Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Das Alpengebäude. Gesteine *) unterschieden, bald als Schiefer und Sandstein, baldals kalkartige Gesteine in respektabeln Gebirgsketten und schroff abgerissenen Felsen-Facaden auftreten. Begreiflich besteht nicht die ganze Aufgipfelung eines solchen Gebirgs-Individuums lediglich aus diesem Gestein, sondern dasselbe ist entweder nur das vorherr¬ schende, wie in der stolzen Bergpyramide des Niesen (7280 Fuß) am Thunersee, wo die Flyschlager eine Durchschnitts-Dicke von 4500 Fuß erreichen, -- oder, es ist das zu oberst aufliegende, in schwindelnde Höhe mit emporgehobene Gestein wie an der Schrattenfluh im Emmenthal oder an den zackiggebrochenen, schein¬ bar in sich selbst zusammengesunkenen Ralligstöcken und auf dem Niederhorn im Justithale (Thuner-See), wo Nummulitenkalk die obersten Kämme bildet. Auch der Gipfel des sommerlichen Tou¬ ristenzieles, das berühmte Faulhorn, ist rauher sandiger Schiefer der Flyschzeit und das "verfaulende" Gestein verlieh dem Berge seinen Namen. Noch weiter hinauf bis zu 10 und 11 Tausend Fuß, wurde Flysch- und Nummuliten-Sand nur auf die äußersten Kuppen der Glariden und des Tödi gehoben; dort be¬ deckt es wie aufgestülpte Hauskäppchen die Silberscheitel dieser Berg¬ greise, deren gewaltige Körpermasse aus, krystallischen Felsarten (Gneis) besteht. Aber es bedarf durchaus nicht der Wanderung auf solche *) Die Bezeichnung "Eocen" rührt vou einigen in diese Gesteinsarten
eingeschlossenen Organismen (Pflanzenabdrücke, Muscheln, Thierüberreste) her, deren Arten in der Gegenwart noch existiren, als Versteinerungen aber sich zuerst in dieser Formation zeigen. -- Nummuliten-Gebilde haben ihre Benennung von einer in denselben in großer Menge vorkommenden versteinerten, linsenförmigen Muschel (Nummulites nummularia, vom Gebirgsbauer auch "Batzensteine", "Kümmisteine" genannt, welche gespalten einen spiralförmigen Kanal mit einer Unmasse von Kämmerchen zeigt. Abbildung in Vogt's Geologie, 2. Aufl., 1. Bd. pag. 626. Das Alpengebäude. Geſteine *) unterſchieden, bald als Schiefer und Sandſtein, baldals kalkartige Geſteine in reſpektabeln Gebirgsketten und ſchroff abgeriſſenen Felſen-Façaden auftreten. Begreiflich beſteht nicht die ganze Aufgipfelung eines ſolchen Gebirgs-Individuums lediglich aus dieſem Geſtein, ſondern daſſelbe iſt entweder nur das vorherr¬ ſchende, wie in der ſtolzen Bergpyramide des Nieſen (7280 Fuß) am Thunerſee, wo die Flyſchlager eine Durchſchnitts-Dicke von 4500 Fuß erreichen, — oder, es iſt das zu oberſt aufliegende, in ſchwindelnde Höhe mit emporgehobene Geſtein wie an der Schrattenfluh im Emmenthal oder an den zackiggebrochenen, ſchein¬ bar in ſich ſelbſt zuſammengeſunkenen Ralligſtöcken und auf dem Niederhorn im Juſtithale (Thuner-See), wo Nummulitenkalk die oberſten Kämme bildet. Auch der Gipfel des ſommerlichen Tou¬ riſtenzieles, das berühmte Faulhorn, iſt rauher ſandiger Schiefer der Flyſchzeit und das „verfaulende“ Geſtein verlieh dem Berge ſeinen Namen. Noch weiter hinauf bis zu 10 und 11 Tauſend Fuß, wurde Flyſch- und Nummuliten-Sand nur auf die äußerſten Kuppen der Glariden und des Tödi gehoben; dort be¬ deckt es wie aufgeſtülpte Hauskäppchen die Silberſcheitel dieſer Berg¬ greiſe, deren gewaltige Körpermaſſe aus, kryſtalliſchen Felsarten (Gneis) beſteht. Aber es bedarf durchaus nicht der Wanderung auf ſolche *) Die Bezeichnung „Eocen“ rührt vou einigen in dieſe Geſteinsarten
