Der Empormarsch wird beschwerlich, weil immer steiler und glatter auf dem Genadel. Herabgerollte Felsenbrocken, Druiden- Altären gleich, zeigen sich hie und da. Ihre Summe wächst, der Wald lichtet sich, je höher, desto mehr, und bald stehen wir vor einem malerischen, mit schwerfaltigen Moosteppichen überhangenen Trümmer-Chaos, halb Forst, halb Bergsturz. Wir stoßen auf die zweite Aufgabe des Bannwaldes: Schutzmittel gegen die s. g. Steinschläge zu sein. Auf und an den kahlen, verwitternden Gebirgsgrathen geschichteter Formationen, sammeln sich die losge¬ sprengten, abgeschüttelten Fluhscherben an, das gleiche Trümmer- Material, welches auf den Gletschern die Moränen komponirt, und bedecken weit hinauf die Halden. Ein Theil derselben rutscht oder rollt beim Niedersturz weit hinab der Tiefe zu und dies sind die Steinschläge. Mancher sehr frequente Weg im Gebirge würde nur mit Lebensgefahr passirbar, mancher Ort unbewohnbar sein, wenn er gegen diesen niederschmetternden Steinregen nicht durch einen Bannwald gesichert wäre. So häuft sich das Gesteins-Material in der Höhe am Waldesrande an und bildet dort einen durch die Zeit von selbst sich aufbauenden schützenden Damm. Ein in male¬ rischer und botanischer Beziehung prachtvoll mit Felsentrümmern eines Bergsturzes dicht durchwürfelter ernster Wald dieser Art ist der Wasener Wald an der Gotthardsstraße.
Eine dritte Aufgabe der Bannwälder ist endlich auch noch: gegen Erdrutsche zu schützen. Das tief eindringende Wurzel¬ werk, welches durch die meist dünnen Schichten der aufgelagerten Dammerde in die Felsenritzen sich einkeilt, verhindert, daß bei heftigen und andauernden Regengüssen die aufgeweichte Erde ab¬ rutscht. Kahlschläge an solchen Stellen und Ausstocken des Wurzelwerkes haben schon zu den traurigsten Ereignissen geführt. Das Dorf Tschappina am Heinzenberge im Domleschger Thal (Graubünden) ist gegenwärtig im Rutschen begriffen. Alljährlich verändert sich die Lage und Größe der Grundstücke, so daß die
Der Bannwald.
Der Empormarſch wird beſchwerlich, weil immer ſteiler und glatter auf dem Genadel. Herabgerollte Felſenbrocken, Druiden- Altären gleich, zeigen ſich hie und da. Ihre Summe wächſt, der Wald lichtet ſich, je höher, deſto mehr, und bald ſtehen wir vor einem maleriſchen, mit ſchwerfaltigen Moosteppichen überhangenen Trümmer-Chaos, halb Forſt, halb Bergſturz. Wir ſtoßen auf die zweite Aufgabe des Bannwaldes: Schutzmittel gegen die ſ. g. Steinſchläge zu ſein. Auf und an den kahlen, verwitternden Gebirgsgrathen geſchichteter Formationen, ſammeln ſich die losge¬ ſprengten, abgeſchüttelten Fluhſcherben an, das gleiche Trümmer- Material, welches auf den Gletſchern die Moränen komponirt, und bedecken weit hinauf die Halden. Ein Theil derſelben rutſcht oder rollt beim Niederſturz weit hinab der Tiefe zu und dies ſind die Steinſchläge. Mancher ſehr frequente Weg im Gebirge würde nur mit Lebensgefahr paſſirbar, mancher Ort unbewohnbar ſein, wenn er gegen dieſen niederſchmetternden Steinregen nicht durch einen Bannwald geſichert wäre. So häuft ſich das Geſteins-Material in der Höhe am Waldesrande an und bildet dort einen durch die Zeit von ſelbſt ſich aufbauenden ſchützenden Damm. Ein in male¬ riſcher und botaniſcher Beziehung prachtvoll mit Felſentrümmern eines Bergſturzes dicht durchwürfelter ernſter Wald dieſer Art iſt der Waſener Wald an der Gotthardsſtraße.
Eine dritte Aufgabe der Bannwälder iſt endlich auch noch: gegen Erdrutſche zu ſchützen. Das tief eindringende Wurzel¬ werk, welches durch die meiſt dünnen Schichten der aufgelagerten Dammerde in die Felſenritzen ſich einkeilt, verhindert, daß bei heftigen und andauernden Regengüſſen die aufgeweichte Erde ab¬ rutſcht. Kahlſchläge an ſolchen Stellen und Ausſtocken des Wurzelwerkes haben ſchon zu den traurigſten Ereigniſſen geführt. Das Dorf Tſchappina am Heinzenberge im Domleſchger Thal (Graubünden) iſt gegenwärtig im Rutſchen begriffen. Alljährlich verändert ſich die Lage und Größe der Grundſtücke, ſo daß die
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Der Bannwald.
Der Empormarſch wird beſchwerlich, weil immer ſteiler und
glatter auf dem Genadel. Herabgerollte Felſenbrocken, Druiden-
Altären gleich, zeigen ſich hie und da. Ihre Summe wächſt, der
Wald lichtet ſich, je höher, deſto mehr, und bald ſtehen wir vor
einem maleriſchen, mit ſchwerfaltigen Moosteppichen überhangenen
Trümmer-Chaos, halb Forſt, halb Bergſturz. Wir ſtoßen auf die
zweite Aufgabe des Bannwaldes: Schutzmittel gegen die ſ. g.
Steinſchläge zu ſein. Auf und an den kahlen, verwitternden
Gebirgsgrathen geſchichteter Formationen, ſammeln ſich die losge¬
ſprengten, abgeſchüttelten Fluhſcherben an, das gleiche Trümmer-
Material, welches auf den Gletſchern die Moränen komponirt, und
bedecken weit hinauf die Halden. Ein Theil derſelben rutſcht oder
rollt beim Niederſturz weit hinab der Tiefe zu und dies ſind die
Steinſchläge. Mancher ſehr frequente Weg im Gebirge würde nur
mit Lebensgefahr paſſirbar, mancher Ort unbewohnbar ſein, wenn
er gegen dieſen niederſchmetternden Steinregen nicht durch einen
Bannwald geſichert wäre. So häuft ſich das Geſteins-Material
in der Höhe am Waldesrande an und bildet dort einen durch die
Zeit von ſelbſt ſich aufbauenden ſchützenden Damm. Ein in male¬
riſcher und botaniſcher Beziehung prachtvoll mit Felſentrümmern
eines Bergſturzes dicht durchwürfelter ernſter Wald dieſer Art iſt
der Waſener Wald an der Gotthardsſtraße.
Eine dritte Aufgabe der Bannwälder iſt endlich auch noch:
gegen Erdrutſche zu ſchützen. Das tief eindringende Wurzel¬
werk, welches durch die meiſt dünnen Schichten der aufgelagerten
Dammerde in die Felſenritzen ſich einkeilt, verhindert, daß bei
heftigen und andauernden Regengüſſen die aufgeweichte Erde ab¬
rutſcht. Kahlſchläge an ſolchen Stellen und Ausſtocken des
Wurzelwerkes haben ſchon zu den traurigſten Ereigniſſen geführt.
Das Dorf Tſchappina am Heinzenberge im Domleſchger Thal
(Graubünden) iſt gegenwärtig im Rutſchen begriffen. Alljährlich
verändert ſich die Lage und Größe der Grundſtücke, ſo daß die
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/101>, abgerufen am 21.11.2024.
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