Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenspitzen. organischen Lebens baaren Gebirgszinnen trieb, -- oder endlich diemännliche, freie, helle Lust an dem überwältigenden Reize, den das Außerordentliche, Wild-Erhabene bietet, -- können zu solchen ge¬ fahrvollen Unternehmungen anregen. Es sind Thaten, zu denen muthiger Entschluß und fester Wille, große körperliche Kraft und nachhaltige Ausdauer gehören, -- die ohne Abhärtung und fröhliche Entsagung liebgewordener Gewohnheiten nicht auszuführen sind. Es sind aber auch Thaten, die sowohl intellektuell wie materiell mit Sorgfalt vorbereitet sein wollen. Ohne selbstbewußten Zweck, ohne leitenden Gedanken, ohne entsprechende Vorstudien und wissen¬ schaftliche Unterlage verflachen solche Expeditionen zu müßigen, werth- und resultatlosen Waghalsereien, die lediglich auf den mageren Ruhm Anspruch machen dürfen: "da droben gewesen zu sein." Was K. Müller im Vorwort zu seinen "Ansichten aus den deut¬ schen Alpen" über das Reisen im Allgemeinen so treffend sagt: daß erst die Kenntniß der Natur und ihrer sich uns offenbarenden Geheimnisse den ächten, vollen Genuß beim Reisen gewähre, daß jährlich Tausende aus den Alpen zurückkehren, ohne die Alpen ken¬ nen gelernt zu haben, weil ihnen die Einsicht zu den Aussichten mangele, -- das gilt in erhöhtem Maaße ganz besonders auch von Solchen, die Mittel und Zeit, Mühe und Leben daran setzen, um von ihrer Montblanc-Ersteigung prahlend erzählen zu können. Und endlich will eine Bergbesteigung dieser Art, die ihr Wan¬ Alpenſpitzen. organiſchen Lebens baaren Gebirgszinnen trieb, — oder endlich diemännliche, freie, helle Luſt an dem überwältigenden Reize, den das Außerordentliche, Wild-Erhabene bietet, — können zu ſolchen ge¬ fahrvollen Unternehmungen anregen. Es ſind Thaten, zu denen muthiger Entſchluß und feſter Wille, große körperliche Kraft und nachhaltige Ausdauer gehören, — die ohne Abhärtung und fröhliche Entſagung liebgewordener Gewohnheiten nicht auszuführen ſind. Es ſind aber auch Thaten, die ſowohl intellektuell wie materiell mit Sorgfalt vorbereitet ſein wollen. Ohne ſelbſtbewußten Zweck, ohne leitenden Gedanken, ohne entſprechende Vorſtudien und wiſſen¬ ſchaftliche Unterlage verflachen ſolche Expeditionen zu müßigen, werth- und reſultatloſen Waghalſereien, die lediglich auf den mageren Ruhm Anſpruch machen dürfen: „da droben geweſen zu ſein.“ Was K. Müller im Vorwort zu ſeinen „Anſichten aus den deut¬ ſchen Alpen“ über das Reiſen im Allgemeinen ſo treffend ſagt: daß erſt die Kenntniß der Natur und ihrer ſich uns offenbarenden Geheimniſſe den ächten, vollen Genuß beim Reiſen gewähre, daß jährlich Tauſende aus den Alpen zurückkehren, ohne die Alpen ken¬ nen gelernt zu haben, weil ihnen die Einſicht zu den Ausſichten mangele, — das gilt in erhöhtem Maaße ganz beſonders auch von Solchen, die Mittel und Zeit, Mühe und Leben daran ſetzen, um von ihrer Montblanc-Erſteigung prahlend erzählen zu können. Und endlich will eine Bergbeſteigung dieſer Art, die ihr Wan¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0282" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenſpitzen</hi>.