eingeſchloſſenen Organismen (Pflanzenabdrücke, Muſcheln, Thierüberreſte) her, deren Arten in der Gegenwart noch exiſtiren, als Verſteinerungen aber ſich zuerſt in dieſer Formation zeigen. — Nummuliten-Gebilde haben ihre Benennung von einer in denſelben in großer Menge vorkommenden verſteinerten, linſenförmigen Muſchel (Nummulites nummularia, vom Gebirgsbauer auch „Batzenſteine“, „Kümmiſteine“ genannt, welche geſpalten einen ſpiralförmigen Kanal mit einer Unmaſſe von Kämmerchen zeigt. Abbildung in Vogt's Geologie, 2. Aufl., 1. Bd. pag. 626. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alpengebäude</hi>.<lb/></fw><hi rendition="#g">Geſteine</hi><note place="foot" n="*)"><lb/> Die Bezeichnung „<hi rendition="#g">Eocen</hi>“ rührt vou einigen in dieſe Geſteinsarten<lb/> eingeſchloſſenen Organismen (Pflanzenabdrücke, Muſcheln, Thierüberreſte) her,<lb/> deren Arten in der Gegenwart noch exiſtiren, als Verſteinerungen aber ſich<lb/> zuerſt in dieſer Formation zeigen. — <hi rendition="#g">Nummuliten-Gebilde</hi> haben ihre<lb/> Benennung von einer in denſelben in großer Menge vorkommenden verſteinerten,<lb/> linſenförmigen Muſchel (<hi rendition="#aq">Nummulites nummularia</hi>, vom Gebirgsbauer auch<lb/> „Batzenſteine“, „Kümmiſteine“ genannt, welche geſpalten einen ſpiralförmigen<lb/> Kanal mit einer Unmaſſe von Kämmerchen zeigt. Abbildung in Vogt's Geologie,<lb/> 2. Aufl., 1. Bd. <hi rendition="#aq">pag</hi>. 626.</note> unterſchieden, bald als Schiefer und Sandſtein, bald<lb/> als kalkartige Geſteine in reſpektabeln Gebirgsketten und ſchroff<lb/> abgeriſſenen Felſen-Fa<hi rendition="#aq">ç</hi>aden auftreten. Begreiflich beſteht nicht die<lb/> ganze Aufgipfelung eines ſolchen Gebirgs-Individuums lediglich<lb/> aus dieſem Geſtein, ſondern daſſelbe iſt entweder nur das vorherr¬<lb/> ſchende, wie in der ſtolzen Bergpyramide des Nieſen (7280 Fuß)<lb/> am Thunerſee, wo die Flyſchlager eine Durchſchnitts-Dicke von<lb/> 4500 Fuß erreichen, — oder, es iſt das zu oberſt aufliegende,<lb/> in ſchwindelnde Höhe mit emporgehobene Geſtein wie an der<lb/> Schrattenfluh im Emmenthal oder an den zackiggebrochenen, ſchein¬<lb/> bar in ſich ſelbſt zuſammengeſunkenen Ralligſtöcken und auf dem<lb/> Niederhorn im Juſtithale (Thuner-See), wo Nummulitenkalk die<lb/> oberſten Kämme bildet. Auch der Gipfel des ſommerlichen Tou¬<lb/> riſtenzieles, das berühmte Faulhorn, iſt rauher ſandiger Schiefer<lb/> der Flyſchzeit und das „verfaulende“ Geſtein verlieh dem Berge<lb/> ſeinen Namen. Noch weiter hinauf bis zu 10 und 11 Tauſend<lb/> Fuß, wurde Flyſch- und Nummuliten-Sand nur auf die<lb/> äußerſten Kuppen der Glariden und des Tödi gehoben; dort be¬<lb/> deckt es wie aufgeſtülpte Hauskäppchen die Silberſcheitel dieſer Berg¬<lb/> greiſe, deren gewaltige Körpermaſſe aus, kryſtalliſchen Felsarten<lb/> (Gneis) beſteht.</p><lb/> <p>Aber es bedarf durchaus nicht der Wanderung auf ſolche<lb/> Höhen, um das Geſtein kennen zu lernen; auch das Thal birgt<lb/> es. Jene ſchwarzen immer feuchten Felſenwände der Tamina¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0027]
Das Alpengebäude.
