Werk, dessen Ausführung kurze Zeit vorher für eine tolle Phanta¬ sterei gegolten haben mag, gab den Impuls zu anderen, ebenso großartigen Straßenbauten, deren jetzt mehr als ein Dutzend die Hoch-Alpen überspannen.
Der Begriff "Alpen-Paß" ist ein sehr relativer. Es giebt deren, die der gewöhnlichste Fußgänger sehr leicht und völlig ge¬ fahrlos passiren kann, die kaum einige Anstrengung verursachen, und es giebt andererseits wieder solche, die, über Gletscher und Eisfelder führend, nicht weniger Ausdauer, Sicherheit und schwindelfreien Kopf bedingen, als die Ersteigung bedeutender Alpengipfel. Man kann sie daher zunächst eintheilen in solche, welche zu Kunst- und Fahrstraßen gebaut sind, auf denen Winter und Sommer ein reges Leben herrscht und über die tägliche Eil- und Postwagen fahren; ferner in Saumpfade, die während der guten Jahreszeit lebhaft benutzt werden und selbst auch im Winter für Schlitten- Passage dienen, und endlich in solche, die nur Fußpfade oder Gletscherpässe sind.
Die künstlich angelegten Alpenstraßen sind Meisterwerke der Baukunst, -- Triumphe des menschlichen Verstandes und der eisernsten Ausdauer. Ihre Erbauer: Napoleon I., Kaiser Franz I. von Oesterreich, König Victor Emanuel von Sicilien und die Schweizerischen Gebirgskantone Graubünden, Tessin und Uri haben sich Denkmale durch dieselben errichtet, welche die Pyramiden und Tempelbauten der alten Völker übertreffen. Es gab zwar schon vor dem Beginn unseres Jahrhunderts gepflasterte Alpenstraßen, wie z. B. die über den Septimer; aber ihre Anlage war so schwer¬ fällig und ohne alle Berücksichtigung für nur einigermaßen erleich¬ tertes Fortkommen, daß es für ein ziemlich gewagtes Unternehmen galt, dieselben mit Wagen zu passiren. Consul Buonaparte war, wie erwähnt, der erste kühne Unternehmer, der in den Jahren 1801 bis 1806 den fahrbaren Weg über den Simplon bauen ließ. Wichtig für den Handel waren von jeher die Pässe über den Gott¬
Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen.
Werk, deſſen Ausführung kurze Zeit vorher für eine tolle Phanta¬ ſterei gegolten haben mag, gab den Impuls zu anderen, ebenſo großartigen Straßenbauten, deren jetzt mehr als ein Dutzend die Hoch-Alpen überſpannen.
Der Begriff „Alpen-Paß“ iſt ein ſehr relativer. Es giebt deren, die der gewöhnlichſte Fußgänger ſehr leicht und völlig ge¬ fahrlos paſſiren kann, die kaum einige Anſtrengung verurſachen, und es giebt andererſeits wieder ſolche, die, über Gletſcher und Eisfelder führend, nicht weniger Ausdauer, Sicherheit und ſchwindelfreien Kopf bedingen, als die Erſteigung bedeutender Alpengipfel. Man kann ſie daher zunächſt eintheilen in ſolche, welche zu Kunſt- und Fahrſtraßen gebaut ſind, auf denen Winter und Sommer ein reges Leben herrſcht und über die tägliche Eil- und Poſtwagen fahren; ferner in Saumpfade, die während der guten Jahreszeit lebhaft benutzt werden und ſelbſt auch im Winter für Schlitten- Paſſage dienen, und endlich in ſolche, die nur Fußpfade oder Gletſcherpäſſe ſind.
Die künſtlich angelegten Alpenſtraßen ſind Meiſterwerke der Baukunſt, — Triumphe des menſchlichen Verſtandes und der eiſernſten Ausdauer. Ihre Erbauer: Napoleon I., Kaiſer Franz I. von Oeſterreich, König Victor Emanuel von Sicilien und die Schweizeriſchen Gebirgskantone Graubünden, Teſſin und Uri haben ſich Denkmale durch dieſelben errichtet, welche die Pyramiden und Tempelbauten der alten Völker übertreffen. Es gab zwar ſchon vor dem Beginn unſeres Jahrhunderts gepflaſterte Alpenſtraßen, wie z. B. die über den Septimer; aber ihre Anlage war ſo ſchwer¬ fällig und ohne alle Berückſichtigung für nur einigermaßen erleich¬ tertes Fortkommen, daß es für ein ziemlich gewagtes Unternehmen galt, dieſelben mit Wagen zu paſſiren. Conſul Buonaparte war, wie erwähnt, der erſte kühne Unternehmer, der in den Jahren 1801 bis 1806 den fahrbaren Weg über den Simplon bauen ließ. Wichtig für den Handel waren von jeher die Päſſe über den Gott¬
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Gebirgs-Päſſe und Alpen-Straßen.
Werk, deſſen Ausführung kurze Zeit vorher für eine tolle Phanta¬
ſterei gegolten haben mag, gab den Impuls zu anderen, ebenſo
großartigen Straßenbauten, deren jetzt mehr als ein Dutzend die
Hoch-Alpen überſpannen.
Der Begriff „Alpen-Paß“ iſt ein ſehr relativer. Es giebt
deren, die der gewöhnlichſte Fußgänger ſehr leicht und völlig ge¬
fahrlos paſſiren kann, die kaum einige Anſtrengung verurſachen, und
es giebt andererſeits wieder ſolche, die, über Gletſcher und Eisfelder
führend, nicht weniger Ausdauer, Sicherheit und ſchwindelfreien
Kopf bedingen, als die Erſteigung bedeutender Alpengipfel. Man
kann ſie daher zunächſt eintheilen in ſolche, welche zu Kunſt- und
Fahrſtraßen gebaut ſind, auf denen Winter und Sommer ein
reges Leben herrſcht und über die tägliche Eil- und Poſtwagen
fahren; ferner in Saumpfade, die während der guten Jahreszeit
lebhaft benutzt werden und ſelbſt auch im Winter für Schlitten-
Paſſage dienen, und endlich in ſolche, die nur Fußpfade oder
Gletſcherpäſſe ſind.
Die künſtlich angelegten Alpenſtraßen ſind Meiſterwerke der
Baukunſt, — Triumphe des menſchlichen Verſtandes und der
eiſernſten Ausdauer. Ihre Erbauer: Napoleon I., Kaiſer Franz I.
von Oeſterreich, König Victor Emanuel von Sicilien und die
Schweizeriſchen Gebirgskantone Graubünden, Teſſin und Uri haben
ſich Denkmale durch dieſelben errichtet, welche die Pyramiden und
Tempelbauten der alten Völker übertreffen. Es gab zwar ſchon
vor dem Beginn unſeres Jahrhunderts gepflaſterte Alpenſtraßen,
wie z. B. die über den Septimer; aber ihre Anlage war ſo ſchwer¬
fällig und ohne alle Berückſichtigung für nur einigermaßen erleich¬
tertes Fortkommen, daß es für ein ziemlich gewagtes Unternehmen
galt, dieſelben mit Wagen zu paſſiren. Conſul Buonaparte war,
wie erwähnt, der erſte kühne Unternehmer, der in den Jahren 1801
bis 1806 den fahrbaren Weg über den Simplon bauen ließ.
Wichtig für den Handel waren von jeher die Päſſe über den Gott¬
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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