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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Fuchs und Obstfuchs.
mehrfach frisch im Fleisch zu billigen Preisen. Der japanische
Fuchs
, ki-tsu-ne genannt, scheint in Nichts von der europäischen
Art verschieden 1); er fehlt in fast keinem Bilderbuch, seine Be-
schreibung in der Encyclopädie nimmt mehrere Seiten ein, und
man sieht ihn öfters in Holz geschnitzt in den Läden, auf den
Hinterfüssen sitzend, mit eichhörnchenartig erhobenem Schwanz, als
Nachbildung der zwei kolossalen Fuchs-Statuen vor einem Tempel
in Yeddo, den wir deshalb kurzweg den Fuchstempel nannten. Dass
er im Aberglauben der Japaner eine nicht unbedeutende Rolle spiele
und als höheres Wesen, wohl auch als böser die Menschen be-
hexender Geist betrachtet werde, wie schon Kämpfer und Siebold
angeben, hörte ich in Yeddo mehrfach bestätigen, aber meine Sprach-
kenntniss reichte nicht aus, Bestimmteres darüber zu erfahren. Im
indischen Archipel sind es Tiger und Krokodil, welche als dem
Menschen todbringend zugleich gemieden und in gewisser Weise
verehrt (namentlich als Vorfahren einzelner Menschen betrachtet)
werden; in Kamtschatka ist es der Bär. Sollte in den Kulturge-
genden Japan's der Fuchs als grösstes der vorhandenen Raubthiere
diesem Bedürfniss des Aberglaubens genügen? wie J. Kohl von der
irischen Insel Rathlin erzählt, dass dort die Mütter in Ermangelung
des Wolfes mit dem Namen des Fuchses ihre Kinder fürchten
machen.

Für Japan und China eigenthümlich ist dagegen die Gruppe
der Obstfüchse (Nyctereutes Temm.), ziemlich unpassend auch
Viverrenhunde oder Marderhunde genannt, denn ihre äussere Er-
scheinung ist vielmehr die des nordamerikanischen Waschbären.
Leider bekam ich nie einen lebenden zu sehen, die frisch getödteten
aber bestätigten mir, dass die japanischen Bilder nicht unrecht
haben, ihn als dickbäuchiges, kugelrundes Thier mit ziemlich kur-
zem, buschigem Schwanz und fuchsartiger Schnauze darzustellen;
auch die Färbung ähnelt der des Waschbären, während Schädel-
form und Gebiss ihn in die Gattung Canis L. verweisen. Die
erhaltenen Exemplare zeigten einen gelbbraunen Pelz mit schwarzen
Haarspitzen, welch letztere besonders auf dem Rücken, an der
Schulter und am Schwanz eine schwärzliche Schattirung bedingen;
alle vier Extremitäten schwarzbraun; zwei grosse dunkelbraune
Flecken im Gesicht, einer hinter und unter jedem Auge, erinnern
auffallend an die Gesichtszeichnung des Waschbären, hängen aber
nicht wie bei diesem in der Mitte zusammen. Die japanischen Diener

Fuchs und Obstfuchs.
mehrfach frisch im Fleisch zu billigen Preisen. Der japanische
Fuchs
, ki-tsu-ne genannt, scheint in Nichts von der europäischen
Art verschieden 1); er fehlt in fast keinem Bilderbuch, seine Be-
schreibung in der Encyclopädie nimmt mehrere Seiten ein, und
man sieht ihn öfters in Holz geschnitzt in den Läden, auf den
Hinterfüssen sitzend, mit eichhörnchenartig erhobenem Schwanz, als
Nachbildung der zwei kolossalen Fuchs-Statuen vor einem Tempel
in Yeddo, den wir deshalb kurzweg den Fuchstempel nannten. Dass
er im Aberglauben der Japaner eine nicht unbedeutende Rolle spiele
und als höheres Wesen, wohl auch als böser die Menschen be-
hexender Geist betrachtet werde, wie schon Kämpfer und Siebold
angeben, hörte ich in Yeddo mehrfach bestätigen, aber meine Sprach-
kenntniss reichte nicht aus, Bestimmteres darüber zu erfahren. Im
indischen Archipel sind es Tiger und Krokodil, welche als dem
Menschen todbringend zugleich gemieden und in gewisser Weise
verehrt (namentlich als Vorfahren einzelner Menschen betrachtet)
werden; in Kamtschatka ist es der Bär. Sollte in den Kulturge-
genden Japan’s der Fuchs als grösstes der vorhandenen Raubthiere
diesem Bedürfniss des Aberglaubens genügen? wie J. Kohl von der
irischen Insel Rathlin erzählt, dass dort die Mütter in Ermangelung
des Wolfes mit dem Namen des Fuchses ihre Kinder fürchten
machen.

