Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Lauine. selben begraben. Da die Lauine in der Nacht niederging, währendeiner Zeit, wo alle Bewohner des Unglücksdorfes fest schliefen, so erfuhren viele, deren Häuser entweder nicht zertrümmert, oder nur mit Stumpf und Stiel sanft zur Seite geschoben wurden, Anfangs gar nichts von dem entsetzlichen Vorfall und wunderten sich beim Erwachen nur darüber, daß die Nacht so lange dauere, bis sie endlich sich überzeugten, daß sie in einer Schnee-Bastille eingemauert seien. Durch eigene und fremde Hilfe wurden etwa 60 Menschen gerettet. -- Das bedeutendste Staub-Lauinen-Unglück aus neuerer Zeit ist jenes, welches 1827 das Walliser Dorf Biel ereilte und 40 Menschen als Opfer verschlang. Indessen sind außerordentlich viele Beispiele von wunderbaren, ja sogar komischen Rettungen bekannt. So z. B. wurde im December 1836 im Averser-Thale (in Graubünden) ein Haus, in welchem 12 spielende Kinder versammelt waren, von einer Lauine ergriffen, horizontal fortgeschoben und total mit feinem Schnee zugedeckt, so daß selbst der First nicht hervorschaute. Die Eltern der Kleinen, gelähmt vom Schrecken, eilten mit Schaufeln und Spaten jener Gegend zu, in welcher sie das Haus verschüttet glaubten; aber noch ehe sie beginnen konnten ernstlich zu arbeiten, kamen die Kinder, eins nach dem andern, wohlbehalten aus dem Schnee hervorgekrochen. Noch drolliger ist jener Vorfall, welchen Bilibaldus Pirckheimerus in seinem Bellum Helveticum Maximiliani I. aus der Zeit des Schwabenkrieges von 1498 erzählt; damals waren im Engadin 400 kaiserliche Landsknechte von einer Staub-Lauine verschlungen und über eine Anhöhe hinabgeworfen worden; -- aber o Wunder! bald lebte die ganze Schneemasse wie ein Ameisen-Haufen, und unter dem schallendsten Gelächter ihrer unberührt gebliebenen Kriegs¬ kameraden, krochen Alle ohne Ausnahme wieder hervor, Einige wohl beschädigt, aber Keiner tödtlich verletzt. Von der Schnellkraft des erzeugten Luftdruckes kann man, Die Lauine. ſelben begraben. Da die Lauine in der Nacht niederging, währendeiner Zeit, wo alle Bewohner des Unglücksdorfes feſt ſchliefen, ſo erfuhren viele, deren Häuſer entweder nicht zertrümmert, oder nur mit Stumpf und Stiel ſanft zur Seite geſchoben wurden, Anfangs gar nichts von dem entſetzlichen Vorfall und wunderten ſich beim Erwachen nur darüber, daß die Nacht ſo lange dauere, bis ſie endlich ſich überzeugten, daß ſie in einer Schnee-Baſtille eingemauert ſeien. Durch eigene und fremde Hilfe wurden etwa 60 Menſchen gerettet. — Das bedeutendſte Staub-Lauinen-Unglück aus neuerer Zeit iſt jenes, welches 1827 das Walliſer Dorf Biel ereilte und 40 Menſchen als Opfer verſchlang. Indeſſen ſind außerordentlich viele Beiſpiele von wunderbaren, ja ſogar komiſchen Rettungen bekannt. So z. B. wurde im December 1836 im Averſer-Thale (in Graubünden) ein Haus, in welchem 12 ſpielende Kinder verſammelt waren, von einer Lauine ergriffen, horizontal fortgeſchoben und total mit feinem Schnee zugedeckt, ſo daß ſelbſt der Firſt nicht hervorſchaute. Die Eltern der Kleinen, gelähmt vom Schrecken, eilten mit Schaufeln und Spaten jener Gegend zu, in welcher ſie das Haus verſchüttet glaubten; aber noch ehe ſie beginnen konnten ernſtlich zu arbeiten, kamen die Kinder, eins nach dem andern, wohlbehalten aus dem Schnee hervorgekrochen. Noch drolliger iſt jener Vorfall, welchen Bilibaldus Pirckheimerus in ſeinem Bellum Helveticum Maximiliani I. aus der Zeit des Schwabenkrieges von 1498 erzählt; damals waren im Engadin 400 kaiſerliche Landsknechte von einer Staub-Lauine verſchlungen und über eine Anhöhe hinabgeworfen worden; — aber o Wunder! bald lebte die ganze Schneemaſſe wie ein Ameiſen-Haufen, und unter dem ſchallendſten Gelächter ihrer unberührt gebliebenen Kriegs¬ kameraden, krochen Alle ohne Ausnahme wieder hervor, Einige wohl beſchädigt, aber Keiner tödtlich verletzt. Von der Schnellkraft des erzeugten Luftdruckes kann man, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0229" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Die Lauine</hi>.<lb/></fw>ſelben begraben. 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Die Lauine.
ſelben begraben. Da die Lauine in der Nacht niederging, während
einer Zeit, wo alle Bewohner des Unglücksdorfes feſt ſchliefen,
ſo erfuhren viele, deren Häuſer entweder nicht zertrümmert, oder
nur mit Stumpf und Stiel ſanft zur Seite geſchoben wurden,
Anfangs gar nichts von dem entſetzlichen Vorfall und wunderten
ſich beim Erwachen nur darüber, daß die Nacht ſo lange dauere,
bis ſie endlich ſich überzeugten, daß ſie in einer Schnee-Baſtille
eingemauert ſeien. Durch eigene und fremde Hilfe wurden etwa
60 Menſchen gerettet. — Das bedeutendſte Staub-Lauinen-Unglück
aus neuerer Zeit iſt jenes, welches 1827 das Walliſer Dorf Biel
ereilte und 40 Menſchen als Opfer verſchlang. Indeſſen ſind
außerordentlich viele Beiſpiele von wunderbaren, ja ſogar komiſchen
Rettungen bekannt. So z. B. wurde im December 1836 im
Averſer-Thale (in Graubünden) ein Haus, in welchem 12 ſpielende
Kinder verſammelt waren, von einer Lauine ergriffen, horizontal
fortgeſchoben und total mit feinem Schnee zugedeckt, ſo daß ſelbſt
der Firſt nicht hervorſchaute. Die Eltern der Kleinen, gelähmt
vom Schrecken, eilten mit Schaufeln und Spaten jener Gegend
zu, in welcher ſie das Haus verſchüttet glaubten; aber noch ehe
ſie beginnen konnten ernſtlich zu arbeiten, kamen die Kinder, eins
nach dem andern, wohlbehalten aus dem Schnee hervorgekrochen.
Noch drolliger iſt jener Vorfall, welchen Bilibaldus Pirckheimerus
in ſeinem Bellum Helveticum Maximiliani I. aus der Zeit des
Schwabenkrieges von 1498 erzählt; damals waren im Engadin
400 kaiſerliche Landsknechte von einer Staub-Lauine verſchlungen
und über eine Anhöhe hinabgeworfen worden; — aber o Wunder!
bald lebte die ganze Schneemaſſe wie ein Ameiſen-Haufen, und
unter dem ſchallendſten Gelächter ihrer unberührt gebliebenen Kriegs¬
kameraden, krochen Alle ohne Ausnahme wieder hervor, Einige wohl
beſchädigt, aber Keiner tödtlich verletzt.
Von der Schnellkraft des erzeugten Luftdruckes kann man,
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