pferd (Dschigetai oder Kiang?).
So erhielt ich im December in Yeddo in Folge meiner Auf-
träge den frisch abgezogenen Balg nebst Schädel des japanischen
Bären, kuma, welcher in den einheimischen Bilderbüchern meist
eine Schneelandschaft als Hintergrund hat und nach denselben in
grossen hölzernen Fallen, wie der Tiger in Java, gefangen wird.
Es war ein stattliches Thier, zwischen dem malayischen und nord-
amerikanischen Bären die Mitte haltend, grösser und langhaariger
als ersterer, mit nur schmalem weissem Halbmond zwischen den
Vorderbeinen und ganz schwarzer Färbung der Schnauze, daher
jetzt als eigene Art betrachtet, Ursus Japonicus (Schlegel hand-
leiding der dierkunde, I. 1857, pag. 42. — Sclater Proceedings of the
zoological society, 1862, pag. 261, Taf. 32.), während man ihn früher
mit dem im Himalaya lebenden U. Tibetanus Fr. Cuv. = torquatus
Wagn. vereinigte. Von den beiden Wölfen oder wilden Hunden
Japan’s habe ich nichts zu sehen bekommen, kann aber nach den
Aussagen meines japanischen Dieners und den durch ihn mir er-
klärten Bilderbüchern bestätigen, dass die Eingeborenen in der That
zwei solche Thiere unterscheiden, den einen yama-ino (wilden
Hund), den andern mit eigenem Namen ókame (oo-kami) bezeich-
nen, und diesen als schrecklicher und grausamer, in Schnitzereien
mit entsetzlich weitgespaltenem Rachen und einem Menschenschädel
in der Nähe, darstellen. Dass der yama-ino sich durch kürzere
Beine und daher niedrigere Gestalt auszeichne und die in der Fauna
Japonica abgebildete Art sei, steht mit jenen Bildern wenigstens
nicht im Widerspruch, wenn aber dort ihm der lateinische Name
hodophylax, Wegwächter, gegeben wird, so finde ich dazu weder
in jenem Werke selbst, noch in den Erzählungen der Japaner eine
Erklärung und möchte fast vermuthen, dass jene Bezeichnung ein
Missverständniss sei, ursprünglich für den Strassenhund (chien de
rue, pag. 37 der Fn. jap.) beabsichtigt.
In neuster Zeit ist auf Grund einer nach Europa gekommenen
gegerbten Haut mit japanischer Aufschrift eine eigene japanische
Art des Leoparden (Leopardus Japonensis Gray, Proceed. zool.
soc., 1862, pag. 262, Taf. 33.) aufgestellt worden. Die von Gray
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/94>, abgerufen am 04.12.2024.
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