Für Japan und China eigenthümlich ist dagegen die Gruppe
der Obstfüchse (Nyctereutes Temm.), ziemlich unpassend auch
Viverrenhunde oder Marderhunde genannt, denn ihre äussere Er-
scheinung ist vielmehr die des nordamerikanischen Waschbären.
Leider bekam ich nie einen lebenden zu sehen, die frisch getödteten
aber bestätigten mir, dass die japanischen Bilder nicht unrecht
haben, ihn als dickbäuchiges, kugelrundes Thier mit ziemlich kur-
zem, buschigem Schwanz und fuchsartiger Schnauze darzustellen;
auch die Färbung ähnelt der des Waschbären, während Schädel-
form und Gebiss ihn in die Gattung Canis L. verweisen. Die
erhaltenen Exemplare zeigten einen gelbbraunen Pelz mit schwarzen
Haarspitzen, welch letztere besonders auf dem Rücken, an der
Schulter und am Schwanz eine schwärzliche Schattirung bedingen;
alle vier Extremitäten schwarzbraun; zwei grosse dunkelbraune
Flecken im Gesicht, einer hinter und unter jedem Auge, erinnern
auffallend an die Gesichtszeichnung des Waschbären, hängen aber
nicht wie bei diesem in der Mitte zusammen. Die japanischen Diener

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[78/0096] Fuchs und Obstfuchs. mehrfach frisch im Fleisch zu billigen Preisen. Der japanische Fuchs, ki-tsu-ne genannt, scheint in Nichts von der europäischen Art verschieden 1); er fehlt in fast keinem Bilderbuch, seine Be- schreibung in der Encyclopädie nimmt mehrere Seiten ein, und man sieht ihn öfters in Holz geschnitzt in den Läden, auf den Hinterfüssen sitzend, mit eichhörnchenartig erhobenem Schwanz, als Nachbildung der zwei kolossalen Fuchs-Statuen vor einem Tempel in Yeddo, den wir deshalb kurzweg den Fuchstempel nannten. Dass er im Aberglauben der Japaner eine nicht unbedeutende Rolle spiele und als höheres Wesen, wohl auch als böser die Menschen be- hexender Geist betrachtet werde, wie schon Kämpfer und Siebold angeben, hörte ich in Yeddo mehrfach bestätigen, aber meine Sprach- kenntniss reichte nicht aus, Bestimmteres darüber zu erfahren. Im indischen Archipel sind es Tiger und Krokodil, welche als dem Menschen todbringend zugleich gemieden und in gewisser Weise verehrt (namentlich als Vorfahren einzelner Menschen betrachtet) werden; in Kamtschatka ist es der Bär. Sollte in den Kulturge- genden Japan’s der Fuchs als grösstes der vorhandenen Raubthiere diesem Bedürfniss des Aberglaubens genügen? wie J. Kohl von der irischen Insel Rathlin erzählt, dass dort die Mütter in Ermangelung des Wolfes mit dem Namen des Fuchses ihre Kinder fürchten machen. Für Japan und China eigenthümlich ist dagegen die Gruppe der Obstfüchse (Nyctereutes Temm.), ziemlich unpassend auch Viverrenhunde oder Marderhunde genannt, denn ihre äussere Er- scheinung ist vielmehr die des nordamerikanischen Waschbären. Leider bekam ich nie einen lebenden zu sehen, die frisch getödteten aber bestätigten mir, dass die japanischen Bilder nicht unrecht haben, ihn als dickbäuchiges, kugelrundes Thier mit ziemlich kur- zem, buschigem Schwanz und fuchsartiger Schnauze darzustellen; auch die Färbung ähnelt der des Waschbären, während Schädel- form und Gebiss ihn in die Gattung Canis L. verweisen. Die erhaltenen Exemplare zeigten einen gelbbraunen Pelz mit schwarzen Haarspitzen, welch letztere besonders auf dem Rücken, an der Schulter und am Schwanz eine schwärzliche Schattirung bedingen; alle vier Extremitäten schwarzbraun; zwei grosse dunkelbraune Flecken im Gesicht, einer hinter und unter jedem Auge, erinnern auffallend an die Gesichtszeichnung des Waschbären, hängen aber nicht wie bei diesem in der Mitte zusammen. Die japanischen Diener

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/96>, abgerufen am 04.12.2024.