Geſteine *) unterſchieden, bald als Schiefer und Sandſtein, bald
als kalkartige Geſteine in reſpektabeln Gebirgsketten und ſchroff
abgeriſſenen Felſen-Façaden auftreten. Begreiflich beſteht nicht die
ganze Aufgipfelung eines ſolchen Gebirgs-Individuums lediglich
aus dieſem Geſtein, ſondern daſſelbe iſt entweder nur das vorherr¬
ſchende, wie in der ſtolzen Bergpyramide des Nieſen (7280 Fuß)
am Thunerſee, wo die Flyſchlager eine Durchſchnitts-Dicke von
4500 Fuß erreichen, — oder, es iſt das zu oberſt aufliegende,
in ſchwindelnde Höhe mit emporgehobene Geſtein wie an der
Schrattenfluh im Emmenthal oder an den zackiggebrochenen, ſchein¬
bar in ſich ſelbſt zuſammengeſunkenen Ralligſtöcken und auf dem
Niederhorn im Juſtithale (Thuner-See), wo Nummulitenkalk die
oberſten Kämme bildet. Auch der Gipfel des ſommerlichen Tou¬
riſtenzieles, das berühmte Faulhorn, iſt rauher ſandiger Schiefer
der Flyſchzeit und das „verfaulende“ Geſtein verlieh dem Berge
ſeinen Namen. Noch weiter hinauf bis zu 10 und 11 Tauſend
Fuß, wurde Flyſch- und Nummuliten-Sand nur auf die
äußerſten Kuppen der Glariden und des Tödi gehoben; dort be¬
deckt es wie aufgeſtülpte Hauskäppchen die Silberſcheitel dieſer Berg¬
greiſe, deren gewaltige Körpermaſſe aus, kryſtalliſchen Felsarten
(Gneis) beſteht.
Aber es bedarf durchaus nicht der Wanderung auf ſolche
Höhen, um das Geſtein kennen zu lernen; auch das Thal birgt
es. Jene ſchwarzen immer feuchten Felſenwände der Tamina¬
*)
Die Bezeichnung „Eocen“ rührt vou einigen in dieſe Geſteinsarten
eingeſchloſſenen Organismen (Pflanzenabdrücke, Muſcheln, Thierüberreſte) her,
deren Arten in der Gegenwart noch exiſtiren, als Verſteinerungen aber ſich
zuerſt in dieſer Formation zeigen. — Nummuliten-Gebilde haben ihre
Benennung von einer in denſelben in großer Menge vorkommenden verſteinerten,
linſenförmigen Muſchel (Nummulites nummularia, vom Gebirgsbauer auch
„Batzenſteine“, „Kümmiſteine“ genannt, welche geſpalten einen ſpiralförmigen
Kanal mit einer Unmaſſe von Kämmerchen zeigt. Abbildung in Vogt's Geologie,
2. Aufl., 1. Bd. pag. 626.
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