<lb/></fw> organiſchen Lebens baaren Gebirgszinnen trieb, — oder endlich die<lb/> männliche, freie, helle Luſt an dem überwältigenden Reize, den das<lb/> Außerordentliche, Wild-Erhabene bietet, — können zu ſolchen ge¬<lb/> fahrvollen Unternehmungen anregen. Es ſind Thaten, zu denen<lb/> muthiger Entſchluß und feſter Wille, große körperliche Kraft und<lb/> nachhaltige Ausdauer gehören, — die ohne Abhärtung und fröhliche<lb/> Entſagung liebgewordener Gewohnheiten nicht auszuführen ſind.<lb/> Es ſind aber auch Thaten, die ſowohl intellektuell wie materiell mit<lb/> Sorgfalt vorbereitet ſein wollen. 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In jene<lb/> vegetations-entblößten, todten, ſtarren Eiſesfelder, wo meilenweit<lb/> keine menſchliche Hilfe, kein ſchützendes Obdach zu erblicken iſt, wo<lb/> kein gaſtfreundlicher „Willkommen“ dem erſchöpften Wanderer ent¬<lb/> gegentönt, in jene ſchauerlich-erhabenen Einöden muß Alles, was<lb/> zu des Lebens dringendſtem Bedarf gehört, an Speiſe und Trank,<lb/> Holz und Decken, mit emporgetragen werden. Um Abgründe über¬<lb/> ſchreiten, Jähwände erklimmen, in glatte Eisdächer Stufen hauen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [248/0282]
Alpenſpitzen.
organiſchen Lebens baaren Gebirgszinnen trieb, — oder endlich die
männliche, freie, helle Luſt an dem überwältigenden Reize, den das
Außerordentliche, Wild-Erhabene bietet, — können zu ſolchen ge¬
fahrvollen Unternehmungen anregen. Es ſind Thaten, zu denen
muthiger Entſchluß und feſter Wille, große körperliche Kraft und
nachhaltige Ausdauer gehören, — die ohne Abhärtung und fröhliche
Entſagung liebgewordener Gewohnheiten nicht auszuführen ſind.
Es ſind aber auch Thaten, die ſowohl intellektuell wie materiell mit
Sorgfalt vorbereitet ſein wollen. Ohne ſelbſtbewußten Zweck, ohne
leitenden Gedanken, ohne entſprechende Vorſtudien und wiſſen¬
ſchaftliche Unterlage verflachen ſolche Expeditionen zu müßigen,
werth- und reſultatloſen Waghalſereien, die lediglich auf den mageren
Ruhm Anſpruch machen dürfen: „da droben geweſen zu ſein.“
Was K. Müller im Vorwort zu ſeinen „Anſichten aus den deut¬
ſchen Alpen“ über das Reiſen im Allgemeinen ſo treffend ſagt:
daß erſt die Kenntniß der Natur und ihrer ſich uns offenbarenden
Geheimniſſe den ächten, vollen Genuß beim Reiſen gewähre, daß
jährlich Tauſende aus den Alpen zurückkehren, ohne die Alpen ken¬
nen gelernt zu haben, weil ihnen die Einſicht zu den Ausſichten
mangele, — das gilt in erhöhtem Maaße ganz beſonders auch von
Solchen, die Mittel und Zeit, Mühe und Leben daran ſetzen, um
von ihrer Montblanc-Erſteigung prahlend erzählen zu können.
Und endlich will eine Bergbeſteigung dieſer Art, die ihr Wan¬
derziel in den Regionen über zehntauſend Fuß ſucht, mit großer
Sorgfalt und gründlicher Sachkenntniß ausgerüſtet ſein. In jene
vegetations-entblößten, todten, ſtarren Eiſesfelder, wo meilenweit
keine menſchliche Hilfe, kein ſchützendes Obdach zu erblicken iſt, wo
kein gaſtfreundlicher „Willkommen“ dem erſchöpften Wanderer ent¬
gegentönt, in jene ſchauerlich-erhabenen Einöden muß Alles, was
zu des Lebens dringendſtem Bedarf gehört, an Speiſe und Trank,
Holz und Decken, mit emporgetragen werden. Um Abgründe über¬
ſchreiten, Jähwände erklimmen, in glatte Eisdächer Stufen hauen
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