Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Rüfe. germanica), viele Weidenarten, namentlich auch die Rosmarin-Weide und eine kleinblätterige Gattung der Salix purpurea von ungemeiner Schönheit und Eleganz der feinen nobelen Blätterform. Am Boden steht hin und wieder der stark nach bitteren Mandeln riechende, weiße Steinklee (Trifolium officinale) und überraschen¬ der Weise Fremdlinge, die wir hier im Thale zu sehen nicht ge¬ wohnt sind, weil ihre Heimath einige Tausend Fuß höher liegt; es sind vom Wetter herabgeschwemmte Alpenpflanzen, Auswanderer, die sich hier unten angesiedelt haben und wirklich sich zu akklimati¬ siren scheinen. Dort wirkt freundlich die kleine, blaßblaue Alpenglocke (Campanula pusilla), und neben ihr die traganth-artige Berglinse (Phaca astragalina) ziemlich behaart mit den weißen, blauzuge¬ spitzten Blümchen; dann der Berg-Spitzkeil (Oxitropis montana), -- und im Sande kriecht, etwas unbehaglich und desorientirt, die sonst in der Höhe so freundlich grüßende, wolfsmilchblätterige Saxifraga aizoides mit den safrangelben, fünfblätterigen Blümchen und korpulenten Fruchtknoten. Es drängt uns, dies unliebsame Strand-Boskett zu verlassen, welches durch breitgewipfelte, einiger¬ maßen an die Pinie des Südens erinnernde Fichten noch melan¬ cholischer gestimmt wird. Die hellgrau, mitunter silberschimmernd glänzenden Schiefer¬ Die Rüfe. germanica), viele Weidenarten, namentlich auch die Rosmarin-Weide und eine kleinblätterige Gattung der Salix purpurea von ungemeiner Schönheit und Eleganz der feinen nobelen Blätterform. Am Boden ſteht hin und wieder der ſtark nach bitteren Mandeln riechende, weiße Steinklee (Trifolium officinale) und überraſchen¬ der Weiſe Fremdlinge, die wir hier im Thale zu ſehen nicht ge¬ wohnt ſind, weil ihre Heimath einige Tauſend Fuß höher liegt; es ſind vom Wetter herabgeſchwemmte Alpenpflanzen, Auswanderer, die ſich hier unten angeſiedelt haben und wirklich ſich zu akklimati¬ ſiren ſcheinen. Dort wirkt freundlich die kleine, blaßblaue Alpenglocke (Campanula pusilla), und neben ihr die traganth-artige Berglinſe (Phaca astragalina) ziemlich behaart mit den weißen, blauzuge¬ ſpitzten Blümchen; dann der Berg-Spitzkeil (Oxitropis montana), — und im Sande kriecht, etwas unbehaglich und desorientirt, die ſonſt in der Höhe ſo freundlich grüßende, wolfsmilchblätterige Saxifraga aizoides mit den ſafrangelben, fünfblätterigen Blümchen und korpulenten Fruchtknoten. Es drängt uns, dies unliebſame Strand-Boskett zu verlaſſen, welches durch breitgewipfelte, einiger¬ maßen an die Pinie des Südens erinnernde Fichten noch melan¬ choliſcher geſtimmt wird. Die hellgrau, mitunter ſilberſchimmernd glänzenden Schiefer¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="186"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Die Rüfe</hi>.<lb/></fw><hi rendition="#aq">germanica</hi>), viele Weidenarten, namentlich auch die Rosmarin-<lb/> Weide und eine kleinblätterige Gattung der <hi rendition="#aq">Salix purpurea</hi> von<lb/> ungemeiner Schönheit und Eleganz der feinen nobelen Blätterform.<lb/> Am Boden ſteht hin und wieder der ſtark nach bitteren Mandeln<lb/> riechende, weiße Steinklee (<hi rendition="#aq">Trifolium officinale</hi>) und überraſchen¬<lb/> der Weiſe Fremdlinge, die wir hier im Thale zu ſehen nicht ge¬<lb/> wohnt ſind, weil ihre Heimath einige Tauſend Fuß höher liegt; es<lb/> ſind vom Wetter herabgeſchwemmte Alpenpflanzen, Auswanderer,<lb/> die ſich hier unten angeſiedelt haben und wirklich ſich zu akklimati¬<lb/> ſiren ſcheinen. 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Die Eiſenbahn mußte gegen ſolche<lb/> alt eingewurzelte Ungezogenheiten vorkommenden Falles ſich verwah¬<lb/> ren; ſie bannte den unbändigen Raufbold, legte ihm eine techniſche<lb/> Zwangsjacke in Form eines, aus ſeinem eigenen Geſteinsmaterial<lb/> gepflaſterten, tief ausgehöhlten Kanales an, und dieſen Weg muß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0214]
Die Rüfe.
germanica), viele Weidenarten, namentlich auch die Rosmarin-
Weide und eine kleinblätterige Gattung der Salix purpurea von
ungemeiner Schönheit und Eleganz der feinen nobelen Blätterform.
Am Boden ſteht hin und wieder der ſtark nach bitteren Mandeln
riechende, weiße Steinklee (Trifolium officinale) und überraſchen¬
der Weiſe Fremdlinge, die wir hier im Thale zu ſehen nicht ge¬
wohnt ſind, weil ihre Heimath einige Tauſend Fuß höher liegt; es
ſind vom Wetter herabgeſchwemmte Alpenpflanzen, Auswanderer,
die ſich hier unten angeſiedelt haben und wirklich ſich zu akklimati¬
ſiren ſcheinen. Dort wirkt freundlich die kleine, blaßblaue Alpenglocke
(Campanula pusilla), und neben ihr die traganth-artige Berglinſe
(Phaca astragalina) ziemlich behaart mit den weißen, blauzuge¬
ſpitzten Blümchen; dann der Berg-Spitzkeil (Oxitropis montana), —
und im Sande kriecht, etwas unbehaglich und desorientirt, die
ſonſt in der Höhe ſo freundlich grüßende, wolfsmilchblätterige
Saxifraga aizoides mit den ſafrangelben, fünfblätterigen Blümchen
und korpulenten Fruchtknoten. Es drängt uns, dies unliebſame
Strand-Boskett zu verlaſſen, welches durch breitgewipfelte, einiger¬
maßen an die Pinie des Südens erinnernde Fichten noch melan¬
choliſcher geſtimmt wird.
Die hellgrau, mitunter ſilberſchimmernd glänzenden Schiefer¬
ſcherben mit den reichlich dazwiſchen geſtreuten weißen Feldſpath-
Brocken nehmen zu, die Partie wird verwüſteter, zerriſſener, der Boden
brennt von der rückſtrahlenden Sonnengluth, er iſt ganz vegeta¬
tionsentblößt; wir ſtehen am Rand der Rüfe, wo ſie in ungehemm¬
ter Bequemlichkeit Jahrhunderte lang ſich ausdehnte und alles Nutz¬
land ringsum mit ihrem ſpröden, zu ſandartigem Staub verwittern¬
den Gebirgsunrathe verwüſtete. Die Eiſenbahn mußte gegen ſolche
alt eingewurzelte Ungezogenheiten vorkommenden Falles ſich verwah¬
ren; ſie bannte den unbändigen Raufbold, legte ihm eine techniſche
Zwangsjacke in Form eines, aus ſeinem eigenen Geſteinsmaterial
gepflaſterten, tief ausgehöhlten Kanales an, und dieſen Weg muß
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